Dienstag, 31. Dezember 2019

Der Journalist


Durch neue Untersuchungsmethoden wie die DNA-Analyse steht ein alter Mordfall vor der Aufklärung. Vor 28 Jahren wurde die junge Prostituierte Emilie Thevenin vergewaltigt und zu Tode geprügelt. Der Verdächtige hat die Tat allerdings nicht gestanden. Der Journalist Marc Rappaport hat durch seine guten Kontakte zur Polizei die Möglichkeit nahe an den Verdächtigen heranzukommen. Seiner Meinung nach kann etwas mit der Geschichte nicht stimmen. Rappaport beginnt, nach den Hintergründen der Tat zu forschen. Immer mehr verbeißt er sich in seine Untersuchung. Er überredet seinen Chefredakteur, einen ausführlichen Artikel zu bringen und Marc zu unterstützen.

Eigentlich kommt der Journalist Marc Rappaport aus gutem Haus. Sein Großvater hat ein milliardenschweres Unternehmen aufgebaut. Doch Marc konnte sich nie mit der Firma identifizieren. Wie seine Eltern hat er sich entschlossen, einen normalen Beruf zu ergreifen. Wenn er für einen Bericht recherchiert, vertieft er sich dermaßen in seine Arbeit, dass er alles um sich vergisst und der Rest unwichtig wird. Das begeistert seine Freundin Deborah nicht so sehr. Hilfe bekommt er dafür durch seinen Praktikanten Antoine, der sich entgegen aller Erwartung als echter Gewinn erweist. Und so entblättert er nach und nach Schicht um Schicht der Ereignisse um den Tod einer jungen Frau.

Zunächst mögen einige Beschreibungen etwas ausschweifend erscheinen, doch je länger man sich in diesen Roman vertieft, desto interessanter und verwickelter wird die Handlung. Man muss schon aufpassen, damit man jede Nuance erfasst. Unterschiedliche Geschichten bilden Schnittmengen oder berühren sich. Die verschiedenen Verschachtelungen formen sich zu einem Gesamtbild, das nach und nach immer mehr fesselt. Kaum zu glauben, was sich dort offenbart. Mit einem vermeintlich einfachen Mordfall zeigt sich lediglich die Spitze eines Eisberg. Die Story reicht bis in höchste Kreise von Industrie und Politik. Hervorragend wie Marc Rappaport und seine Helfer jede kleine Information nutzten, die sie dem Inneren des Spinnennetzes näher bringt.


4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Die Schuld der anderen von Gila Lustiger
ISBN: 978-3-8270-1227-2


Montag, 30. Dezember 2019

Jungfer Laura


Laura Chappell ist nicht so hübsch wie ihre Schwestern. Und sie ist mit knapp über dreißig zwar als Lehrerin angesehen, aber doch irgendwie eine alte Jungfer. Als sie im Jahr 1939 den Ingenieur Hernry McAllan kennenlernt, ist es ihre letzte Chance. Schnell haben sie zwei Töchter und sind nicht mal unglücklich. Da verarmt Henrys Schwester und Henry sieht die einzige Möglichkeit seiner Schwester zu helfen, eine Farm in Mississippi zu erwerben und seinen Vater bei sich aufzunehmen. Laura verspricht er, ein Haus in der Stadt zu mieten. Dieser Plan allerdings geht schief und die gesamte Familie ist gezwungen in dem heruntergekommenen Farmhaus zu wohnen.

Als Stadtmensch fühlt sich Laura auf dem Land nicht wohl. Die Farm ist schäbig, der Schwiegervater ein gemeiner alter Zausel, der den Kindern Angst einjagt. Einen kleinen Sieg erringt Laura indem sie ihr Klavier behalten darf. Henry arbeitet hart auf der Farm. Seine farbigen Pächter helfen ihm. Auch Laura bekommt Hilfe von Florence, der Frau eines der Pächter. Sobald diese jedoch ins Haus kommt, wird des Schwiegervaters Einstellung gegenüber den Schwarzen klar. Als alter Südstaatler betrachtet er sie als weniger wert und hält mit seiner Meinung auch nicht hinter dem Berg. Nach nicht allzu langer Zeit kommt es zum Eklat.

Wie schwierig das Zusammenleben zwischen Schwarz und Weiß in den Südstaaten auch nach dem zweiten Weltkrieg noch war, wird in diesem Buch deutlich klar. Da waren zum einen die verstockten alten Südstaatler, die Neuerungen gegenüber alles andere als offen waren. Zum anderen gab es die Schwarzen, die langsam überhaupt nicht mehr einsahen, wie sie behandelt wurden. Und auch die farbigen Soldaten, die in Europa gekämpft hatten und dort eine ganz andere Behandlung erfuhren. Auf der kleinen Farm treffen sie zusammen, ein Mikrokosmos, der im Kleinen ähnlich funktioniert wie im Großen. Obwohl die handelnden Personen nicht so sympathisch werden, wühlen die tragischen Ereignisse doch auf. Die Tatsache, dass jegliche Rassentrennung zu nichts Gutem führt, wird ohne Zweifel eindringlich klar gemacht.

3,5 Sterne (🐳🐳🐳+)

Mudbound - Die Tränen von Mississippi von Hillary Jordan
ISBN: 978-3-86612-456-1



Sonntag, 29. Dezember 2019

Meine Kinder


Jahrelang hat ihr Mann sie gegängelt und misshandelt, sie sogar angehalten Alkohol zu trinken und Tabletten zu nehmen. Endlich hat sie sich von der Sucht befreit, hat sich von ihrem Monster getrennt und ist mit den Kindern in eine eigene Wohnung gezogen. Da hetzt ihr Ex ihr das Jugendamt auf den Hals. Nun will Audra mit ihren Kindern Sean und Louise nur noch weg. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg quer durchs Land nach Kalifornien. In einer abgelegenen Gegend Arizonas wird Audra von der Polizei angehalten und mit einer fadenscheinigen Begründung verhaftet. Als sie nach ihren Kleinen fragt, sagt man ihr sie sei allein im Auto gewesen.

Ein unvorstellbarer Horror muss es sein, wenn die eigenen Kinder verschwinden. Niemand glaubt, was Audra erzählt. Man verdreht ihr die Worte im Mund und sie gerät auch noch in Verdacht, ihren Kindern etwas angetan zu haben. Weder die örtlichen Polizisten, denen sowieso nicht zu trauen  ist, noch die Beamten der überörtlichen Behörden helfen ihr. Alle sind sind gegen Audra, niemand unterstützt sie. Wie soll sie nur aus dieser Situation rauskommen. Und wo, verdammt, sind ihre beiden geliebten Kinder.

Hier wird der Leser wirklich auf eine Achterbahnfahrt mitgenommen. Natürlich weiß man durch die Handlung ein paar Dinge, die den Ermittlern so nicht klar sind, aber dennoch fragt man sich, wie die so vernagelt sein können. Klar, es ist bekannt, dass Täter häufig in der Familie zu suchen sind. Dennoch müsste in alle Richtungen ermittelt werden und den Aussagen hier der Mutter wenigstens etwas Beachtung geschenkt werden. Da möchte man beim Lesen tatsächlich manchmal in die Tischkante beißen. Und wenn dann auch noch Boshaftigkeit dazukommt, dann ist man nur froh, dass es ein Roman ist, den man sich zu Gemüte führt und kein Zeitungsartikel. In diesem packenden Thriller, der sich wegliest wie nichts, sind Gut und Böse sehr leicht zu unterscheiden. Die schnelle und actionreiche Handlung ist gut in einer Verfilmung vorstellbar.


4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Ohne Spur von Haylen Beck
ISBN: 978-3-423-21764-4


Samstag, 28. Dezember 2019

Vorbereitung


Schon seit Jahren ist Stephan mit dem beiden Kindern auf der Flucht. Allerdings sind Joshua und Cheyenne keine Kinder mehr. Besonders die 17jährige Cheyenne wird langsam aufmüpfig. Sie wünscht sich ein normales Leben, nicht immer nur das Hausen in den Wäldern, versteckt vor der Welt. Momentan verdient Stephan das trotz des kargen Lebens benötigte Geld mit Survivalkursen.   Seit einiger Zeit leben sie in der Nähe von Berlin, auch dort gut versteckt. Jeden Tag verlangt Stephan gegen deren Widerstand von Joshua und Cheyenne, sich noch besser auf das Leben in der Natur vorzubereiten. 

Warum lebt ein Mann, der beinahe ihr Vater sein könnte, mit zwei Jugendlichen abseits von der Zivilisation? Welche Geheimnisse verbirgt er? Doch auch in der Natur droht Gefahr. Das beginnt schon mit den Kunden aus der Prepper-Szene, die teilweise etwas eigenartige Ansichten verbreiten. Doch auch in der sogenannten normalen Welt braut sich anscheinend was zusammen. Es tagen Vertreter der Politik und der Wirtschaft. Es geht darum, wie man einem großen Stromausfall begegnen will. Doch wie es häufig so ist, es wird sich erstmal vertagt. Inzwischen wird es für Stephan und seine Schützlinge immer gefährlicher, jemand ist ihnen wohl auf den Fersen.

Die Autoren sind vielen Lesen von ihrer Reihe um Kommissar Kluftinger bekannt. Hier wagen sie sich mal auf ein neues Feld. Dieser Thriller ist ausgesprochen spannend. Zwei junge Menschen mit ihrem Beschützer, die sich großer Gefahren erwehren. Bei der Geschwindigkeit, mit der die Ereignisse auf die drei einprasseln, kommt man beim Lesen kaum zu Atem. Man mag ein wenig bedauern, dass das ein oder andere nicht ganz auserzählt wirkt. Insgesamt jedoch fesselt dieser Ausflug von Klüpfel und Kobr in ein anderes Genre ungemein. Ob man Klufti vielleicht doch lieber mag, gut möglich. Das sollte aber nicht davon abhalten, gegenüber Neuem offen zu bleiben.

Dieser ausgesprochen spannende Thriller steht für sich und braucht den Vergleich mit anderen Romanen des Genres nicht zu scheuen.


4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

DRAUSSEN von Volker Klüpfel und Michael Kobr
ISBN: 978-3-8437-2218-9




Donnerstag, 26. Dezember 2019

Follies


PC Peter Grant wird zu einem Todesfall in einem Nobelwohnhaus gerufen. Dort hat wohl eine Gruppe Jugendlicher eine Party gefeiert, die eine junge Frau nicht überlebt hat. Offensichtlich hat sie Drogen genommen. Doch die Obduktion ergibt noch etwas anderes. Grant und sein Chef für besondere Fälle Nigthingale wollen nun herausfinden, was es genau mit dem Tod der jungen Frau auf sich hat. Fast zur gleichen Zeit bietet Reynard Foxman, ein übler Bursche, ein altes Buch an. Ein Artefakt, dass sie wohlmöglich schon lange suchten. Nicht außer Betracht lassen darf Peter Grant, dass die Flüsse von London auch noch ein Wörtchen mitzureden haben.

In seinem sechsten Fall für die Abteilung für besondere Fälle muss Peter Grant mal wieder darauf achten, dass die normalen Menschen nicht zu viel von der Magie mitbekommen. Doch auch in seinem neuen Fall sind die Zeichen der Magie unverkennbar vorhanden. Verdächtig in dem Todesfall die Tochter von Lady Ty und das ist jemand, mit dem man es sich wirklich nicht verderben sollte. Auch bei den normalen Polizeiabteilungen hat Peter keinen allzu guten Stand, schließlich haben sich seine Einsätze schon häufiger als ausgesprochen teuer erwiesen. 

Man sollte sich in der Welt von Peter Grant, Londons einzigem Zauberlehrling, schon etwas auskennen, wenn man dieses Buch liest. Kennt man die Reihe, feiert man hier ein Wiedersehen mit vielen alten Bekannten. Gleichzeitig gibt es einen kniffligen Fall zu lösen und einige Ungereimtheiten aufzuklären. Die Lektüre gestaltet sich unterhaltsam und kurzweilig. Man ist immer neugierig wie es weitergeht, nicht nur bei dem einzelnen Fall, sondern auch mit Peter Grant und seinen Kollegen und Freunden. Peter Grant ist einfach eine tolle Erfindung seines Schöpfers, das gilt natürlich auch für den Rest seiner Truppe. Der nächste Band der Reihe ist für Anfang 2010 angekündigt, man darf also gespannt bleiben.


4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Der Galgen von Tyburn von Ben Aaronovitch
ISBN: 978-3-423-21668-5


Dienstag, 24. Dezember 2019

Ulaanbaatar PD


Kommissar Yeruldelgger Khaltar Guichyguinnkhens Name bedeutet „Geschenk der Fülle der Familie der Hündin mit dreckiger Visage“ Er soll künftig Yeruldelgger genannt werden. Eben jener Yeruldelgger, Kommissar in der mongolischen Hauptstadt Ulaanbaatar, wird in die zwei Autostunden entfernte Steppe gerufen. Die dort kampierenden Nomaden haben ein Kinderdreirad gefunden. Schon will sich der Kommissar verärgert wegen der Kleinigkeit aufregen, da taucht die zusammengekrümmte Kinderhand unter dem kleinen Gefährt auf. Nachdem der Älteste dem Kommissar die Seele des toten Kindes anvertraut hat, übernimmt Yeruldelgger die Aufgabe, den Tod des kleinen Mädchens aufzuklären. Unterdessen untersucht seine Partnerin Oyun einen Tatort, an dem drei Chinesen brutal ermordet wurden.

Eigentlich ist Yeruldelgger ein gebrochener Mann. Vor fünf Jahren wurde eine eigene kleine Tochter, nachdem sie entführt wurde, getötet. Seine ältere Tochter hat sich von ihm abgewandt und seine Ehe ist in die Brüche gegangen. Etwas anderes als Polizist kann Yeruldelgger nicht mehr, doch darin ist er gut. Nicht immer hat er sich bei den Ermittlungen im Griff, doch mit seiner instinktiven Verbindung zwischen dem modernen Stadtleben und seiner Herkunft von den Nomaden der Steppe, durchschaut er manche Verbrecher eher als seine Kollegen. Diese beiden neuen Fälle stellen ihn jedoch vor ungeahnte Probleme, denn so langsam muss er sich seiner Vergangenheit stellen.

Allein schon wegen des aus hiesiger Sicht abgelegenen Ortes macht dieser Kriminalroman auf sich aufmerksam. Das allein würde vielleicht nicht ausreichen, um die immer in über 600 Seiten zu verschlingen. Doch die Mischung aus Information, Lokalkolorit, spannendem Fall und faszinierenden Charakteren ist ausgesprochen gelungen. Man bekommt schon einen Spiegel vorgehalten, wenn man feststellt, dass die Menschen in der Steppe auch nicht hinter dem Mond leben. Und auch die Auswüchse ihrer Interpretation der europäischen Vergangenheit werden verständlich. Für die Fülle, die dieser packende Krimi bietet, reichen die 600 Seiten so gerade aus. Und wer sich dafür interessiert, in diese unbekannte Welt einzutauchen, die doch nicht so total anders erscheint, wird diesen Roman einmal begonnen kaum aus der Hand legen können.

4,5 Sterne (🐳🐳🐳🐳+)

Der Mongole - Das Grab in der Steppe von Ian Manook
ISBN: 978-3-7645-0605-6



Montag, 23. Dezember 2019

Let it snow


Es hat geschneit im beschaulichen Örtchen Earlsraven im Süden Englands. Auf dem Parkplatz des Cafés Black Feather ist über Nacht ein großer Schneemann aufgetaucht. Nathalie Ames, die Besitzerin des Cafés, ist zunächst recht angetan. Als auf der verschneiten Straße ein Transporter ins Schleudern gerät und bei einem kleinen Unfall gegen den angrenzenden Zaun prallt, gerät auch der Schneemann ins Wanken und es stellt sich heraus, dass darin eine Leiche verborgen war. Nathalie und ihre Köchin Louise wollen natürlich herausfinden, wer auf die glorreiche Idee mit dem Versteck gekommen ist und welche Umstände zum Tod des Mannes geführt haben.

Die Cafébesitzerin Nathalie hat sowohl Café als auch Köchin von ihrer Tante geerbt. Und mit ihrem Erbe hat sie auch ein Leben als heimliche Detektivin angetreten. Louise war nämlich früher als Agentin tätig und kann das Spionieren und Ermitteln nicht sein lassen. Und Nathalie hat die Position ihrer Tante übernommen. Die beiden Frauen lenken mit ihren Nachforschungen dabei den örtlichen Constable in die richtige Richtung und haben schon so manchen Fall aufgeklärt. Der Tote im Schnee macht es ihnen allerdings besonders schwer. Schließlich wissen sie noch nicht einmal, um wen es sich handelt. 

Bei „Tee? Kaffee? Mord!“ handelt es sich um eine Reihe von Krimis in anheimelnder Atmosphäre, die inzwischen aus zwölf Teilen besteht. Der vorliegende Band ist der sechste Teil der Reihe. Um Weihnachten herum bekommen Nathalie und Louise es mit einem mysteriösen Todesfalls zu tun, der sich sozusagen vor ihrer Haustür auftut. Geschickt gehen sie kleinsten Spuren nach und verlieren auch das Dorfleben nicht aus dem Blick. Nach und nach steigt die Spannung, denn die Nachforschungen über den Toten bringen einige Überraschungen zu Tage. Und auch der Trubel um die Weihnachtszeit lässt nichts zu wünschen übrig. Ein Cosy Crime wie es gefällt, unterhaltsam gelesen von Vera Teltz.


4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Tee? Kaffee? Mord! - Tod eines Schneemanns von Ellen Barksdale
ISBN: 978-3-8387-9028-2


Sonntag, 22. Dezember 2019

Zanzibar


Eine verzweifelte junge Frau ruft bei der Polizei an. Wenig später wird sie tot in einem heruntergekommenen Motel aufgefunden. Sie war eine Schulfreundin von Colonel de Vries Tochter und startete vor einigen Jahren voller Hoffnung in die USA. Nun war sie zurück in Südafrika desillusioniert und krank. Was hat zu ihrem frühen Tod geführt? Gemeinsam mit der örtlichen Kollegin entdeckt Vaughn de Vries, dass die Tote von weiteren Personen zum Motel gebracht wurde. Möglicherweise haben diese noch weitere junge Frauen rekrutiert, denen vielleicht noch geholfen werden kann. Übereifrig bringt die neue Kollegin die Untersuchung und sich selbst in Gefahr.

Die Nachwirkungen der Apartheid in Südafrika noch lange nicht überwunden. Wie Pendel bewegen sich gesellschaftliche Gegebenheiten von einem Extrem ins andere bevor sie sich in der Mitte auspendeln. So erfahren die weißen Polizeioffiziere, dass ihre Karrieren nicht gefördert werden. Zum einen vielleicht und hoffentlich eine heilsame Erfahrung, zum anderen aber eher mies, wenn sie objektiv gute Arbeit leisten. Und noch immer halten sich einige, die dem alten System anhängen, in Schlüsselpositionen, in denen sie mehr Einfluss ausüben können als ihnen eigentlich zustehen sollte. Und genau in solche Kreise ist die Tochter eines Politikers, der vor langen Jahren bei einem Anschlag getötet wurde, hineingeraten. 

Dieser dritte Fall mit Vaughn de Vries greift wieder ein brisantes Thema auf, Ausnutzen von Beziehungen, Korruption, das Gedeckt werden durch höhere Kreise. Doch leider wirkt die Untersuchung irgendwie nicht richtig abgeschlossen und einige Spuren werden nicht richtig verfolgt. Die Sache verliert sich etwas in de Vries’ lamentieren und seinem nicht immer angemessenen Verhalten. Darüberhin geht meiner Ansicht nach auch die Spannung verloren. Und die eigentlich gute Zusammenarbeit von de Vries und seinem Partner Don February, die von ihren unterschiedlichen Sichtweisen lebt, findet kaum statt. Zwar ist dieser eigentlich gut angelegte Kriminalroman etwas mühsam zu lesen, weist aber doch genügend spannende Momente auf, um die Neugier auf die Lösung aufrecht zu halten.


3 Sterne (🐳🐳🐳)

The History of Blood von Paul Mendelson
ISBN: 978-1-4721-2182-0


Samstag, 21. Dezember 2019

Totenreich


Amaia muss sich vorsehen, wenn das Chaos herannaht droht Gefahr. Trotzdem besucht sie ihre schwerkranke Freundin Zoey im Krankenhaus. Bald muss sie fliehen und macht sich auf den Weg zu ihrem Elternhaus. Amaia und ihre Familie sind nicht wie die anderen. Regelmäßig müssen sie umziehen, weil sie nicht so schnell altern und sie ansonsten irgendwie erklären müssten, weshalb das so ist. Daheim angekommen herrscht dort auch ein Durcheinander. Ihre Eltern haben auch Amaias Geschwister heimbeordert. Im Keller halten sie einen Gefangenen, der dem Verhör widersteht. Amaia fühlt sich seltsam zu dem Fremden hingezogen und als noch größere Gefahr droht, scheint er die einzige Rettung zu bieten.

Der Fremde bringt Amaia und ihre Geschwister nach Cassardim ins Reich der Toten. Auch dort lauern Gefahren und das Leben ist nicht eben einfacher als in der Menschenwelt. Wenn Amaia und ihre Geschwister aber eigentlich dorthin gehören, ist es vielleicht der richtige Ort. 

Es beginnt zunächst wie ein Roadmovie. Amaias kleine Familie ist da und dort unterwegs und mit der Einreise ins Totenreich lernen die die dortigen Landschaften und einige Gepflogenheiten kennen. Die verschiedenen Gegenden werden unterschiedlichen Völkern zurechnet und die Geschwister sind gespannt, wo sie wirklich hingehören. Bei ihrer Entdeckungsreise warten einige Überraschungen. Und am Hof des Kaisers angekommen, warten große Herausforderungen auf die jungen Leute.

Mit dem Übertritt aus der Menschenwelt in das Totenreich beginnt das Staunen. Doch auch stellt sich die Frage, weshalb einiges aus der realen Welt überhaupt angeschnitten wurde. Erhält man die Antwort, fragt man sich, ob da ein ernstes Thema nicht zu leicht abgehandelt wurde. Auch wirken einige Szenen etwas überzeichnet. In großen Teilen reißt Amaias Schicksal einfach mit und man will den Dingen ebenso auf den Grund gehen wie die junge Frau. Wird sie in ihrer eigentlichen Welt eine Heimat finden und die Intrigen der Mächtigen durchschauen? Diese spannende Geschichte wird sich gerade um diese Zeit gut auf den Gabentischen der jugendlichen Leserinnen und Leser machen.


4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Cassardim Jenseits der goldenen Brücke von Julia Dippel
ISBN: 978-3-522-65412-8


Freitag, 20. Dezember 2019

Britannia Club


Im Jahr 1924 arbeitet Eric Peterkin als Lektor für Kriminalromane. Fürs Lesen der Manuskripte ist seine Mitgliedschaft im altehrwürdigen Britannia Club sehr nützlich. Seit Gründung des Clubs gab es immer einen Peterkin unter den Mitgliedern. Seit kurzem hat der Club ein neues Mitglied. Albert Benson war zwar nicht bei der kämpfenden Truppe, doch als Sanitäter hat auch er genügend Erlebnisse an der Front. Benson hat eine Mission, die ihm große Sorge bereitet. Während seiner Zeit im Hospital verschwand eine junge Krankenschwester und er hat es sich zur Aufgabe gemacht, ihren Tod aufzuklären. Hinweise auf die Vorgänge hat er bereits und am nächsten Morgen ist er tot.

Bei der Verschwundenen handelte es sich um eine voll ausgebildete Krankenschwester chinesischer Herkunft. Peterkins verstorbene Mutter war ebenfalls Chinesin und so sieht es Eric als seine Aufgabe, sowohl das Verschwinden der jungen Frau als auch den Tod von Benson aufzuklären. Als Lektor von Kriminalromanen sieht er sich bestens gerüstet. Feststellen muss er allerdings, dass die Untersuchung doch nicht so einfach ist. Der Ursprung der Vorfälle liegt wohl tatsächlich im Verschwinden der jungen Frau. Wenn sich jedoch fast alle der Beteiligten kennen, wird es schwierig den Täter auszumachen. 

Angesiedelt in den wilden 1920ern zeigt dieser Kriminalroman doch ein etwas anderes Bild dieser Zeit. Sein Protagonist der Halbengländer mit einer chinesischen Mutter Eric Peterkin hat seine Teilnahme am ersten Weltkrieg zwar überlebt, aber noch längst nicht überwunden. Und er ist nicht der Einzige, dem es so geht. So könnte man meinen, der Club ist nicht nur einer von Kriegsteilnehmern, sondern auch einer der Überlebenden. Natürlich gibt es auch hier leichte und frivole Momente, immer lauert allerdings die Erinnerung. Könnte eine solche Erinnerung auch zum Tod des Albert Benson geführt haben? Mit genauesten Beobachtungen versucht Peterkin besser zu sein als der Inspector Parker. Ein Weilchen braucht man, um von der schnelllebigen heutigen Zeit in die 1920er Jahre zu gelangen. Dort ging es ruhiger und langsamer zu. So bedurfte es zum Auffinden von Informationen schon eines Ganges zum Zeitungsarchiv. Telefone, Autos, Elektrizität erfuhren ihre Verbreitung. Und was heute nur einen Click entfernt ist, musste damals Schritt für Schritt ermittelt werden. Hinzu kommt die Allgegenwart der Kriegstraumata, die viele noch nicht überwunden hatten. Und so scheinen die Zwanziger zwar leicht, aber auch nicht. Klug hat der Autor dabei die Handlung aufgebaut. Jeder Hinweis führt zu einem neuen Rätsel. Auch wenn in der damaligen Kriminalliteratur nach Meinung Peterkins immer ein Chinese der Bösewicht ist, muss man sich hier vielleicht überraschen lassen, ob der Autor diese Meinung teilt.


4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Tod eines Gentleman von Christopher Huang
ISBN: 978-3-453-43991-7


Dienstag, 17. Dezember 2019

Das Erbe


Für Nora war Will Paget der beste Ziehvater, den sie sich vorstellen konnte. Er war ein Jurist alter Schule und ein Vorbild für Nora, die auch Anwältin geworden ist. Doch nun ist Will verstorben und sein Enkel Dave soll die renommierte Kanzlei übernehmen. David Paget lebte lange in Australien und er ist zurückgekehrt, um sein Erbe anzutreten. Er wird einigen frischen Wind bringen. Ob das aber zum Besten der Firma sein wird? Nora ist sich da nicht sicher. Sie wird Wills Andenken in Ehren halten, koste es, was es wolle. Allerdings ist David Paget ein versierter Anwalt und er sieht auch noch gut aus.

Da sind Reibereien jedweder Art vorprogrammiert. Zwei Dickköpfe treffen aufeinander und die Funken sprühen. Eigentlich wollen sie Privates und Berufliches auseinander halten. Das funktioniert aber vielleicht mal fünf Minuten. Immer wieder kommt es zu hitzigen Diskussionen, um die Zukunft der Kanzlei. Und auch darum, das Wills Erbe erhalten bleiben soll. Nora ist nicht sicher, ob Davids Pläne das richtige für die Firma sind. Und doch kann sie sich seiner Anziehungskraft nicht entziehen. Ein gutes Arbeitsteam sind Nora und David und das Weitere….

Auch wenn die Geschichte von Nora Collins und David Paget eher leichte Unterhaltung bietet, kann man sich ihrem Charme kaum entziehen. Die englische Spitzenanwältin und der australische Erbe, natürlich ist klar, worauf es hinausläuft. Der Weg dorthin ist jedoch ansprechend und wunderbar herzig verpackt, so das man jede Wendung gerne verfolgt und neben den schnell gefundenen Lieblingen auch ein paar Unsympathlinge findet, die zusätzlich für einige Spannungsmomente sorgen. Diese Lovestory mag man gerne im Bücherregal begrüßen, Lektüre, die gute Laune macht.


4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Legal Love - An deiner Seite von J. T. Sheridan
ISBN: 978-3-7325-8007-1


Sonntag, 15. Dezember 2019

Gibts ja gar nicht


Der Journalist Siggi Baumeister wird nach Bonn geschickt. Dort soll ein Penner zu Tode gekommen sein. Am Ort des Geschehens stolpert Baumeister in die Ermittlungen der Polizei und er merkt schnell, dass mit dem Toten irgendetwas nicht stimmen kann. Natürlich merkt das auch die Polizei und die will Baumeister aus den Untersuchungen heraushalten. Überhaupt soll der ganze Fall am besten im Sande verlaufen. Da haben sie die Rechnung aber ohne Siggi Baumeister gemacht. Obwohl er lieber daheim in der Eifel bei seiner schwangeren Katze Krümel wäre, macht sich Baumeister daran, den Tod des vermeintlichen Obdachlosen aufzuklären.

Bereits in den 1990ern zum ersten Mal veröffentlich bietet dieser zweite Eifel-Krimi schon alles, was man an Siggi Baumeister mag, seine Liebe zu Katzen, die Baronin, seine Gewitztheit und Hartnäckigkeit. Und natürlich ein spannendes Thema, von dem man gemeint hätte, dass das in unserem Land kein Thema wäre. Aber kann man da so sicher sein? Im Krimi jedenfalls wird man eines Besseren beziehungsweise eines Schlechteren belehrt. Da kann man mal wieder herrlich mit dem Staat hadern und sich wundern, dass Hilfe von ganz unerwarteter Seite kommt. Schließlich ist es so als sei nichts gewesen, was manchmal auch wieder typisch für die herrschende Klasse ist.

Die Bücher um Siggi Baumeister wären sicher auch als TV-Serie interessant, bis auf einen Film hat es wohl leider noch keine weiteren Versuche gegeben. Also hält man sich an die Bücher und füllt auf, was noch nicht bekannt ist. So geht es hier eine ganze Weile zurück in der Ära Baumeister und schon damals gerät er in eine Sache rein, die sehr überraschend ist. Kaum zu glauben, was sich da entwickelt. Ein Buch hätte man da sicher schneller durchgehabt als ein Hörbuch. Aber auch dieses ist so gut umgesetzt und spannend, dass man manches Mal freiwillig weiterhört. Die Baumeister Krimis verbinden die Beschaulichkeit der Eifel mit dem Trubel der Großstadt. 


4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Requiem für einen Henker von Jacques Berndorf
ISBN: 978-3-8666-7205-5

Donnerstag, 12. Dezember 2019

Donnervogel


Privat schwer getroffen will Kommissar Erik Donner eigentlich nichts mehr. In dem kleinen Ort Pöhla möchte er seinem Unglück nachspüren. Absicht war es nicht, dass er sich ausgerechnet ein Dort ausgesucht hat, in dem vor zehn Jahren ein kleines Schulmädchen verschwand. Violetta wurde nie gefunden, ihr Verschwinden bleibt rätselhaft. Doch ihre Verwandte Linda Groß glaubt, sie habe eine neue Spur. Sie bittet Donner um Hilfe. Dieser hat jedoch schon einiges intus und gerät mit ihr in Streit. Am nächsten Morgen erinnert sich der Beamte an nichts und Lind Groß wird tot aufgefunden. Viele Indizien sprechen dafür, dass der Polizist der Täter ist.

Bei diesem Kriminalroman handelt es sich bereits um den siebten Fall des eigenwilligen Kommissars Erik Donner. Eher gegen seine Kollegen ermittelt er hartnäckig nicht nur bezüglich des Todesfalls Groß, sondern auch wegen Violetta. Er muss dem Mörder finden, auch wenn er einen Filmriss hatte, Donner weiß, er ist Ermittler und kein Killer. Zur gleichen Zeit bekommt Kommissar Sokrates Vogel eine neue neugierige Assistentin. Die beiden entwickeln sich schnell zu sehr gegensätzlichen, sich doch irgendwie gewogenen Streithähnen. Auch sie nehmen sich Violettas Verschwinden als Cold Case vor. Nach Vogels Auffassung wurden die ursprünglichen Untersuchungen einfach zu schlampig geführt.

Die Kommissare Donner und Vogel sind schon sehr eigen. Obwohl ihre Vorgeschichte für das Verständnis des Falles nicht notwendig ist, vermisst man doch die Kenntnis der Entwicklung, die sie zu diesem Fall geführt hat. Möglicherweise wird es nicht jeder so empfinden, es könnte es aber empfehlen, mit dem ersten Band der Reihe zu starten. So jedoch fremdelt man zunächst ein wenig, bis einen das Interesse an Violettas Verschwinden packt. Auch mit den teilweise sehr skurrilen Dorfbewohnern muss man sich etwas abfinden. Ist man erstmal angefixt, verfolgt man diese verwickelte Geschichte mit jeder Seite mehr gebannt. In dem eingeschworenen Ort wissen die Leute viel voneinander und sie ziehen ihre geheimen Fäden. Für die Stadtkommissare ist es alles andere als leicht dort dazwischen zu kommen. Da bedarf es schon eines DonnerVogels, um die Lösung zu finden.

3,5 Sterne (🐳🐳🐳+)

Tod und kein Erbarmen von Elias Haller
ISBN: 978-2-49670-253-8



Mittwoch, 11. Dezember 2019

Reversalismus


Überraschend macht er eine unglaubliche Veränderung durch und er erwacht im Bett des britischen Premierministers. Nicht nur in dessen Bett, nein, er ist der Premier. Wie ungewohnt ist dieser Körper, wie ungelenk, wie schwer. Doch flugs gewöhnt sich der sein Geist an die neue Behausung und hat kaum Probleme, der Welt gegenüber als Regierungsoberhaupt aufzutreten. Es gilt, die Idee des Reversalismus zu vertreten. Mit Überzeugungskraft und Geschick führt er seine Argumente. Das ungläubige Staunen, dass er damit bei seinen europäischen Partnern weckt, ignoriert er einfach. Der amerikanische Präsident findet ihn schließlich toll. Der Premierminister ist überzeugt von seiner Idee.

Beim Lesen des Buches möchte man es beinahe gerne als Erklärung für das Handeln in der politischen Welt, dass die Akteure in Wahrheit einer anderen Spezies angehören. Es zeugt von Forschheit und Mut des Autors, sich dem Brexit auf diese unerwartete Weise zu widmen. Obwohl es natürlich nicht explizit ausgesprochen wird, sind doch unverkennbare Parallelen zwischen dem Brexit und der Einführung des Reversalismus zu erkennen. Hier wie dort werden wider jede Vernunft, Entscheidungen herbeigeführt, die die Welt gewiss nicht besser machen. Zwar wird es ebenso gewiss weitergehen. Dennoch wünschte man vielleicht, es würde eine Pflicht zur Rechenschaft geben.

Eine Innensicht des britischen Systems aus Sicht eines Autors, der dem Brexit eher nichts abgewinnen kann. Vielleicht etwas schnell aus der Feder geschüttelt ist diese in Teilen bitterböse  Verwandlung des Brexit in den Reversalismus. Mit feinem Gefühl allerdings spielt McEwan mit den Widersinnigkeiten, die die Politiker den Menschen antun. Wo bleibt die Vernunft? Warum gibt es nur noch hohles Geschrei? Und warum wählen Leute so? In diesem Buch marschiert die Veränderung beinahe noch auf sechs Beinen voran und verkauft sich selbst bestens mit einem Darum. Ein Darum, das in seiner Sinnentleertheit jegliche vernünftige Argumentation abtötet. Man müsste schmunzeln, wenn man nicht langsam den Eindruck gewonnen hat, in der Welt geht es tatsächlich so zu. 

Eine garstig böse, aber auch humorige Satire, bei der einem häufiger mal das Lachen im Halse stecken bleibt. 


4 Sterne (🐳🐳🐳)

Die Kakerlake von Ian McEwan
ISBN: 978-3-257-07132-0

Dienstag, 10. Dezember 2019

Seele in Unruhe


Die Polizei wird zu einem Toten gerufen, der offensichtlich gefoltert wurde. Die Ermittler und Kollegen von der Spurensicherung beginnen mit ihrer Arbeit. Es herrscht blankes Entsetzen als sie feststellen müssen, dass der Tote keinesfalls tot ist. Nun hoffen die Beamten, dass sie das Opfer später befragen können. Bevor es allerdings dazu kommt, stirbt das Opfer schließlich doch - unter eigenartigen Umständen. Nicht lange danach, wird eine weitere Leiche gefunden. Die Verstorbenen waren vorbestraft. Ob darin ein Zusammenhang besteht? Es ist die Aufgabe von Kommissar Carl Edson, das herauszufinden.

In diesem Kriminalroman ermitteln Carl Edson und sein Team zum ersten Mal. Edson ist geschieden, hat aber eine neue Lebensgefährtin gefunden. Seine Tochter ist häufiger bei ihm. Eigentlich hat er alles und dennoch wird es ihm manchmal zu viel. Dann sitzt er lieber im Auto als in seine Wohnung zu gehen. Natürlich bemerkt seine Freundin, dass es nicht mehr so ist wie zu Beginn. Wie lange kann die Beziehung das aushalten. Gleichzeit muss die Untersuchung vorangebracht werden. Wie so häufig am Anfang, heißt es Informationen zusammentragen und Klinken putzen. 

Der Krimi besteht aus drei Teilen, wobei der erste die Ermittlungen des Kommissars und seiner Kollegen beschreibt, dann erfolgt ein ziemlich heftiger Wechsel der Perspektive. Zu Beginn entwickelt sich die Handlung sehr spannend. Die Ermittler tragen die Hinweise zusammen und versuchen die Spurenlage zu deuten. Doch irgendwann drängen sich gewisse Gedanken auf und genau in diesem Moment verändert sich das Buch. Das kann es erschweren, sich eine Meinung zu bilden. Während der erste Teil eine fesselnde Polizeiermittlung zeigt, wirkt der zweite in etlichen Teilen Fragen aufwerfend, hauptsächlich, warum er überhaupt so ausführlich inszeniert wurde. Für das Verständnis des Falles braucht man große Teile davon nicht zwingend. Man kann es so oder so sehen, entweder nimmt dieser Kniff dem Roman den Drive oder durch die Veränderung des Blickwinkels gibt er dem Buch etwas Besonderes. Das kann den Geschmack des Lesers oder Hörers treffen. Vorgetragen wird das Hörbuch jedenfalls sehr stimmig von Wolfgang Wagner.

3,5 Sterne (🐳🐳🐳+)

Opfer von Bo Svernström
ISBN: 978-3-8398-1739-1



Sonntag, 8. Dezember 2019

Außergewöhnliche


Victor Vale und Eliot Cardale lernen sich an der Lockland University kennen. Sie sind hochintelligente Medizinstudenten und Freunde. Aber nicht so richtige Freunde. Und nun müssen sie ihre Abschlussarbeiten abgeben. Eli will mit seinem Thema provozieren und ruft damit Geister, die er eigentlich nicht wecken wollte. Und nun wollen sowohl er als auch Victor sterben, um zu leben, um außergewöhnlich zu werden. Eliot meint nämlich, es müsse Menschen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten geben und er wollte die Gesetzmäßigkeiten finden, aus den die Außergewöhnlichen entstehen. Victor geht einen ketzerischen Schritt weiter. Kann man diese außergewöhnlichen Fähigkeiten erwerben?

Irgendwie gelingt das Experiment, aber zu einem hohen Preis. Mit der Freundschaft der jungen Männer ist es vorbei. Und jeder für sich muss feststellen, dass etwas fehlt. Jahre vergehen und beide haben sehr unterschiedliche Wege beschritten. Vergessen haben sie sich aber nie und beide haben beschlossen, dass es besser für die Menschheit ist, wenn der jeweils andere endgültig und für immer aus dem Verkehr gezogen wird. Zwischen Vergangenheit und Gegenwart pendelt die Handlungsebene dieser auf eine Trilogie angelegte Geschichte. Im weitesten Sinne fühlt man sich vielleicht an Jekyll und Hyde erinnert, denn die außerordentlichen sind eher keine Stubentiger.

Alte Freunde und neue Freunde, alte Feinde und neue Feinde. Toleranz und Auslöschung. Victor und Ele starten an einem Ausgangspunkt und entwickeln sich doch ganz unterschiedlich. Zum fünften Gebot (Du sollst nicht töten) haben sie eine sehr eigene Einstellung. Doch wie der Titel dieses Pageturners schon andeutet, sowohl Eli als auch Vic sind vicious, sie tragen Böses in sich. Doch irgendwie schafft es die Autorin Sympathien zu wecken. Vielleicht schlägt man sich auf eine Seite, auf jeden Fall aber erwartet einen atemberaubende Spannung und reichlich wenig Entsetzen über Menschen, die einfach weggefetzt werden. Dennoch kann man den Roman einmal begonnen nicht mehr aus den Händen legen. Viel zu schnell ist deshalb das Ende erreicht und es bleibt nichts anderes als auf den nächsten Band zu warten.

Außerordentlich spannend und nichts für schwache Nerven.

4,5 Sterne (🐳🐳🐳🐳+)

Vicious - Das Böse in uns von V. E. Schwab
ISBN: 978-3-10-491119-9



Samstag, 7. Dezember 2019

Verrückt?


Bin ich verrückt? Das fragt sich Sara immer wieder. Obwohl sie eine militärische Ausbildung hat und danach noch einen Studienabschluss erwarb, muss sie sich in der Warteschlange der Arbeitssuchenden erstmal hinten anstellen. Sie hatte ein schlimmes Erlebnis und nur kurze Zeit später ist ihr geliebter Vater verstorben. Sara, ihre Mutter und ihre kleine Schwester sind immer noch untröstlich. Dennoch will Sara endlich ins Leben starten und ihre Mutter unterstützt sie dabei. Obwohl der Wohnraum in Stockholm knapp ist, findet Sara ein Zimmer bei einer schrulligen Alten und eine Anstellung in einem Café. Es scheint aufwärts zu gehen, als sie im Café von Bella angesprochen wird, die ihr einen Superjob bei einer PR-Agentur verschafft. Währen da nur nicht diese seltsamen Ereignisse, die Sara an ihrem Verstand zweifeln lassen.

Bei diesem Debütroman handelt es sich um den Beginn einer Trilogie. Die Autorin lässt sich zu Beginn viel Zeit Saras Charakter zu entwickeln. Der Umzug nach Stockholm bringt erstmal Schwierigkeiten mit der schlecht gelaunten Alten, die ihre Mieter offensichtlich ausbeutet und vor dem Aufstellen irgendwelcher Regeln nicht zurückschreckt. Doch Saras Zimmernachbarn machen einen netten Eindruck. Schließlich lernt sie Bella kennen, mit der reichlich Glamour in Saras Leben Einzug hält. Ein neuer Job, eine gemeinsame schicke Wohnung, sie und Bella sind ein Dreamteam. Doch Saras Gedankenkarussell beginnt zu kreisen, wem kann sie trauen?

Am Anfang lässt sich die Autorin etwas arg viel Zeit. Beinahe ist man soweit, sich zu fragen, wen das interessieren soll. Doch geschickt werden zum Glück die Zügel angezogen, bevor man das Buch zur Seite legt. Eingestreute Zeitungsberichte und Sätze, die nicht aus Saras Sicht geschrieben sind, wecken Neugier und erzeugen Spannung. Man kann Saras Misstrauen immer besser nachvollziehen, ihr Gefühl beobachtet zu werden. Wem kann man trauen? Traue niemandem! Ist das ein guter Rat? Ob allerdings einige Sachen einfach im Unklaren gelassen werden oder lose Fäden in den nächsten beiden Bänden wieder aufgegriffen werden, kann jetzt noch nicht gesagt werden. Insofern ist es etwas schwierig, zu entscheiden, wie dieser erste Band zu bewerten ist. Im Original sind bereits alle Teile erschienen, so dass zu hoffen ist, dass die Fortsetzungen auch hier schnell veröffentlicht werden. Nach dem etwas trägen Beginn entwickelt sich das Buch sehr spannend.

3,5 Sterne (🐳🐳🐳+)

Blutblume von Louise Boije af Gennäs
ISBN: 978-3-95890-241-1




Freitag, 6. Dezember 2019

Angst als Mut verkleidet


Sie haben Abschlüsse, während des Krieges waren sie wichtig im Geheimdienst. Nun ist der Krieg seit ein paar Jahren vorbei und sie sind verheiratet, haben Kinder oder sind gerade noch gut genug für den Schreibpool. Wenigstens gehören sie so noch zur Agency. Und mal wieder beginnt eine Neue mit der Arbeit. Irina wurde in Amerika geboren, doch ihre Mutter kam aus der Sowjetunion. Die Mädchen und Frauen begegnen ihr reserviert, wieso hat sie den Job bekommen, die Schnellste beim Schreiben ist sie jedenfalls nicht. In der Sowjetunion schreibt der Autor Boris Pasternak derweil an seinem berühmten Roman Doktor Schiwago. Ein Buch, das nach dem Willen der Staatsmacht nicht veröffentlicht werden soll.

In ihrem ersten Buch schreibt die Autorin über Pasternak und seine Geliebte Olga, die für ihre Liebe ins Straflager geht. Sie schreibt auch über die jungen Frauen in Amerika, die im Krieg viele Aufgaben der Männer übernahmen, die nach dem Krieg eigentlich wieder an den Herd sollten, dies aber nicht mehr wollten. Doch so unauffällig die Mädels aus dem Schreibpool erscheinen, manche sind doch beste Spione. Ihr Aufgabe ist es, geheime Kassiber in Empfang zu nehmen und weiterzuleiten. Dabei geht es auch um das Manuskript von Doktor Schiwago, das wenigstens in der Übersetzung erscheinen soll. Und vielleicht tut sich auch die Möglichkeit auf, den Sowjetbürgern eine Fassung zugänglich zu machen.

Welch spannende Geschichte entwickelt sich um die Entstehung und die Veröffentlichung dieses großen Romans. Die Literatur als Politikum. Staaten, die sich einmischen. Agenten, Spione, Herausgeber - ein Ziel. In bewegenden Worten schreibt Lara Prescott über die Protagonisten. So manches Mal fühlt man sich mitten im Geschehen. Wobei man sehen kann, dass nicht immer die selbe Seite es ist, die alles vorschreibt oder anders Denkende diskriminiert. Hier soll nicht nur einem Buch zum Weg in die Freiheit verholfen werden. Es sind Gedanken und Gefühle, die zur freien Entfaltung kommen sollen. Wie tragisch, wenn Olga im Arbeitslager jeder Härte ausgesetzt ist. Tragisch auch, wie die Frauen, die den Krieg energisch durchschritten hatten, danach wieder zu Heimchen am Herd werden sollten. Ein beeindruckender Roman über eine nicht allzu ferne Zeit und ein herausragendes Werk der Weltgeschichte.

4,5 Sterne (🐳🐳🐳🐳+)

Alles, was wir sind von Lara Prescott
ISBN: 978-3-8412-1808-7


Sonntag, 1. Dezember 2019

Modewoche


Kriminalassistent Jeppe Kørner hat sich nach dem letzten Fall erholt und auch die Trennung von seiner Frau einigermaßen überwunden. Nur das Haus ist so leer. Da freut er sich beinahe auf den nächsten Fall. Ende Januar ist es kalt in Kopenhagen. Doch die Modewoche läuft, die ersten Meetings und Parties haben begonnen. Nach einer solchen Feier taumelt der Designer Alpha Bartholdy nach draußen und stirbt dort qualvoll. Für Jeppe besonders bedrückend, sein bester Kumpel Johannes Ledmark war mit dem Opfer befreundet. Nun muss Jeppe herausfinden, ob sein Freund etwas mit der Tat zu tun haben könnte.

Es ist der zweite Fall, in dem Jeppe Kørner und Anette Werner gemeinsam ermitteln. Jeppe geht es relativ gut. Er hat seine mehrwöchige Reise nach Australien genossen und eine neue Freundin hat er auch. Dagegen macht sich Anette Sorgen um ihre Gesundheit. Sollte sie, die immer eine Pferdenatur hatte, plötzlich gesundheitliche Probleme entwickeln. Es kostet sie große Überwindung, zum Arzt zu gehen. Und nun auch noch dieser rätselhafte Fall. Wer in der Modebranche sollte etwas gegen Bartholdy gehabt haben. Offensichtlich war der Mann nicht übermäßig sympathisch, aber er war eben auch ein Einzelgänger. Bald stellt sich heraus, dass doch ein paar Menschen Grund gehabt hätten, auf Bartholdy sauer zu sein.

Bei der Lektüre freut man sich, den alten Bekannten wieder zu begegnen. Neben den Ermittlern tauchen auch Esther und Gregers wieder auf und tragen auf ihre spezielle Art zu den Nachforschungen bei. Sehr gut aufgebaut ist der Fall. Ein Mann, der vor fast nichts zurückschreckt, da seien nur Betrug und Erpressung genannt, hat eben doch ein paar Feinde. Darunter auch solche, die ihm an Gemeinheit in nichts nachstehen. Doch diese Lösung wäre zu einfach. Da hat sich die Autorin wirklich etwas Besseres ausgedacht. Die Ermittlung geht in alle Richtungen und als Leser ist man mega gespannt, welches sich als die Richtige erweisen wird. Nicht zu kurz kommt auch das Private und die persönlichen Beziehungen der Handelnden. Erfreulich, dass eine wunderbar ausgewogene Balance zwischen Beruf und Privat erreicht wird. Dieser zweite Teil hat den ersten übertroffen.


4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Blutmond von Katrine Engberg
ISBN: 978-3-257-07058-3