Sonntag, 29. Juli 2018

Die Buchhändlerin


Das Leben geht manchmal seltsame Wege. Schon vor einiger Zeit ist eine gute Freundin der Buchhändlerin Jen verschwunden. Jens Leben verläuft eigentlich in ruhigen Bahnen, müsste sie sich nicht immer wieder über ihren Freund Ed aufregen. Nachdem er sich mal wieder ganz besonders blöd verhalten hat, schafft sie es, sich von ihm zu trennen. Leider vergisst sie, ihm den Schlüssel zu ihrer Wohnung abzufordern. Als Jen also eines Abends spät nach hause kommt, hört sie Geräusche in ihrer Wohnung. Entsetzt glaubt sie an einen Einbrecher und mit einem Küchenmesser bewaffnet will sie diesen davon jagen. Unglücklicherweise stolpert der vermeintliche Einbrecher aus dem Wandschrank direkt in die Klinge. Und unglücklicherweise ist es Ed.

Ed ist tot. Vage kommt Jen die Idee, sie könnte die Sache ehrlich bei der Polizei melden. Je länger sie allerdings nachdenkt, desto unwahrscheinlicher erscheint es ihr, dass man ihr glauben wird. Schließlich war Ed kein Kind von Traurigkeit. Sein Verhalten und das, was er in ihrem Wandschrank versteckt hatte, könnten schon für ein Motiv gehalten werden. Jen wendet sich daher nicht an die Polizei, sondern an Eds Mitbewohner Dave, mit dem sie berät, was zu tun ist. Und nun tritt sie aus der beschaulichen Buchhändlerwelt heraus, in der man Kriminalromane eigentlich nur liest. Auf sie wartet ein skurriles Abenteuer in der Welt der Schuldeneintreiber und anderer Verbrecher, in der sie sich bald besser zurecht findet als sie selbst von sich erwartet hätte.

Welch ein toller Ansatz für einen schrägen schwarzhumorigen Roman. Allerdings werden die Erwartungen, die der so aus der normalen Welt gefallene Beginn weckt, nicht ganz erfüllt. Auf ihrem Pfad durch die Unterwelt, überschreitet Jen eine gewisse Grenze und wie im Buch mehrfach erwähnt pflastern Leichen ihren Weg. Das wirkt dann doch manchmal wie etwas zu viel des Guten oder besser des Bösen. Insgesamt liest sich der Roman schnell und er ist so spannend aufgebaut, dass man wissen will wie es weitergeht. Allerdings wären mehr skurrile Situationen, in denen es ein knappes Entkommen gegeben hätte, vielleicht witziger gewesen und ein paar Leichen weniger wären mehr gewesen. Doch schließlich schafft es Jen, die Sympathien zurück zu gewinnen. Man wünscht ihr, dass sie ihren Ausflug in die Unterwelt hinter sich lassen kann, und sich fröhlich einem neuen Buchhändlerdasein widmet. 


3,5 Sterne (🐳🐳🐳+)

Ed ist tot von Russell D McLean
ISBN: 978-3-946503-47-7


Samstag, 28. Juli 2018

Der Prozess


Dr. Tom Cage hat sich in einem Nachbarbezirk gestellt, dort wartet er nun auf seinen Prozess. Immer noch ist der Verdacht nicht ausgeräumt, er könne seine ehemalige Geliebte Viola Turner ermordet haben. Sein Sohn Penn, der Bürgermeister von Natchez, versucht die Wahrheit ans Licht zu bringen. Was ist in der Nacht geschehen als Viola starb? Hat sein Vater bei der schwer kranken Frau Sterbehilfe geleistet oder sind nicht doch Mitglieder der Doppeladler, eine Organisation rassistisch eingestellter Weißer, für den Tod Violas verantwortlich? Diese haben ihr schließlich vor Jahrzehnten das Versprechen abgepresst, nie wieder nach Natchez zurückzukehren. Die Doppeladler mit ihren Beziehungen in die Behörden versuchen etliches, um Penn Cages Nachforschungen zu stören. 

Mit diesem Band legt Greg Iles das Finale seiner Natchez Trilogie vor. Die Schlinge um Tom Cages Hals scheint sich immer weiter zuzuziehen. Und sein Sohn scheint nicht viel dagegen tun zu können. Sein Vater und dessen Anwalt kochen ihr eigenes Süppchen. Penn allerdings geht kleinsten Hinweisen nach, um die Unschuld seines Vaters zu beweisen und die Doppeladler endlich zu zerschlagen. Dabei sieht er sich und seine Familie großen Gefahren ausgesetzt, vor denen mitunter noch nicht einmal die Personenschützer ihn bewahren können. 

Wie bedauerlicherweise immer wieder festzustellen ist, tuen sich Nationen schwer damit den herrschenden Rassismus zu überwinden. Hier geht es um die Ressentiments zwischen Weiß und Schwarz, die auch heute noch nicht vollständig überwunden sind. Natchez, die etwas heruntergekommene Südstaatenschönheit am Mississippi, bildet den idyllischen Hintergrund für eine Geschichte, die nur schwer zu ertragen ist. Was mussten Menschen erleiden nur ihrer Hautfarbe wegen und wie konnten sie andere berechtigt fühlen, diesen Leid zuzufügen, nur der Hautfarbe wegen. Deutlich macht der Autor klar, was der von dem verfehlten Rassismusgedanken hält und doch ist es nur ein kleiner Aufschrei, von dem man hofft, dass er wenigstens etwas bewirkt. Doch wahrscheinlich ist niemand frei davon, dem anderen skeptisch gegenüber zu stehen. Es gilt dagegen anzukämpfen und so vielleicht einen unbekannten Bruder oder eine Schwester zu finden und in diesen eine Bereicherung zu sehen.

Mit diesem spannenden und ehrlichen Roman führt der Autor seine Trilogie zu einem glaubwürdigen Abschluss.


4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Die Sünden von Natchez von Greg Iles
ISBN: 978-3-352-00907-5


Donnerstag, 26. Juli 2018

Die Madonna


Museumsdirektor mag er sich nicht nennen, schließlich betreut er die kleine Kunstsammlung des Ortes Schattenbach alleine. Mit der Belebung des Museums, bei dessen Schmuckstück es sich eine Madonnenfigur handelt, kommt der Archäologe Mario Carozzi nicht so recht voran. Da ist es im beschaulichen Schattenbach fast schon eine Sensation als die Figur verschwindet. So wertvoll ist die Madonna doch auch wieder nicht. Aber wieso war sie nicht in der Kirche untergebracht. Eine Anzeige bei Bürgermeister und Dorfpolizisten bringt nicht viel, außer dass Carozzi selbst unter Verdacht gerät und nun selbst beginnen muss, nach der Heiligenfigur zu fahnden.

Gerade erst frisch angestellt wird aus dem Archäologen eine Art Privatermittler. Der Dorfsheriff macht sich seine Welt so wie sie ihm gefällt, was mit ordentlicher Polizeiarbeit nichts zu tun hat. Als Täter kommen nur der Zugereiste oder die neue Putzfrau in Betracht. Die Lage verschlimmert sich als eine Leiche gefunden wird. Nun wird es wirklich Zeit, den dörflichen Sumpf und Stumpfsinn zu durchdringen. Vielleicht wird die Madonna schon am internationalen Kunstmarkt angeboten. Wo kann es weitere Informationen über eine Heiligenfigur geben, wenn nicht in der Kirche des Ortes. Dort entdeckt Carozzi zwar weitere Figuren, aber keine Spuren.

Man merkt, dass der Autor auch Kochbücher geschrieben hat, denn sein Ermittler schwelgt des öfteren in kulinarischen Genüssen. Interessant, wenn die Mahlzeiten je nach Gemütszustand schärfer werden. Auch seine Unbefangenheit um Umgang mit den Bewohnern des Asylantenheims nimmt einen für Carozzi ein. Auch wenn es vielen am liebsten wäre, den Täter dort zu sehen, Carozzi bohrt weiter nach. Was er bei seinen Forschungen findet, bietet ein Abbild des dörflichen Lebens, das an der Oberfläche idyllisch scheint und bei dem, schaut man näher hin, zutage tritt, dass auch auf dem Dorf unter einem Deckmäntelchen so manches Unheil verborgen ist. 

Dieser eher ruhige Krimi bietet stimmige Unterhaltung von einem, der sein Handwerk versteht.

3,5 Sterne (🐳🐳🐳+)

Schattenbach von Christoph Wagner
ISBN: 978-3-7099-7456-8

Mittwoch, 25. Juli 2018

Spielzeug


Juliette, deren Freund sich von ihr getrennt hat, kommt darüber nicht hinweg. Nate ist Pilot und um ihm wieder näher zu kommen, macht Juliette sogar eine Ausbildung zur Flugbegleiterin. Bei ihrer neuen Tätigkeit hat sie mehr Erfolg als erwartet. Doch das interessiert Juliette nicht, sie will Nate zurückgewinnen. Sie sind wie füreinander geschaffen, nur will Nate weder etwas davon wissen noch will er dabei mitmachen. Mit äußerst findigen Mitteln macht sich Juliette daran, Nate zurückzugewinnen. Sie hat den neuen Job, sie hat neue Freunde, sie hat eine neue Frisur und bald wird es soweit sein, dass sie Nate wieder gegenübertritt.

Juliette hatte keine leichte Kindheit und Jugend, vielleicht hätte es ihr gutgetan, damals Hilfe und Behandlung zu bekommen. Doch Juliette musste alles alleine überstehen und sie ist damit nicht zu einer reifen Persönlichkeit geworden, sondern sie ist irgendwie ein Kind geblieben, für das es nur Schwarz oder Weiß gibt. Und so schwankt sie zwischen extremer Zuneigung oder Abneigung. Wie kann sie also eine erwachsene Beziehung aufbauen, die auf Liebe und gegenseitigem Einvernehmen gründet? 

Genau das ist die Frage, kann Juliette eine erwachsene Beziehung führen oder wird sie immer in ihrer Fixierung verharren. Ausgefuchst ist jedenfalls ihr Plan, wieder in Nates Leben zu treten. Mit Witz, Hartnäckigkeit, Phantasie und Ausdauer gelingt ihr dies besser als erhofft. Doch ist Nate wirklich an einem Wiederaufleben der Beziehung interessiert? Und was, wenn nicht? Wird Juliette ihn loslassen können?

Eher selten werden Bücher aus der Sicht des Antagonisten geschrieben und manchmal sind sie auch schwer verdaulich. Sicher ist es hilfreich, wenn man solche Romane grundsätzlich ansprechend findet. Doch auch wenn man eher von der Seite der Helden oder Ermittler aus in die Welt blickt, bietet die perfekte Freundin einiges. Man kann sie nicht wirklich mögen, doch einiges an ihr ist so herzzerreißend, dass man fast schon wünscht, ihr Plan möge gelingen. Verzweifelt wünscht sie sich ein erfülltes Leben, doch irgendwie versteht sie nicht, dass man es nicht erzwingen kann. In ihren Aktionen und Reaktionen erscheint sie sehr wechselhaft und fällt von einem Extrem ins andere, doch manche ihrer Winkelzüge sind fast schon genial. Das Happyend würde man ihr gönnen und sieht doch das Damoklesschwert ihrer eigenen Persönlichkeit, dass über allen ihren Handlungen hängt und möglicherweise irgendwann in die Katastrophe führen wird.

Eine spannende Lektüre mit einer schrägen Hauptperson, deren Kampf um eine schöne neue Welt  wie ein solcher gegen Windmühlen wirkt.

3,5 Sterne

Perfect Girlfriend von Karen Hamilton
ISBN: 978-3-641-21167-7


Dienstag, 24. Juli 2018

Brücke


Zusammen mit ihrem Geschäftspartner Babak erbringt Britta erfolgreich ganz besondere Dienstleistungen. In einer Art Praxis führen sie einen 12-Stufen-Plan mit Menschen durch, die selbstmordgefährdet sind. Da Britta und Babak mit ihrer Tätigkeit sehr erfolgreich sind, hat Brittas Mann die Möglichkeit sein Start-up zu lancieren. Gemeinsam mit ihrer Tochter leben sie in ihrem Familienidyll in Braunschweig. Der Politik haben sie schon längst abgeschworen. Ganz anders ist da der Lebensplan von Brittas Freundin Janine und ihrer Familie. Ihr größter Wunsch ist ein Haus auf dem Land, wo sie sich wenigstens teilweise selbst versorgen können.

In einer nahen Zukunft angesiedelt ist der aktuelle Roman von Juli Zeh. Eine Zukunft, die erschreckend realistisch wirkt, in der die Menschen lieber eine Waschmaschine haben wollen als wählen zu gehen. Eigentlich eine blöde Umfrage, aber mit was für einem katastrophalen Ergebnis. Man hat die Freiheit zu wählen, wer einen regieren soll, und man nutzt sie nicht. Kein Wunder, dass das Land in dieser Zukunft von recht seltsamen Gestalten regiert wird. Es scheint als wolle das Volk einen sicheren Rahmen und ansonsten von der Politik nicht behelligt werden. Die Auswüchse in politischen Zielen, zu denen das führt, sind der Menge egal. Noch nicht einmal ein kleiner Anschlag vermag die Leute aufzurütteln. Britta und Babak sind allerdings alarmiert.

Eine schauderhafte Zukunftsversion, die hier vorgestellt wird, ausgehend von den heutigen Tagen, könnte man den Eindruck gewinnen, wir stünden tatsächlich vor einem Wechsel in die Richtung, die eigentlich nur der Phantasie der Autorin entspringen sollte. Allerdings hat sich diese anscheinend eingehend mit der Lage beschäftigt und sich tiefgreifende Gedanken gemacht, wohin das führen könnte. Die schweigende Mehrheit hat geschwiegen und die anderen sind wählen gegangen. Vielleicht aber haben auch die arrivierten Politiker sich unwählbar gemacht, sich zu weit von den wirklichen Problemen des Volkes entfernt. Kann dann eine Britta, mit ihrem Hintergrund, etwas zur Änderung beitragen? Und wäre es eine Änderung zum Besseren? Wird sie alles glauben, was ihr dargelegt wird? Welche Entscheidung wird sie treffen. Was man von diesem Roman mitnehmen kann, muss jeder für sich entscheiden. Doch sollte es sich jeder normal denkende Mensch zur Aufgabe machen, sich über das Mindeste in der Welt zu informieren und sich zu überlegen, ob er die freie Wahl wirklich aufs Spiel setzen möchte. 

4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Leere Herzen von Juli Zeh
ISBN: 978-3-630-87523-1


Sonntag, 22. Juli 2018

Das Portrait


Was bliebt ist ein Portrait, dass Finn von seiner Patentochter June und ihrer Schwester Greta gemalt hat. Finn ist tot. Er hat eine große Lücke in die Familie gerissen, obwohl nicht alles über ihn gesagt werden durfte. Die Mutter der Kinder, deren Bruder er war, hatte strenge Regeln aufgestellt, wenn es um den Umgang innerhalb der Familie ging. June, ist gerade erst 14 geworden, sie ist schier untröstlich. Finn war nicht nur der beste Patenonkel, er war auch ihr bester Freund. Die zwei Jahre ältere Greta, die immer toll ist und alles schafft, kann seine Stelle nicht einnehmen. Da erhält June eine Nachricht, von dem, über den nicht gesprochen werden durfte.

Äußerlich scheint June eher unscheinbar, doch sie hat ein großes Herz. Natürlich ist auch sie nicht frei von Neid und Missgunst, auch Eifersucht kennt sie gut. Die alles überstrahlende Greta hat nur wenig Zugang zu ihrem Leben. Doch auch June will mal die sein, die zuerst kommt. Vielleicht ist ihre Beziehung zu Finn deshalb so besonders. Ihr besonderer Onkel ist eben ihr Patenonkel und nicht der beider Schwestern. Manchmal denkt June mit Wehmut an die Zeit zurück als sie und Greta noch die besten Schwestern und engsten Freundinnen waren, sie eine Einheit bildeten. 

In der Zeit angesiedelt als AIDS den Erkrankten nicht viel Zeit zum Überleben ließ bietet dieser Entwicklungsroman nicht nur eine Erinnerung an die grausamen Auswirkungen der Krankheit, er reißt einen auch hinein in eine Familie, die trauert, weil sie vor der Zeit einen lieben Menschen verloren hat. Ein Mensch, der fehlbar schien wie jeder eigentlich, den man ungern gehen ließ und doch gehen lassen musste. Mit der Trauer geht jeder anders um. Doch irgendwie hat jeder einen sehr lieben Freund, Bruder oder Onkel verloren. Niemand kann Finn ersetzen, doch vielleicht kann jemand in der Trauer helfen, der selbst den größten Verlust erlitten hat. June erfährt vieles von Finn, das sie vor seinem Tod nicht erfahren hat. Finn-Geschichten, die ihr helfen mit der Leere klarzukommen. Und es bleibt das Portrait, das erstaunliche Veränderungen durchmacht, je nachdem aus welchem Blickwinkel man es betrachtet. 

Ein berührendes Werk über Verlust und Trauer, aber auch Hoffnung, denn in jedem Ende wohnt auch ein Anfang inne.

4,5 Sterne (🐳🐳🐳🐳+)

Sag den Wölfen, ich bin zu Hause von Carol Rifka Brunt
ISBN: 978-3-96161-007-5



Donnerstag, 19. Juli 2018

Weiter Blick


Bereits als er noch ein Kind war nahm sein Vater ihn mit in die Berge. Er konnte nie schnell genug nach oben kommen. Pietro meint, jeder habe seine eigene Höhe. Sein Vater wollte immer ganz nach oben, während seine Mutter sich eher auf den Almwiesen wohl fühlte. Die ersten Urlaube aus Mailand heraus führten die Familie in einen halb verlassenes Bergdorf. Dort lernt Pietro den nur ein paar Monate älteren Bruno kennen. Der Bergbauernbub zeigt Pietro eine andere Welt. Und gemeinsam mit dem Vater besteigen sie so manchen Berg. Doch die Zeit macht vor den Kindern nicht halt und ihre Wege entwickeln sich in unterschiedliche Richtungen.

Will der Vater durch die gemeinsamen Wanderungen mit seinem Sohn die Wanderungen ersetzen, die er mit dem früh verstorbenen Bruder seiner Frau unternommen hat? Ist er deshalb so rastlos? Pietro bleibt den Bergen immer verbunden, wenn auch auf andere Art und Weise. Zur Enttäuschung des Vaters bricht er sein Studium ab und wird Dokumentarfilmer. Sein Weg führt ihn dabei in die Bergwelten Nepals. Müsste sein Vater nicht so etwas wie Stolz empfinden. Sein Jugendfreund Bruno bleibt sehr heimatverbunden, neben seiner Arbeit als Maurer wird es sein Traum einen Bauernhof zu führen. 

Kann der weite Blick von einem Bergwipfel verbinden oder auch entzweien? Es scheint als wolle der Autor dieser oder einer ähnlichen Frage nachgehen. Soll Pietro einen verwaisten Platz einnehmen? Will der dem Vater entfliehen, indem er sich verweigert? Und kommt er doch nicht von den Bergen los? Und welcher Platz kommt Bruno zu, der doch so erdverbunden scheint. Ist er vielleicht der wahre Träumer? Manchmal ist eher der Weg das Ziel. Und so bleiben etliche Schwingungen zwischen den handelnden Personen der Interpretation des Lesers vorbehalten. Diese offene Schreibweise regt die Phantasie an und gibt dem Roman einen gewissen Nachhall. Die einfühlsamen Beschreibungen des kargen Lebens in den Bergen geben dem Buch jedoch seinen eigentlichen Gehalt.

4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Acht Berge von Paolo Cognetti
ISBN: 978-3-421-04778-6


Mittwoch, 18. Juli 2018

Rückkehr der Magie


Nachdem die Magie mit blutiger Gewalt aus der Welt verbannt wurde, bleibt den Nachkommen der Magier nur noch ein Dasein in der einfachsten Schicht. Nicht mehr die Magie hilft ihnen, mit Händen und Füßen müssen sie sich mitunter verteidigen. Um die Steuern bezahlen zu können, reist Zélie mit ihrem Bruder in die Stadt. Dort retten sie ein Mädchen aus großer Gefahr, um wenig später mit Entsetzen festzustellen, dass es sich um Prinzessin Amari handelt. Diese ist mit den grausamen Taten ihres Vaters nicht mehr einverstanden, seit dieser ihre Zofe, die gleichzeitig ihre Freundin war, umgebracht hat. Außerdem geht das Gerücht, die Magie könnte sich wieder den Weg in die Welt bahnen.

Mit ihren treuen und neuen Gefährten macht sich Zélie auf die Suche nach der Magie, nach der guten Sache. Angeblich hat die Magie die erste Familie des Königs getötet, so dass dieser einen Grund sah, brutal Rache zu nehmen. Doch war das wirklich der Fall? Würde es vielleicht einen anderen Weg geben? Zélie ist in einer Zwickmühle. Soll sie die Magie mit aller Macht herbeisehnen, um dann von ihr vereinnahmt zu werden und selbst Grausamkeiten auszuüben? Oder wäre eine friedlichere Lösung möglich? Es erscheint ihr so, dass zur Beseitigung der Übermacht der Adligen zunächst der Weg des Kampfes zu wählen ist. 

Die junge Autorin hat es spannendes Werk geschaffen, in dem jedoch mit Grausamkeiten und Brutalitäten nicht gegeizt wird. Da es sich um den ersten Band einer geplanten Trilogie handelt, können nicht alle Rätsel gelöst werden. Ob und wie sich die Geschichte abrundet, wird man wahrscheinlich erst am Schluss beurteilen können. Doch der Kampf der Unterdrücken gegen ihre Peiniger ist beeindruckend dargestellt. Auch dass Kämpfe immer mit Verlusten einhergehen wird ausdrücklich klargemacht. Freund und Feind sind wie im wirklichen Leben nicht immer genau zu unterscheiden, wodurch Entscheidungen beeinflusst werden, mit deren Folgen es zu leben gilt. 

Tomi Adeyemi hat viele Ansätze in ihrem Buch verarbeitet, wobei fraglich ist, ob der normale Leser genug Hintergrundwissen besitzen wird, um alles deuten zu können. Allerdings ist positiv hervorzuheben, dass der Held eine Heldin ist, die stolz auf ihre schwarze Hautfarbe ist und auch sein kann. Schon allein dadurch sticht dieser Roman hervor, man würde sich mehr davon wünschen.

4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Children of Blood and Bone - Goldener Zorn von Tomi Adeyemi
ISBN: 978-3-10-498047-8


Dienstag, 17. Juli 2018

Schweben


Kommissar Nils Trojan hat sich auf den Urlaub gefreut. Doch seine Freundin Jana, oder ist sie schon seine Ex-Freundin, hat sich eine Auszeit genommen. Allem Anschein nach hat sie jemanden kennengelernt. Als die Nachricht von einem ungeklärten Todesfall hereinkommt, ist Nils sofort voll konzentriert. Eine weibliche Person wurde übel zugerichtet und ihr 11jähriger Sohn musste dem Täter begegnen. Fast kann man sagen glücklicherweise hat dieser den Jungen betäubt. Befragungen des Kindes ergeben nicht sehr viel, die Betäubung mit Rohypnol hat die Erinnerung nahezu gelöscht. Trojan und seine Kollegen ermitteln fieberhaft, schon bald gibt es eine zweite Leiche.

Es ist bereits der siebte Fall, den Nils Trojan lösen möchte. Einfach hat er sich diesmal nicht. Die unsichere Situation mit Jana, die vielleicht bald nicht mehr unsicher ist. Wird ihm diese Art von Sicherheit gefallen? Emily, Trojans Tochter, begibt sich ans Abitur, sie ist fast erwachsen. Und mit seinem Vater hat Nils Trojan auch noch einiges zu klären. In der Mitte seines Lebens scheint etliches im Umbruch zu sein. Damit muss man erstmal fertig werden. Hinzu kommt ein belastender Fall, bei dem es um einen Wettlauf mit der Zeit und auch mit dem Täter geht. Nicht nur eine Frau kommt zu Tode. Und so ist es das erklärte Ziel der Beamten, weitere Mordfälle zu verhindern. 

Natürlich kann sich ein Autor, der einen authentischen und sympathischen Ermittler geschaffen hat, der die Aufklärungsrate hoch hält, nur hohe Ziele setzen. Schließlich gilt es den Lesern weitere packende Fälle zu liefern, die die Romane inhalieren und kaum ist die letzte Seite umgeschlagen schon nach dem nächsten Abenteuer gieren. Um zu neuen und frischen Ideen zu kommen, bedarf es sicher hin und wieder einer Auszeit. Möglicherweise wird sich der Autor diese genehmigen. Zuvor ist ihm jedoch eine sehr spannende Verfolgungsjagd gelungen, während derer der Täter immer einen Schritt  voraus zu sein scheint. Bei der Gefahr, in der einige Opfer dadurch schweben könnten, kann man gut nachvollziehen, mit welcher Energie sich Trojan in die Untersuchung stürzt. Zwar werden einige Ansätze etwas links liegen gelassen, doch vielleicht dient das nur dazu, die Spannung bis aufs Äußerste zu steigern. 

Und tatsächlich ist es so, kaum hat man die letzte Seite umgeblättert, möchte man schon wissen, was der Autor für seinen Helden noch in Petto hat.

4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Der Schmetterlingsjunge von Max Bentow
ISBN: 978-3-442-20542-4


Sonntag, 15. Juli 2018

Einsteins erste Frau


Als junge Studentin ist Mileva Kommilitonin von Albert Einstein. An Intelligenz steht sie ihm in nichts nach, schließlich ist sie eine der ersten Frauen, die in Zürich Physik und Mathematik studieren darf. Albert ist zunächst der Einzige im Seminar, der sich mit ihr abgibt. Die Umstände während des Studiums sind für Mileva nicht ganz einfach. In ihrem Wohnheim leben noch drei weitere Studentinnen, mit denen Mileva, die eigentlich eher zurückhaltend ist, guten Kontakt. Zum ersten Mal hat sie so etwas wie einen Freundeskreis und in dessen Gesellschaft blüht sie förmlich auf. Kein Wunder, dass der charismatische Albert ihr immer mehr Aufmerksamkeit schenkt.

Die Zeit der Jugend, des Studium, eine erste Liebe - es ist wohl für beinahe jeden Menschen die schönste Zeit. Und So geht es wahrscheinlich auch Mileva. Ihre sympathischen Freundinnen, die sie ermutigen, ihre Nase auch mal aus den Büchern zu heben. Gemeinsames Musizieren, Spaziergänge, Besuche in den Cafés der Studenten. Ganz anders als gedacht für Mileva, die erwartete, nur zu lernen, um den heißbegehrten Abschluss zu erhalten. Immer mehr jedoch flaniert Albert Einstein in ihr Leben. Mit großer Geduld und Zielstrebigkeit umwirbt er sie. Doch kann im Jahr 1896 eine junge Frau als Wissenschaftlerin bestehen?

Mit empfindsamen Worten schildert die Autorin Mari Benedict wie sie Milevas Leben interpretieren würde. Die wenigen bekannten Fakten kleidet sie in eine interessante und fesselnde Fiktion, der eine immense Tragik innewohnt. An Einstein gekettet, kann Mileva sich nicht selbst entwickeln. Was wäre aus ihr geworden, hätte sie alle ihre Möglichkeiten ausschöpfen können. Zwar ist sie mit Einstein eine Weile glücklich, doch schon bald merkt sie, dass sie sich nicht auf ihn verlassen kann. Und so scheint der Beziehung keine allzu lange Beständigkeit gegeben zu sein. Und doch ist Mileva eine starke Frau, die ihr Schicksal schließlich in die eigene Hand nimmt. Von der Tragik des Lebens lässt sie sich schließlich nicht entmutigen, auch wenn es immer wieder schwere Zeiten gibt. Ob Einstein wirklich einen schlechten Charakter hatte, kann nicht beurteilt werden, einige Tatsachen könnten jedoch dafür sprechen.

Dieser Roman ist einer, der seine Leser mit packender Unterhaltung versorgt, und gleichzeitig dazu anregt, selbst noch etwas weiter zu forschen, wie es denn wirklich zugegangen sein könnte.


4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Frau Einstein von Marie Benedict
ISBN: 978-3-462-04981-7


Samstag, 14. Juli 2018

Gut, dass es sie gibt


Bald soll es in den Urlaub gehen, die Pläne stehen schon, Kommissar Sebastian Fink muss nur noch seine neue Freundin schnappen und auf geht es nach Italien. Doch wie so oft kommt es anders. Eine Mordserie erschüttert Hamburg. Zunächst trifft es den Ex-Mann von Monika Packer, dann einen Sohn aus gutem Haus und als vorerst letztes Opfer wird eine angesehene Zahnärztin ermordet. Die Opfer haben nichts gemeinsam, wären sie nicht mit der gleichen Waffe getötet worden, würde man vielleicht nicht einmal von einer Reihe sprechen können. So allerdings, wer sollte einen Grund gehabt haben, drei so unterschiedliche Menschen zu töten. 

Unaufgeregt und gradlinig beginnt Sebastian Fink mit seinen Nachforschungen. Es muss doch einen Zusammenhang geben. Auch wenn sich der Fall schwierig gestaltet, wenigstens passt es zwischen Sebastian und Marissa, die als DJane so manche Nacht in Clubs verbringt. Unverdrossen geht Fink gemeinsam mit seinen Kollegen jeder noch so kleinen Spur nach und die Geduld wird belohnt. Endlich scheint sich eine Fährte aufzutun, die zu einer Erklärung führen könnte. 

Das Set von DJane Marissa lädt zum Tanzen ein, wie die wummernden Bässe die Menge in Bewegung bringen und auch die Synapsen im Gehirn Finks feuern lassen, das ist schon lesenswert. Dazu bildet sie grundsolide Ermittlung fast schon einen Gegensatz, wobei grundsolide durchaus nicht negativ gemeint. Genau so einen Kriminalroman braucht man manchmal, in dem kein Actionfeuerwerk abgefackelt wird und der sorgengeplagte Held von einer dramatischen Situation in die nächste schlittert. Mit den präzisen Schilderungen der Polizeiarbeit punktet dieser Roman und mit einem sympathischen Kommissar ebenso. Schön wäre es vielleicht gewesen, wenn der Klappentext anders geschrieben wäre. Die Handlung ist weniger reißerisch, dafür umso authentischer als der Klappentext es vermuten lässt. 

Diese Krimireihe gefällt mit ihrem gewieften Ermittler und dem hamburgischen Flair, was einen zu dem Gedanken verführt, genau so könnte es gewesen sein.

4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Heimliche Herrscher von Friedrich Dönhoff
ISBN: 978-3-257-30037-6


Freitag, 13. Juli 2018

Mal ins Ritz


Sie wollte nur mal ins Ritz und damit fangen die Probleme an. Im Jahr 1938 hat eine verwaiste 21jährige, die ihrem Onkel in seiner Klempnerfirma aushilft, dort nichts zu suchen. Und dann übernimmt Cluny Brown auch noch selbst einen Auftrag, weil ihr Onkel gerade nicht da ist. Unerhört! Cluny muss unbedingt in Stellung gehen, damit sie weiß, wo ihr Platz ist. Doch schon auf der Zugfahrt von London aufs Land freundet sie sich mit Roddy, dem Hund des Colonels an. Und wieder ist sie nicht da, wo sie hingehört. Trotzdem versucht sie ihre Pflichten als Dienstmädchen zu erfüllen. Den Wortgeplänkeln mit Adam Belinsky, dem Gast des Haus, will sie allerdings nicht ausweichen.

Was für Cluny Brown damals ein Abenteuer war, ist heute ziemlich selbstverständlich. Natürlich darf frau mal ins Ritz, natürlich darf frau auch mal in einem Männerberuf arbeiten, natürlich darf frau nicht auf den Mund gefallen sein. Damals jedoch sticht Cluny Brown mit ihrer unkonventionellen Art hervor. Noch nicht ein mal absichtlich eckt sie an, sie denkt sich einfach nichts groß dabei. Diese kleinen Selbstverständlichkeiten, die ihr eigentlich nicht zustehen dürften, nimmt sie sich. Ein unruhiger, wacher Geist, immer in Eile. Cluny rennt, zu Roddy, mit Roddy, durchs Dorf. Sie scheut keinen Kontakt, das Dienstbotengen fehlt ihr total. Nicht etwas, dass die Herrschaft unzufrieden wäre, nur kaum ist Cluny außer Sichtweite und ohne Aufsicht, macht sie, was ihr in den Kopf kommt. 

Cluny Brown hat die Spontanität der Jugend, sie ist unverstellt und geradeaus. Schon mit ihr großen Gestalt und ihrer schlanken Silhouette fällt sie auf. Da muss das Schicksal doch mehr für sie in petto haben als eine Stellung auf dem Land. Wie ein frischer Wind weht Cluny Brown durch die ehrwürdigen Hallen ihrer Dienstherrschaft. Kein Wunder, wenn sie irgendwann entfleucht. 

Bereits in den 1940ern im Original erschienen und nun neu veröffentlicht vermag dieser Roman immer noch bestens zu unterhalten. Vielleicht versteht man manche Spitze wegen der fortgeschrittenen Zeit und der inzwischen eingetreten Veränderungen nicht mehr auf Anhieb. Aber immer noch begeistert Clunys frischer ehrlicher Charakter. Cluny Brown ist eine, die überall hinkommen kann. Im Jahr 1946 hat sie es sogar in eine Verfilmung des bekannten Regisseurs Ernst Lubitsch geschafft.

4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Die Abenteuer der Cluny Brown von Margery Sharp
ISBN: 978-3-96161-506-3


Donnerstag, 12. Juli 2018

Der große Auftritt


Als Musiklehrerin ist Annika in ihrem Metier, zumindest seit sie eingesehen hat, dass es zur Konzertpianistin wohl nicht reichen wird. Sie hat das Glück an einer schicken Hamburger Schule unterrichten zu dürfen und in ihrem Freundeskreis fühlt sie sich geborgen. Ausgerechnet Annika muss dann an eine Problemschule wechseln. Das ist ja nun überhaupt nicht ihr Ding und sie zerbricht sich erstmal den Kopf, wie es zu schaffen wäre, möglichst schnell wieder dort weg zu kommen. Vor dem Wegkommen steht aber erstmal das Ankommen und Annika stellt fest, wenn ihre Schüler doch recht schwierig sind, so haben sie doch auch meist etwas liebenswertes.

Nach einer Weile bekommt Annika die Frage beantwortet, weshalb gerade sie versetzt wurde. Etwas, das ihr vielleicht zu denken geben sollte. Davon abgesehen lässt sie sich nach und nach auf ihre neue Schule ein und auch wenn der Gedanke an die Rückkehr an ihre ursprüngliche Schule bleibt, so versucht sie immerhin, ihren Schülern etwas beizubringen und gleichzeitig Verständnis für sie zu entwickeln. Wie gut, dass ihr Nachbar Sebastian ebenfalls an dieser Schule war. Und als Annika nach einer Weile auf die Idee kommt eine Musical-AG zu gründen, findet sie Hilfe bei Tristan ihrer ehemaligen großen Liebe.

Bei diesem Buch handelt es sich um einen Wohlfühlroman, der auch einige ernste Momente aufweist. Zwar kommt einem Annika zunächst etwas oberflächlich und nicht so engagiert vor, doch nach einer Weile gewinnt ihre Gestalt mehr an Tiefe, da sie auch zu einer gewissen Selbsterkenntnis gelangt. Bei einigen Handlungssträngen ahnt man zwar schon recht bald, in welche Richtung sich die Story entwickeln wird, doch ist die Entwicklung sehr angenehm beschrieben, so dass keine Langeweile aufkommt. Ein echtes Highlight sind jedoch Annikas neue Schüler, die trotz ihres nicht einfachen Hintergrundes, in ihrer Musical-AG zu wahrer Höchstform auflaufen. Gekonnt in Szene gesetzt werden ihre Auftritte von Nana Spier, der so scheint es das Einlesen dieses Hörbuches wirklich Freude bereitet hat. 

Auch wenn bei diesem Roman keine Loopings geflogen werden, hat wird man beim Hören gut unterhalten und steht weiteren Veröffentlichungen der Autorin offen gegenüber.

3,5 Sterne (🐳🐳🐳+)

Wenn's einfach wär, würd's jeder machen von Petra Hülsmann
ISBN: 978-3-7857-5661-4


Sonntag, 8. Juli 2018

Fiona Perfekt


Ihre Intuition braucht Fiona Griffiths noch nicht als sie mit einem Streifenkollegen zu einer Wohnungsauflösung gerufen wird. Angeblich soll dort illegaler Müll entsorgt worden sein. Die Situation ändert sich jedoch schon bald. In einer Kühltruhe findet Fiona das Bein einer Frau, wobei der Fuß noch in einem Schuh steckt. Schnell stellt sich heraus, dass vor einigen Jahren eine junge Frau als Vermisst gemeldet wurde, auf die die DNA des Leichenteils passt. Eine fieberhafte Suche nach weiteren Leichenteilen beginnt. Bald darauf werden weitere Teile gefunden, diese allerdings stammen von eine männlichen Toten. Und nun ist Fionas Gabe wirklich gefragt.

In diesem zweiten Teil der Reihe um die Polizistin Fiona Griffiths geht es hoch her. Fiona, die eigentlich nur normal, am liebsten perfekt normal sein möchte, fängt an zu graben. In ihrer eigenen Vergangenheit, aber natürlich in erster Linie in der der Opfer. Können die beiden etwas miteinander zu tun gehabt haben. Der angesehene Forschungsmitarbeiter mit Migrationshintergrund und die kleine Poledancerin. Das scheint ausgeschlossen, aber wenn Fiona dieses Kribbeln spürt, wird sie nicht lockerlassen. Bei ihren Vorgesetzten eckt sie des Öfteren an, auch wenn diese widerwillig eingestehen müssen, dass Fionas Ansätze Beachtung verdienen und nicht selten zu Ergebnissen führen. 

Die schwere Krankheit, die Fiona in ihrer Jugend überstanden hat, wirkt immer noch nach. Als Polizistin hat sie damit ungewöhnliche Fähigkeiten, ihr Privatleben macht sie schwer. Beinahe verzweifelt erscheint Fionas Bemühen, eine perfekte Darstellung einer Tochter, Freundin oder Kollegin zu bieten. Bei ihren Ermittlungen jedoch erweckt sie den Eindruck, als könne sie jede Situation erspüren, Zusammenhänge wie ein Seismograph empfangen. Doch auch Fionas Tätigkeit besteht zu großen Teilen aus kleinteiligen Puzzeln, die zusammengesetzt werden müssen. Man kann es direkt vor sich sehen, wie die Chefin den Mund verzieht, wenn Fiona sich mal wieder am Rande des Erlaubten bewegt hat und dies die Untersuchung auch noch weiterbringt. Fionas Humor ist manchmal schon sehr trocken, ihre Handlungen schwer zu verstehen und doch muss man sie sympathisch finden in ihrem Versuch so zu sein, wie sie denkt, dass andere es von ihr erwarten.

Eine Reihe, die in der richtigen Reihenfolge gelesen werden sollte, um Fionas Charakter richtig einschätzen und den losen Rahmenhandlungen folgen zu können. Ist einem das egal, kann man den behandelten Fall auch so verstehen, allerdings verpasst man dann etwas. Dieser Kriminalroman fesselt mit seiner ungewöhnlichen Ermittlerin, die die ganze Aufmerksamkeit einfordert und jede Sekunde mit Überraschungen aufwarten kann.


4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Fiona - Das Leben und das Sterben von Harry Bingham
ISBN: 978-3-499-29137-1


Samstag, 7. Juli 2018

Glücksbuch


Jeden Tag fährt Juliette mit der Metro zur ihrer Arbeit in einem Maklerbüro, um der Eintönigkeit zu entgehen, hat sie immer ein Buch dabei. Und sie beobachtet ihre Mitfahrer, am liebsten die mit Büchern. Was lesen die anderen? Wo mögen sie hinwollen? Was sind ihre Geschichten? Manches denkt sich Juliette aus, manches bekommt sie am Rande mit. Doch wirklichen Kontakt wagt sie nicht aufzunehmen. Eines Tages steigt sie einfach mal eine Station früher aus und so trifft sie das Mädchen Zaīde und ihren Vater Soliman, der in seinem Heiligtum zwischen Unmengen von Büchern sitzt. Sein größter Wunsch ist es, die richtigen Bücher zu den richtigen Lesern zu bringen.

Juliettes Leben fließt wie ein ruhiger Fluss, ohne besondere Höhen und Tiefen so scheint es. Ihre Existenz ist gesichert, ihr alltägliches Dasein getaktet. Im Prinzip könnte sie sagen, sie wird auch in drei Monaten noch jeden Tag zur Arbeit gegen, Abends vor dem Fernseher essen und am Samstag ins Kino gehen. Ein nettes Dahingleiten, aber ist nett nicht die kleine Schwester von Sch****? Seit sie in Solimans Welt der Bücher eingetaucht ist, entwickeln sich Juliettes Gedanken. Allerdings bringt die Erkenntnis, dass nett vielleicht nicht alles ist, zunächst mehr Trübsal als alles andere. Denn wenn nett nicht mehr reicht, könnte es wohl erst zu einer gewissen Leere kommen, die mit einem Ziel erfüllt werden sollte, das alles andere als nett und dafür umso erfüllender ist. Doch woher soll man wissen, welche Wünsche man hat, wenn man in seiner Nettigkeit zufrieden war.

Eine etwas melancholische Grundstimmung strahlt dieser Roman aus. Allerdings ein Roman über das Lesen und die Gabe der Bücher, Leben und Lieben zu verändern und zu beeinflussen. Wer ein Faible für Bücher hat, in denen Bücher eine große Rolle spielen, wird an diesem Buch viel Gefallen finden. Auch wenn die Bücher nicht alles und jeden retten können, so verheißen sie doch einen Zufluchtsort vor dem rauen Alltag. Und wenn sie auch nicht alles können, so können sie doch viele Ansätze zu positiven Veränderungen bringen. Letztlich mag man aus Büchern immer Hoffnung schöpfen, von ihnen unterhalten werden, in ihnen lehrreiche und informative Inhalte finden. 

Bei dem vorliegenden Roman verdient das liebevoll und ideenreich gestaltete Cover besondere Erwähnung, auf dem sich bei genauerer oder wiederholter Betrachtung immer neue wunderbare  Details entdecken lassen.


4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Das Mädchen, das in der Metro las von Christine Féret-Fleury
ISBN: 978-3-8321-9666-2




Montag, 2. Juli 2018

Preußisch Blau


Gerade erst ist Detective Frankie Sheehan nach einer schweren Verletzung an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt, da wird die Dozentin Eleanor Costello erhängt aufgefunden. Zunächst deutet alles auf Selbstmord hin, doch Frankie ist misstrauisch. Und bald wird ein Hinweis gefunden, der auf Fremdeinwirkung hindeutet. Nur kurze Zeit später wird eine weitere Leiche aufgefunden. Die Leiche einer jungen Frau sollte bei einem Osterfeuer verbrannt werden. Beinahe froh scheinen die Ermittler zu sein als sich herausstellt, dass der Tot bereits vor dem Feuer eingetreten ist. Schlimm für Frankie ist allerdings, dass sie die Verstorbene flüchtig gekannt hat. Und nun werden Leute in Verdacht geraten, die ebenfalls aus Frankies persönlichen Umfeld kommen können.

Bei den Andeutungen zu der Vorgeschichte, könnte man zu dem Eindruck gelangen, dass es einen Vorband geben müsste. Bei den üblichen Verdächtigen ist aber nur dieser als erster Band um Frankie Sheehan bezeichnete Roman zu finden. Durch Dublin und Umgebung führen Frankies Wege, doch wenn man auch einen gewissen Eindruck vom Leben in der Stadt bekommt, ist der Ort für die Handlung nicht übermäßig wichtig. Frankie und ihr Team gehen mit Eifer an die Untersuchung, wobei sie allerdings zunächst nicht so schnell vorankommen wie es sich wünschen würden. Frankie bleibt in jeder Sekunde am Ball und lässt sich auch von Rückschlägen nicht entmutigen.

Gezeichnet durch ihre Verletzung, die zwar ausgeheilt, aber noch längst nicht überwunden ist, geht Frankie Sheehan mit Vorsicht, aber auch mit Durchsetzungskraft an die Arbeit. Sowohl sie als auch ihr Team wirken sympathisch und kompetent. Ob man den Verlauf der Ermittlung auch in eine andere Richtung hätte lenken können, liegt sicher nicht in der Entscheidung des Lesers. Doch ein Gedanke an einen anderen Ausgang schleicht sich schon ein. Vielleicht liegt dies aber auch an der Wahl des deutschen Titels. Im Original heißt das Buch „Too close to breathe“. Ob es dafür eine übertragende Übersetzung gibt, ist nicht bekannt. Für den Titel „Zu Nah“ gilt das allerdings schon. Nun soll aber nicht allzu lange über den Titel philosophiert werden. Denn die Autorin hat seinen schnellen und spannenden Thriller geschaffen, mit dem sie ein liebenswertes Team einführt, von dem es sicher in absehbarer Zeit mehr zu lesen gibt. Frankie Sheehan lässt nicht locker und auch gegen alle Vorgaben ihres Vorgesetzten geht sie jeder Spur nach. So eine starke Heldin, die zwar nicht unbeeindruckt von ihren Erlebnissen ist, aber doch immer wieder aufsteht, gefällt.


3,5 Sterne (🐳🐳🐳+)

Zu nah von Olivia Kiernan
ISBN: 978-3-9596-7752-3


Sonntag, 1. Juli 2018

Daphnes Cornwall


Schon seit drei Ewigkeiten trägt Daphne Penrose in Fowey die Post aus. Sie ist glücklich verheiratet mit ihrem Francis und die gemeinsame Tochter studiert in London. Ein freundliches vielleicht etwas ereignisloses Leben, könnte man meinen. Doch als Postbotin ist Daphne natürlich immer am Puls des Ortes, der sehr stolz ist auf seine berühmte Einwohnerin Daphne du Maurier, deren Namen Daphne nicht zufällig trägt. Während ihrer Arbeit entdeckt Daphne, dass die Malerin Sandra McKallan tagelang nicht in ihrem Haus war. Beinahe gleichzeitig hat Francis die traurige Pflicht, etwas aus dem Fluss zu bergen, dass sich als männliche Leiche entpuppt. Wie in einem kleinen Ort nicht anders zu erwarten kennt Francis den Toten. 

Wer kann es auf den unbescholtenen Reeder Edward Hammett abgesehen haben. Der war doch gerade erfolgreich ins Kreuzfahrtgeschäft eingestiegen und vielen als ehrenwerter Chef und guter Kumpel bekannt. Nur mit seiner Ehe stand es nicht zum Besten. Aufgerüttelt von den Ereignissen begeben sich Francis und Daphne daran, herauszufinden, wie die Geschehnisse zusammenhängen. Grundsätzlich ist dafür zwar die Polizei zuständig, aber dem Heimkehrer aus London Chief Inspector Vincent trauen sie nicht allzu viel zu. 

Mit viel Liebe schildert der Autor das kleine Städtchen Fowey (gesprochen Foy) an der Küste des Ärmelkanals. Wenn man sie kennt, denkt man an die Serie „Doc Martin“, die zwar an der Atlantikküste Cornwalls spielt, aber doch das cornische Flair ähnlich zu transportieren weiß, wie das vorliegende Buch. Man bekommt direkt Lust, den Ort und die Umgebung zu besuchen solange es noch geht. Dies wird durch die freundlichen Reisetipps am Ende des Romans noch verstärkt. Gestärkt mit einem guten Essen, könnte man sich gleich auf Daphnes Spuren begeben. Dass dabei der Fall etwas ins Hintertreffen gerät, ist durchaus verzeihlich. Nichtsdestotrotz beschert der Autor einen zwar ruhigen, aber klug konstruierten Kriminalroman, der durch seinen Lokalkolorit zu punkten versteht. Auch als Fremder fühlt man sich heimisch in dem kleinen Städtchen mit seinen liebenswerten Bewohnern, die meist friedlich sind.

4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Post für den Mörder von Thomas Chatwin
ISBN: 978-3-499-27445-9