Mittwoch, 28. Februar 2018

Jugend - Liebe - Tod


Schon als Jungendlicher ist Nelson ein Außenseiter. Er ist hochintelligent und er will sich auch nicht vor anderen zum Affen machen. Die alljährlichen Fahrten mit seinem Vater ins Pfadfinderlager genießt er nur mittelmäßig. Nur Wilbur, der Leiter des Camps, wird zu seinem Vorbild und Freund. Dennoch prägen die Pfadfinder Nelsons Leben. Jahre später wird Nelson selbst zum Leiter der Pfadfinder, gezeichnet zwar vom Krieg, und dennoch ein Freund der Menschen. Bei den Pfadfindern trifft er seinen einzigen Freund Jonathan und dessen Sohn Trevor wieder. Um die Reise durch die Generationen zu erfüllen, erscheint schließlich Thomas, der Sohn des allzu früh verstorbenen Trevor zu seinem Aufenthalt.

Die Erzählung um Nelsons tragische Jugend, mit dem gewalttätigen Vater und die liebevolle, aber schwache Mutter, nimmt einen sofort für den Jungen ein. Man bestaunt seine Intelligenz, seine Gleichmut, das Fehlen einer Anbiederung. Er scheint nicht in die moderne Welt der 1960er zu passen. Kein Wunder also, dass der zu diesem Zeitpunkt schon betagte Wilbur zu einem Leitbild und Vaterersatz wird. Und so erstaunt es nicht, dass Nelson durch Krieg und Verlust gezeichnet den Posten Wilburs übernimmt. Jetzt ist er an der Reihe, jungen Menschen ein Vorbild zu sein. Mit seiner Ruhe, Freundlichkeit und Toleranz versucht er, dem etwas steifen Trevor Verständnis für den Vater zu vermitteln. Weitere Jahre später soll es Nelsons letzter Sommer werden. In diesem Sommer kommt auch Trevors Sohn noch einmal mit. Seine Mutter Rachel begleitet ihn. Die einzige Frau im Pfadfinderlager bewirkt leider kein fröhlicheres Beisammensein, eher im Gegenteil nimmt sie eine Außenseiterposition ein.

Nie ganz gut und selten richtig schlecht, so scheinen sie zu sein, die Männer. Manchmal grausam untereinander, aber doch mit einem Zusammengehörigkeitsgefühl. Ein trunkener Absturz schweißt eher zusammen als das er trennt. Und dennoch werden durch die Erkenntnis, dass Väter auch nur Menschen sind und keine Idole, manchmal Gräben aufgerissen, die kein späteres Verständnis völlig zu schließen vermag. Und so zweigen sie sich von ihrer guten gefühlvollen Seite, aber auch mit einer perfiden Schlechtigkeit, die nach Strafe ruft. Wie geht das zusammen? Wieso sind sie so? Das wird wohl nicht so wirklich geklärt werden können, man hofft, dass bei den meisten die positiven Momente überwiegen.

Ein warmherziges Buch, das zwar auch nicht die unbequemen Wahrheiten ausspart, das eine wenn auch melancholische aber doch positive Stimmung auslöst.


4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Die Herzen der Männer von Nicolas Butler
ISBN: 978-3-608-11010-4


Dienstag, 27. Februar 2018

Marius


Ihr Bruder Marius soll im gleichen Helikopter von der Bohrinsel transportiert werden wie sie, zwei Wochen Arbeit, vier Wochen frei. Doch Marius steigt nicht ein und der Pilot wartet nicht. Und dann bleibt Marius verschwunden. Als die junge Ärztin Kristin wegen eines Notfalls zurück auf die Bohrplattform gerufen wird, macht sie sich sofort auf den Weg. Vielleicht findet sie auf diesem Weg eine Möglichkeit, ihren geliebten Bruder wiederzufinden. Wie so oft kommt es allerdings anders, der Patient ist bereits verstorben und verschwunden und auch auf ihren Bruder deutet nichts hin. Wäre da nicht eine geheime Nachricht, Kristin wäre nahe dran aufzugeben.

Wer würde es nicht verstehen, mit aller Macht versucht Kristin, das Schicksal ihres Bruders zu klären. Kannte sie ihn überhaupt wirklich? Bei ihrer Suche erfährt Kristin einiges über Marius, das sie gar nicht glauben mag. Und doch, nie würde Marius den gemeinsamen Vater im Stich lassen, dem das Leben schon arg genug mitgespielt hat. Es muss etwas passiert sein, etwas, das nicht in Marius’ Hand lag. Auf dieser Bohrinsel scheinen doch eigenartige Dinge zu geschehen, schließlich ist bei Kristins Ankunft schon wieder ein Mensch gestorben. Natürlich ist das Leben auf einer solchen künstlichen Insel hart, aber gerade deshalb wird die Sicherheit doch groß geschrieben.

Eine toughe Frau ist diese Ärztin Kristin, ihr Bruder muss einfach gefunden werden. In was ist er herein geraten? Hartnäckig bohrt Kristin nach, ohne Rücksicht auf die Gefahr, in die sie sich bringen könnte. Gespannt verfolgt man ihre Nachforschungen, die viel mehr zutage fördern als je geahnt. Packend und rasant wird ihre intensive Suche geschildert, bei der sie auf Hinweise stößt, wobei ihr Bruder durch die Geschichte irrlichtert und ihr immer knapp zu entwischen scheint. Nach und nach wirkt die Handlung immer bedrohlicher und mit jeder Seite sorgt man sich mehr, die Katastrophe scheint unausweichlich. 

Ein rasanter Thriller, das Ende vielleicht etwas weit hergeholt, aber ausgesprochen spannend, so dass man ihn in einem Rutsch weglesen kann.


4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Insel 77 von Halvar Beck
ISBN: 978-1-542-04899-6


Sonntag, 25. Februar 2018

Comeback


Nach einer Durststrecke hat der um die 50jährige Schauspieler Albert endlich wieder Erfolg mit einem Werbespot. Leider hat er nicht viel davon. Sein ehemals bester Freund Oskar findet ihn tot in seiner Wohnung. War Albert krank, ist er den Drogen zum Opfer gefallen oder gar einem Mordanschlag? Das ist zunächst nicht klar, doch nach und nach ergeben sich immer weitere Hinweise, die allerdings in keine klare Richtung weisen. Waren die Miethaie hinter ihm her oder sein Agent? Oder verfolgt Oskar eigene Ziele?

Zufällig haben sich Oskar und Albert nach Jahren wieder getroffen. Oskar ist weg aus Mitte, in Spandau möchte er es sich mit seiner Freundin Clara gutgehen lassen. Im allgemeinen Beziehungsstress kommt ihm dieser kleine Ausflug in die Vergangenheit ganz recht. Mal wieder ausgehen, die Sau rauslassen. Doch das bittere Erwachen kommt bevor die Party überhaupt begonnen hat. Albert ist tot. Und alle zerren an Oskar herum, weil sie vermuten, er wisse etwas oder habe etwas. Die Miethaie, die das Haus entmieten wollen und kein Mittel scheuen. Der Agent, der den Kunden über den Todesfall im Ungewissen lässt. Die Freundin Alberts, die von besseren Zeiten auf Ibiza träumt. 

Wie schnell kann man in einen Strudel der Ereignisse geraten, wie schnell wird man mitgerissen von Geschehnissen, auf die man keinen Einfluss hat. Von Ferne fühlt man sich an Kafka erinnert, mit Oskar geschieht etwas und er kann nichts tun. Eine Entwicklung bahnt sich an, die sich nicht aufhalten lässt. Je mehr Oskar herum rudert, desto schlimmer scheint es zu werden. Hat man sich erstmal an die ungewöhnliche Kenntlichmachung der wörtlichen Rede gewöhnt, kann man dieser kleinen aber feinen Groteske einiges abgewinnen. Aus etlichen Handlungssträngen wird ein reißender Fluß, der alles miteinander verbindet. Häusermonopoly gegen die alteingesessenen Bewohner. Immer neue Erkenntnisse über Albert, seinen Beruf, sein Liebesleben. Und sein ehemals bester Freund Oskar, der Licht in die Vorgänge bringen möchte, und der sich dabei selbst verstrickt. Dieses Feuerwerk von Ideen ist zum Genießen, Schmunzeln und zum Zähneknirschen vor lauter Aberwitz.

4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Der Freund von früher von Wolfgang Mueller
ISBN: 978-3-442-71585-5




Jemals lernen?


Nachdem Felicitys Großmutter verstirbt verschwindet ihre Mutter Martha ohne ein Wort. Völlig konsterniert folgt Felicity ihrer Mutter nach Rom. Was hat die Mutter von Seattle nach Europa geführt? Die Spur führt in die Vergangenheit, die relativ behütete Zeit im München der 1920er, die große Liebe zwischen Urgroßvater und Urgroßmutter, die durch das Nazi-Regime grausam beendet wird. Die Geschichte niedergeschrieben hat die Großmutter vor langen Jahren. Felicity kann kaum fassen, welches Schicksals ihre Großmutter erleiden musste. Von einem braunen Schergen verführt und missbraucht, stellt sie ihre eigenen Wünsche hintenan, um den kleinen Bruder zu retten.

Oft unerkannt sind die Lebensgeschichten der Vorfahren, gerade die Generation, die den zweiten Weltkrieg durchmachen musste. Wieviel wurde da nicht erzählt, nicht aufgeschrieben. Da sind die Mitläufer, die sich durchmogelten, ohne Stellung zu beziehen. Diejenigen, die reingezogen wurden und sich nicht gewehrt haben. Die, die alles versuchten, ihre Lieben zu retten und doch scheiterten. Andere, die sich prostituierten, um andere zu schützen. Die Wenigen, die den Schritt in den Widerstand wagten. Die Täter, deren Perfidität ohne Gleichen ist und die leider häufig nicht hart genug bestraft wurden. Kann es bei einer Lebensgeschichte, die von großen Härten geprägt ist, überhaupt so etwas wie ein glückliches oder erfülltes Leben geben? Eher nicht. Generationen überspannend bleibt die Familie gefühlsmäßig verhärtet.

Bei dem Leid, welches Krieg und Nazi-Herrschaft über die Menschen gebracht haben, würde man wünschen, die Menschen hätten endlich gelernt. In Artikel 1 des deutschen Grundgesetzes steht: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Da gibt es keine Einschränkung, da darf es keine Einschränkung geben. Vor diesem Hintergrund mag man kaum glauben, wie es heute in der Welt zugeht. Würden sich doch nur alle an diese einfachen Worte halten, dürfte es gewisse Äußerungen und gewisse Gruppierungen nicht geben. Vor diesem Hintergrund gelesen, macht der Roman mit eindringlichen Worten klar, dass Krieg und Unmenschlichkeit die Welt ganz sicher nicht besser machen. Noch Generationen später sind die Auswirkungen zu spüren. Doch man gewinnt den Eindruck, dass wenn ein Krieg mal überwunden werden könnte, setzt keine glücklichere Phase ein, sondern eher eine Phase des Vergessens und Verleugnens, in der die selben entsetzlichen Taten wieder begangen werden. Man steht ziemlich fassungslos davor und möchte Bücher wie dieses jedem empfehlen, der auch nur ein einigermaßen mitfühlendes Herz hat.


4,5 Sterne (🐳🐳🐳🐳+)

Honigtot von Hanni Münzer
ISBN: 978-3-49230725-3


Dienstag, 20. Februar 2018

Justizia


Manolis Lefteris könnte schon als einsamer Wolf bezeichnet werden. Lange vor seiner Geburt ist ein großer Teil seiner Familie durch Nazi-Verbrechen umgekommen und der Vater hat dies nie verwunden. Geprägt durch diese Vergangenheit drohte Manolis als Jugendlicher auf die schiefe Bahn zu geraten. Doch er wählte einen anderen Weg, er wurde eine Art Problemlöser, der im Jahr 2013 den Auftrag bekommt, ein Dossier zu beschaffen. 

Im Jahr 1944 ist die junge Krankenschwester Kathrin gerade mit der Ausbildung fertig und sie beginnt mit ihrer Tätigkeit in einem Pflegeheim, in dem auch behinderte oder traumatisierte Kinder und Erwachsene untergebracht sind. Kathrin ist bestrebt den Menschen zu helfen und sie meint zunächst der Arzt Karl Landmann könne ein Vorbild für sie sein. Bald schon merkt sie jedoch, dass Patienten, die zur Spezialbehandlung kommen, schwer erkranken und sterben.

Auf zwei Zeitebenen wird von den Geschehnissen berichtet. Einmal aus der Sicht Kathrins, die sehr nahe an den Ereignissen ist. Schutzlos ist sie dem ausgeliefert, was ihre Vorgesetzten für großartig und im Krieg für gerechtfertigt halten. Mit nur kleinen Gesten kann sie den Patienten helfen, mal ein nettes Wort oder auch eine Kleinigkeit zu essen. Doch aufhalten kann sie das Unheil nicht. In der Gegenwart dann Manolis, der durch seinen Auftrag, von diesen Verbrechen erfährt. Er will Justizia eine Chance geben, doch kann die Justiz die Chance nutzen. Zunächst gilt es jedoch dieses Dossier zu finden und zu erfahren, wovon es berichtet. 

Puh, welch ein Buch, welch eine Thematik. Man mag sich nicht vorstellen, welche Nazi-Verbrechen noch ungesühnt blieben. Die vielen Mitläufer, die ja nur getan haben, was von ihnen verlangt wurde. Am Beispiel des Anstaltsarztes Karl Landmann wird die ganze Grausamkeit und Unmenschlichkeit dieser Verbrechen deutlich gemacht. Mit welchen hohlen Phrasen sie ihre Taten schöngeredet haben und jede Möglichkeit genutzt haben einer gerechten Strafe zu entgehen. Kann es dann so lange Zeit nach dem Kriegsende noch gelingen, einen solchen Verbrecher zu bestrafen? Schließlich verjährt Mord nicht. Manolis sieht da schwarz, doch er will wie gesagt Justizia eine Chance geben. 

Beim Lesen des Romans versteht man sehr gut, dass es der Autorin, die als Inge Löhnig vielen Krimilesern bekannt sein dürfte, eine Herzensangelegenheit war, von den schlimmen Taten zu berichten, die Unschuldigen und Wehrlosen angetan wurden. Mit ihrer Schilderung reißt sie mit und regt zum Nachdenken an. Mord verjährt nicht und Mörder sollten bestraft werden, egal wie viel Zeit seit der Tat vergangen ist. Mit seiner ruhigen Vortragsweise unterstreicht der Sprecher dieses Hörbuchs Thomas M. Meinhardt die Wichtigkeit und Brisanz des Themas.

5 Sterne (🐳🐳🐳🐳🐳)

Die Vergessenen von Ellen Sandberg
ISBN: 978-3-844-52718-6




Samstag, 17. Februar 2018

Hipster


Nach einer Firmenfeier wird die Managerin einer Online-Tauschbörse, Carolin Höller, tot aufgefunden. Offensichtlich ist sie aus dem Fenster gestürzt. Unfall, Mord oder Selbstmord - die Münchener Kommissarin mit irischem Hintergrund Patsy Logan wird mit der Ermittlung beauftragt.
Patsy Logan, deren langjähriger Kollege Konstantin gerade befördert wurde und der nun ihr Vorgesetzter ist, hadert noch ein wenig mit der Situation. Für die Untersuchung scheint sie bestens geeignet, kommt doch die Muttergesellschaft der Firma aus Irland. Schnell stellt sich heraus, dass Carolin Höller wohl nicht freiwillig gesprungen ist. Und nun gilt es den zahlreichen teils unterschwelligen Strömungen in der Firma und auch in Carolins Leben nachzugehen.

Patsy Logan hat etwas Spezielles, sie steht mit beiden Beinen im Leben und doch kann und will sie ihre irischen Wurzeln nicht verleugnen, die ihr zwar keinen Feenglauben bescheren aber doch zu so mancher Eingebung führen. Mit ihrer neuen Partnerin  Kris muss sie sich erst zusammenfinden und auch zu hause lauern so einige Probleme mit einem manipulativ wirkenden Lebenspartner. Da wirkt ihr irischer Polizei-Counterpart Ben Ferguson doch sehr erfrischend. Sehr hilfsbereit sind sie allerdings bei Skiller, der Firma, bei der die Tote beschäftigt war. Frau Höller war ein geschätztes Mitglied der Arbeitnehmerschar. Es gehört zur Firmenpolitik, die Mitarbeiter zu verhätscheln, dafür müssten diese sich auch ordentlich ins Zeug legen. Geschwätz, das Patsy Logan natürlich sofort durchschaut.

Deutsch-Irische Verwicklungen und Ermittlungen machen diesen ersten Band einer Reihe um Patsy Logan sehr lesenswert. Patsy ist zum Glück keine dieser Kommissare, die vor lauter eigenen Problemen keine Zeit haben, ihrer Arbeit nachzugehen. Wie jeder Mensch hat sie allerdings schon ein gewisses Päckchen zu tragen, allerdings sind es Lebensumstände, mit denen sie umzugehen hat, die sehr nachvollziehbar sind. Zwar könnte man sich wünschen, sie möge der Idee eines irischen Abenteuers mehr Raum geben, um etwas mehr Leichtigkeit im Leben zu haben. Aber darüber muss natürlich Patsy selbst entscheiden. In ihrem ersten Fall führt ihr Näschen oder die Vorsehung sie schließlich zu einer unerwarteten Lösung, die geschickt komponiert in der Nachschau naheliegend erscheint, die man während des Lesens aber unbeachtet beiseite lässt. Besonders erwähnenswert sind die Schilderungen der Vorgänge aus Carolines Sicht, die großenteils wirklich mitreißend sind. Und der Schluss erfreut mit einem Cliffhanger zu einer neugierigen Frage, die man sich während der Lektüre schon gestellt hat und deren mögliche Beantwortung man mit Spannung erwarten darf. 


4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Harte Landung von Ellen Dunne
ISBN: 978-3-458-36288-3


Freitag, 16. Februar 2018

Sylt Guard


Mehrere Einbrüche verunsichern die Inselbewohner. Man könnte Sylt schon als ein lohnendes Pflaster für Einbrecher bezeichnen. Die Sicherheitsfirma Sylt Guard läuft deshalb sehr gut. Doch gerade auf deren Kunden scheinen es die Diebe abgesehen zu haben. Schließlich wird ein Mitarbeiter der Firma tot in dem Haus einer Kundin aufgefunden. Es scheint so als habe er die Einbrüche begangen, schließlich saß er ja an der Quelle sämtlicher Informationen über die Alarmanlagen. Wer aber soll ihn erschossen haben? Hatte er einen Komplizen? Die Sylter Polizei beginnt mit ihren Untersuchungen. Und eine Kollegin vom LKA Kiel wird under cover in die Sicherheitsfirma eingeschleust.

In diesem dritten Band um die LKA Ermittlerin Kari Blom und Hauptkommissar Jonas Voss erfährt der Kommissar endlich von der wahren Identität Karis. Noch immer fühlt er sich zu der jungen Frau hingezogen. Dass sie eine Kollegin ist, macht die Sache allerdings nicht einfacher, eher im Gegenteil. Und auch die Aufklärung der Einbruchserie erweist sich als kompliziert. Zwar hat Sylt Guard nicht viele Mitarbeiter, aber es ist für niemanden ein Motiv erkennbar. Die meisten Angestellten gehören zur Familie des Inhabers und die können ja nicht von den Einbrüchen profitieren wollen.

Kari Blom und Jonas Voss bilden ein sympathisches Team, auch wenn sie nicht wirklich gemeinsam ermitteln können. Es darf ja niemand erfahren, dass sie sich kennen. Und so halten sie sich meist an unterschiedlichen Schauplätzen auf. Doch bei den seltenen Treffen entstehen prickelnde Situationen zwischen den beiden. Besteht eine Möglichkeit, dass sie ihren Gefühlen nachgeben und eine gemeinsame Zukunft haben. Das muss offen bleiben, denn gerade hier ergibt sich der Reiz dieser Reihe. Es prickelt und knistert und bleibt doch in der Schwebe. Hinzu kommt noch ein verzwickter Fall, in dem ein Knäuel unterschiedlichster Beziehungen zwischen den Arbeitnehmern von Sylt Guard entwirrt werden muss, um dem Täter näher zu kommen.


4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Sylter Blut von Ben Kryst Tomasson
ISBN: 978-3-8412-1514-7


Donnerstag, 15. Februar 2018

Family Ties


Natürlich soll für die Abifeier der Tochter Nora alles nach deren Wunsch laufen. Es ist ihr großer Tag. Doch so einfach ist es nicht, die Eltern sind geschieden. Alex, der Sohn, ist bei der Mutter Bea geblieben und hat den Kontakt zu seinem Vater abgebrochen. Der Vater ist nach Hamburg gezogen, wohin ihm Nora gefolgt ist. Bei Johanna, deren Sohn Tobias ebenfalls in dem Abi-Jahrgang ist, handelt es sich um die Freundin von Noras Vater. Auch Johanna ist geschieden. So ein mittleres Familiendurcheinander, da wird es schon schwierig auch nur die Tischordnung so hinzubekommen, dass alle zufrieden sind. 

Beim Lesen des Titels mag einem zunächst einmal die eigene Abi-Fete in Erinnerung kommen. Aus einer langweilig klassisch normalen Familie stammend, ist einem das Gedankenchaos des Autors zwar etwas fremd. Mit dem Gedanken, dass man es in dieser Situation vielleicht einfacher gehabt hat, liest man mit Empathie, welche Überlegungen Patchworkeltern anstellen, um ihren Kindern ein schönes Fest zu bereiten, ohne sich selbst dabei völlig zurückzunehmen. Fast strategisch mutet die akribische Planung an. Nichts soll dem Zufall überlassen werden und eine gewisse Erleichterung ist zu spüren, wenn die Erkenntnis aufkommt, dass es halben Elternteilen auch noch schlimmer ergehen kann. Es keimt die Hoffnung, man könne als Großfamilie etwas mehr zusammenwachsen.

Nicht unbedingt alles kann man nachvollziehen, wenn man die Familiensituation nicht aus eigener Erfahrung kennt, dennoch liest man von vorausplanenden Paar des Autors und seiner Johanna mit Interesse und Erstaunen. Nicht ganz präzise kann man den Erzähler einschätzen, versucht er doch so viel, um das Verhältnis zu seiner Ex-Familie auf eine freundschaftliche Ebene zu bringen, scheint es später doch so als würde er es wegen einer Banalität wieder aufs Spiel setzen. Seine abgeklärte Partnerin wirkt da wesentlich cooler. Und wie es manchmal so ist, machen die Kinder manchmal einen erwachseneren Eindruck als die Großen. 

Ein unterhaltsames kleines Buch um die Probleme von Patchworkfamilien, deren Mitglieder sich vielleicht manchmal genau die richtigen Gedanken machen, die Probleme aber manchmal auch als schwerwiegender erscheinen lassen als sie auf einen Außenstehenden wirken. 


4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Abifeier von Eric Nil
ISBN: 978-3-86971-165-2


Dienstag, 13. Februar 2018

Mandible


Amerika in einer nicht ganz so fernen Zukunft, das Land ist überschuldet und der Dollar verliert immer mehr an Wert. Die Familie Mandible hat sich immer abgesichert geglaubt. Ihr großer Übervater der 100jährige George ist ein Finanzmagnat und das Geld der Familie ist sicher angelegt. Wenn es also einzelne Familienmitglieder nicht zu großem Reichtum bringen, so ist doch irgendwann ein Erbe zu erwarten. Wenn schon nicht die Gegenwart so scheint doch wenigstens die Zukunft gesichert - bis der Dollar zusammenbricht und der Staat Maßnahmen ergreift, um sich das letzte Quäntchen finanziellen Spielraum zu erhalten. Genau in diesem Moment ist Florence diejenige, die den anderen mit ihren schmalen Mitteln unter die Arme greift. 

Eine Familie am Rande des Untergangs, wäre da nicht Florence` Sohn Willing, dessen innovative Ideen, präzise treffenden Analysen und außerordentliche Überzeugungskraft die Familie auf neue Wege führen. Doch bevor es soweit kommt, muss man einen beispiellosen Untergang einer großen Nation erleben, der keinen der Bürger unberührt lässt. Erst hofft man noch, die Katastrophe werde vorüber gehen und die Normalität werde sich durchsetzen. Schnell jedoch wird klar, es ist ein sehr tiefes Tal, das zu durchwandern ist. Schwer ist es, die Familie wird ungeahnten Gefahren ausgesetzt und muss den finanziellen Absturz verkraften.

Etwas sperrig lässt sich die Lektüre an, vielleicht auch, weil es teilweise schwer zu ertragen ist, wie schnell gewachsene Strukturen zusammenbrechen, derer man sich sicher war. Eine Art Staatsdiktatur melkt das Letzte aus den Menschen heraus. Und jedes Mal, wenn ein Fünkchen Hoffnung aufkeimt, die Situation könne sich entspannen, kommt der nächste Hammer. Wie ein kleines zartes Pflänzchen, das sich in seinem Wachsen nicht beirren lässt, wirkt Willing, der erst 13jährige, der als einziger erkennt, wie der Hase läuft. Je mehr man dieses gewitzte Kerlchen versteht, desto mehr kann man sich mit dem Roman anfreunden. Eine stille Stütze ist auch die alte Nollie, die aus Europa kommend, in den Schoß der Familie zurück findet. Nollie, die trotz ihres Alters jugendlicher und fortschrittlicher wirkt als die meisten anderen Familienmitglieder. 

In Zeiten eines extremen Umbruchs wird eine Familie auf sich selbst zurückgeworfen und überlebt. Eine Art Utopie, die hoffentlich eine Utopie bleibt, die jedoch manchmal erschreckende Parallelen zur Wirklichkeit aufweist. Ein Roman, durch den man sich ein wenig kämpfen muss, der zum Nachdenken anregt und der so schnell nicht loslässt.


4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Eine amerikanische Familie von Lionel Shriver
ISBN: 978-3-492-97770-8


Samstag, 10. Februar 2018

DI Lacey Flint


Vor ihr bricht eine Frau schwer verletzt zusammen. DI Lacey Flint kann die Frau nicht retten. Doch sie wird als Zeugin vernommen und dann auch an den Ermittlungen beteiligt. Die Verstorbene bleibt nicht das einzige Opfer. Es kommt der Verdacht auf, der Täter könnte es in irgendeiner Forma auch auf die junge Polizistin abgesehen haben, die ihr Privatleben eher im Verborgenen hält. Der Ermittler Marc Joesbury übernimmt es, Lacey zu beschützen und mit ihr gemeinsam nach den Hintergründen der Taten zu suchen. Hinweise sind nicht leicht zu finden, der Täter erweist sich als ausgesprochen gewieft und scheint der Polizei immer einen Schritt voraus zu sein.

In diesem ersten Band um DI Lacey Flint stellt sich zunächst einmal die Frage, wer ist die junge Polizistin überhaupt. Über ihr Privatleben und ihre Herkunft erzählt sie nicht viel, sie wirkt zwar freundlich aber distanziert. Es erscheint unwahrscheinlich, dass sie, die beinahe noch in der Ausbildung ist, in einen Mordfall hineingeraten könnte. Und doch passiert es, und es ist ungewiss, ob Flint der Aufgabe gewachsen ist. Dass Marc Joesbury sie dauernd umschwirrt, macht es nicht einfacher. Eigentlich will sie niemanden um sich haben, oder doch? 

Ein spannender erster Auftritt ist DI Lacey Flint wohl gelungen. Die Mordserie ist vertrackt, die Bezüge zur Vergangenheit geschickt eingeflochten und der Charakter von Lacey stimmig beschrieben. Die Geplänkel mit Joesbury wirken manchmal etwas gekünstelt, meist aber neckisch. Auch wenn manche vermeintliche Durchbrüche ein wenig herbei geredet erscheinen, so fesselt dieser erste Teil einer Reihe doch sehr und weckt die Neugier auf die weitere Entwicklung der jungen Polizistin und ihrem Gegenpart Marc Joesbury. Gut vorstellbar, dass man sich da auf einiges gefasst machen kann.


4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Dunkle Gebete von Sharon Bolton
ISBN: 978-3-442-47942-9






Mittwoch, 7. Februar 2018

Babylon

Kommissar Tom Babylon sucht schon seit Jahren nach seiner kleinen Schwester. Vielleicht ist er deshalb Polizist geworden. Und nun wird eine Tote im Dom gemeldet. Babylon eilt an den Tatort. Schockiert stellt er fest, dass er die Tote kannte. Nicht nur als Kirchenfrau sondern auch als Mutter einer ehemaligen Schulkameradin. Tom, dessen Position beim LKA nicht die allerbeste ist, ist damit eigentlich raus aus dem Fall. Da er jedoch aus gewissen Gründen hofft, eine neue Spur zu seiner Schwester zu haben, gibt er nicht alle Informationen preis und ermittelt weiter. Dass ihm die Psychologin Sita an die Seite gestellt wird, sieht er eher als notwendiges Übel.

Natürlich ist unter den Kollegen bekannt, dass Tom das Verschwinden seiner Schwester nie verkraftet hat. Obwohl ihre Leiche gefunden wurde, glaubt Tom nicht, dass sie tatsächlich tot sein soll. Und nicht nur das ist ein Problem in Toms Leben. Die Beziehung zu seiner Freundin Anne läuft nicht mehr so. Als Ermittler hat Tom zu wenig Zeit, er ist nie da und richtige gemeinsame Aktivitäten gibt es auch kaum noch. Kann Tom Babylon unter diesen Umständen überhaupt viel zu der laufenden Ermittlung beitragen? Zumindest stürzt er sich mit Feuereifer in die Untersuchung. 

Grausame Morde, eine hintergründige Verstrickung des Ermittlers, eine bröckelnde Beziehung, eine toughe Psychologin, die auch eine Vergangenheit hat, Kollegen, die Misstrauen erwecken. Daraus lässt sich ein ausgesprochen spannender Kriminalroman komponieren. Der Autor versteht es wahrlich zu fesseln. Nach Anlage dieses Reihenstarts, mit seiner die Bände umspannende Rahmenhandlung, muss am Ende einiges offen bleiben. Ob diese Verstrickung der Handlungsstränge, die nach dem Verständnis, das sich anbietet, wohl die Lektüre in der richtigen Reihenfolge notwendig macht, so günstig ist, werden Leser, die lieber völlig abgeschlossene Fälle haben, selbst entscheiden müssen. Wer sich jedoch entschließt Tom Babylons Werdegang weiter zu verfolgen, dem dürfte packende Unterhaltung garantiert sein, denn es bleiben Fragen offen, auf deren Klärung man in den nächsten Bänden hoffen darf.



4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Schlüssel 17 von Marc Raabe
ISBN: 978-3-8437-1598-0


Dienstag, 6. Februar 2018

Trisolaris

Die junge Ye Wenjie muss während der Kulturrevolution in China miterleben wie ihr Vater angeklagt und umgebracht wird. Trotzdem dient sie dem Staat treu als Astrophysikerin, bis auch sie Verrat erleben muss. Doch wegen ihrer überragenden Qualität als Forscherin bekommt sie die Gelegenheit an einem geheimen Forschungsprojekt teilzunehmen. Noch vierzig Jahre später beschreibt sie das als Wendepunkt in ihrem Leben. Die allgemeinen Forschungen sind inzwischen vorangeschritten und es herrscht große Verunsicherung, weil sich allgemeingültige Formeln als nicht so allgemeingültig erwiesen haben wie immer geglaubt wurde. Der junge Wissenschaftler Wang Miaou macht sich auf die Suche nach Antworten.

Die schon ältere Ye Wenjie und der jüngere Wang Miaou bilden ein ungewöhnliches Team. Ye Wenjies Enthusiasmus, den sie in jungen Jahren an den Tag gelegt hat, könnte sich als fataler Fehler erweisen. Wang Miaou, der die ältere Dame erst viel später kennenlernt, empfindet zunächst eher Mitleid mit ihr, deren Tochter sich vor kurzem selbst getötet hat, doch nach und nach muss er erkennen, dass sie wohl eine fürchterliche Entwicklung verursacht haben könnte, die für die Menschheit eine Katastrophe bedeuten mag. 

Wenn man sich fragt, ob man sich an diesen Roman herantrauen möchte, der in einer so fremden Kultur angesiedelt ist und sich als komplexer Science Fiction Stoff entwickelt, könnte diese Hörspielfassung von WDR und NDR eine Antwort bringen. Mit treffend ausgesuchten Sprechern wird der mit wissenschaftlichen Ausführungen gespickte Fortgang der Handlung in einer packenden Form dargeboten. Die musikalische Untermalung jagt einem dabei Schauer über den Rücken. Wenn man die Situation als bedrohlich wahrnimmt, kann das durchaus gewollt sein. Allem Anschein nach treibt die Menschheit ihrem Untergang entgegen. Das Ende kann man zwar vor Anspannung und Neugier kaum erwarten, man möchte es aber doch hinauszögern, um die Katastrophe hinauszuschieben. 


Zum Glück handelt es sich hier um eine Trilogie, deren weitere Bände mit Spannung erwartet werden dürfen und von denen man hoffen darf, dass sie eine ebenso gute Radio-Adaption erfahren.

4 Sterne

Die drei Sonnen von Cixin Liu
ISBN: 978-3-8371-4173-3


Sonntag, 4. Februar 2018

Der Fährmann

Nadja Schwertfeger wurde bereits als Baby adoptiert. Inzwischen ist sie pensioniert und ein Hobby von ihr ist die Suche nach vergessenen Autoren. In einem Antiquariat entdeckt sie eine Beschreibung aus den letzten Tagen des zweiten Weltkrieges. Dort wird eine Spielzeugkatze genauso beschrieben wie ihr Maunz, das einzige, was ihre leibliche Mutter ihr gegeben hat. Nadja zweifelt, ob sie noch nach ihrer wahren Herkunft suchen soll, doch Ruhe lässt es ihr nicht. Sie beginnt nach dem Ort zu suchen, der in der kleinen Veröffentlichung beschrieben wird. Eine überraschende Hilfe ist ihr der ebenfalls pensioniert und nun als Privatermittler tätige Hanz Berndorf.

Kurz nach dem Krieg geboren, muss sich Nadja mit ihrer Suche beeilen, wenn sie noch Zeugen finden will, die ihr helfen könnten, ihre Mutter zu finden. Ihre energische Freundin Wally reist zunächst mit ihr durch das württembergische Land, um nach dem kleinen Ort zu suchen. Eine Suche nach der Nadel im Heuhaufen? Eher durch Zufall stoßen die Freundinnen auf eine Ort, auf den die Beschreibung passt. Doch keiner der Einheimischen will wirklich mit den beiden reden. Erst der Hinweis auf Berndorf, der ebenfalls von dort stammt und der bei der Polizei gelandet ist, scheint sie voranzubringen. Irgendwie scheint Berndorf selbst noch eine Rechnung offen zu haben.

Es wird Zeit. Möchte man heute noch etwas aus den letzten Kriegstagen wissen, möchte man Zeitzeugen befragen, ist Eile geboten, die Zeugnisse zu dokumentieren. Die Befreier standen vor den Toren der Städte. Doch einige meinten noch, sie müssten das Reich verteidigen. Nahrung und Wohnraum war knapp. Menschen wie die Flüchtlingin aus der gefundenen Geschichte, wurden an fremde Orte verschlagen, stachen heraus und zogen nicht nur Sympathie auf sich. In diese Szenerie hinein forscht der verschwiegene Berndorf, der sich mit seiner Auftraggeberin ebenso wenig anfreunden kann wie sie sich mit ihm. Beide jedoch sind begierig darauf, zu erfahren, was damals in dem Dorf geschah. Und so wie sie sich anzicken, ergänzen sie sich doch in ihren Nachforschungen. 

In seinem zehnten Fall bekommt Hand Berndorf einen wirklich besonderen Auftrag, der ihn in seine eigene Vergangenheit führt. Vielleicht eine Vergangenheit, mit der er sich nicht unbedingt beschäftigen wollte, die ihn aber doch nicht loslässt. Das ausgerechnet diese beinahe unerträgliche pensionierte Lehrerin ihn darauf bringt, ist schon ein gediegener Zufall. Gemeinsam oder auch gegeneinander steigen sie in die Tiefen einer Dorfvergangenheit. Ruhig, akribisch und stetig - so entsteht eine formidable Spannung aus der Langsamkeit und den Eigenheiten eines Menschenschlags. 


Ein Buch das Seite für Seite genossen werden kann, mit einer Geschichte, die sich in ihren vielen Facetten nach und nach entfaltet.

4,5 Sterne (🐳🐳🐳🐳+)

Nadjas Katze von Ulrich Ritzel
ISBN: 978-3-442-71581-7




Samstag, 3. Februar 2018

Charleston

Gerne würden ihre Eltern ihr Vernunft beibringen, doch Lara Lington kann nicht von ihrem Ex-Freund lassen. Auch beruflich steht Lara  nicht gut da, ihre Geschäftspartnerin hat sich eine unbegrenzte Auszeit genommen und Lara mit offenen Vorgängen und offenen Rechnungen sitzen gelassen. Und nun ist eine betagte Verwandte verstorben und Lara muss mit der ganzen Familie zur Trauerfeier. Die ganze Familie bedeutet auch der reiche Onkel Bill, der allen in der Familie als herausragendes Beispiel für Unternehmerinitiative gilt. Das alles ist aber nicht gegen die Stimme, die Lara plötzlich hört, die Stimme ihrer Großtante Sadie, die nach ihrer Halskette verlangt. 

Wer glaubt schon an Geister? Lara jedenfalls nicht, eigentlich. Doch vielleicht würde sie gerne an Geister glauben. Ihre Großtante Sadie, die an sich selbst natürlich nicht als alte Frau denkt, sondern an die 20jährige, die durch die wilden Zwanziger flaniert ist und Charleston getanzt hat, bringt Laras Leben tüchtig durcheinander. Lara ist die gewissermaßen die Einzige, die Sadie sehen und hören kann, wodurch die Kommunikation mit ihren Mitmenschen etwas schwierig wird. Es dauert allerdings nicht lange, bis Lara feststellt, dass Sadie ihr helfen kann. Zunächst einmal ist Laras erstes Ziel, ihren Ex zurückzugewinnen. Doch je mehr sie von Sadie erfährt, desto mehr unternimmt sie, um ihrer Großtante zur Seite zu stehen.

Wenn man die ersten Worte Sadies liest, denkt man vielleicht, verwöhntes Gör. Man wehrt sich genauso gegen die Geister-Existenz wie Lara. Wenn liest, wie fixiert Lara auf ihren Ex-Freund ist, denkt man, Stalker - wie peinlich. Doch je mehr sich die Persönlichkeiten von Lara und Sadie entfalten, desto mehr ist man angefixt von dieser bittersüßen Geschichte. Man spürt die Tragik in Sadies Leben, man spürt die dunkle Wolke, die Bill über die Familie gebracht hat, man spürt, dass Lara ein sehr liebenswerter Mensch ist, die einfach nur eine falsche Entscheidung getroffen hat. Immer ist man gebannt von den Wendungen, die die Schicksale aller Beteiligten in die richtigen Bahnen schubsen. 


Eine Geistergeschichte zum Dahinschmelzen.

4,5 Sterne (🐳🐳🐳🐳+)

Twenties Girl von Sophie Kinsella
ISBN: 978-0-593-05978-4


und hier die Leseprobe auf Deutsch:




Donnerstag, 1. Februar 2018

Die zweite Seite

Obwohl sie sich erst sehr kurze Zeit kennen, heiraten Lotto und Mathilde. Alles ist so klar, ein Leben voller Liebe und Glück liegt vor ihnen, da sind sie sicher. Lotto kommt aus einem wohlhabenden Haus, allerdings ist seine Mutter nicht mit der Hochzeit einverstanden. Lotto muss also auf eigenen Füßen stehen. Als Schauspieler ohne festes Engagement erweist sich das als schwierig. Mathilde beginnt in einer Galerie zu arbeiten, sie ist es zu Beginn, die für Wohnung und Brot sorgt. Lotto und Mathilde leben einfach, aber ihre Partys sind schon klasse.

Die Autorin beschreibt Lottos und Mathildes Leben, wobei sie sich zunächst mehr auf Lotto konzentriert und im zweiten Teil Mathilde zu Wort kommen lässt. Nach außen hin scheinen Lotto und Mathilde dabei ein ideales Paar zu sein. Wenn auch kleine Brüche auftauchen. Denn mit seiner Familie, Mutter, Tante und Schwester hat Lotto wenig Kontakt. Erst als seine kleine Schwester Rachel bei ihm auftaucht, kommt es zu einem häufigeren Austausch. Mathilde dagegen, hält sich mit ihrer Herkunft etwas bedeckt. Sie scheint wie aus dem Nichts gekommen zu sein. 


Wenn man die „Monster von Tempelton“ kennt und in guter Erinnerung hat, hegt man durchaus einige Erwartungen an den neuen Roman der Autorin. Und wo das erstgenannte Buch doch eine positive Überraschung brachte, besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass man mit „Fates und Furies“ eine Enttäuschung erlebt. Von der Kritik hochgelobt, wird Spannung geweckt, wie unterschiedlich eine Ehe von den Partnern gesehen wird. Man hofft auf eine grundsätzlich ähnliche Geschichte, die in einigen Momenten auseinander geht. Man wünscht sie Witz, geschickte Kniffe, coole Beschreibungen unterschiedlicher Deutungen oder Sichtweisen, gespickt mit einer geheimen Geschichte, die es zu entdecken gilt. Was man bekommt, ist eine eher bittere Geschichte, in der wenig so ist wie es scheint. Man fragt sich, ob da überhaupt etwas echt ist. Zwar spürt man das Können der Autorin im Umgang mit der Sprache, nur nimmt einen die Geschichte nicht gefangen und man müht sich, den Schlusspunkt zu erreichen.

2,5 Sterne (🐳🐳+)

Fates and Furies von Lauren Groff
ISBN: 978-0-099-59253-2