Sonntag, 31. Mai 2020

Die Schlacht

Zélie und Amari konnten die Magie befreien. Doch so wie es manchmal ist mit den Geistern, die man ruft. Sie bekamen mehr als sie erfragt haben. Die Magie kam auch zu Amaris Mutter. Auch Amaris Bruder Inan kann Magie wirken. So einfach wird es nicht werden, zu einem friedlichen Leben zu finden. Ein erster Schritt soll sein, dass Amari den Thron besteigen will, um ihr Volk zu überzeugen, dass eine Co-Existenz mit den Maden durchaus erstrebenswert sein kann. Doch die Orisha wollen Rache. Auch Zélie und Amari sind nicht immer einig wie sie ihr gemeinsames Ziel erreichen sollen.

Bei diesem Roman handelt es sich um den zweiten Band der Children of Blood and Bone Trilogie. Nach dem hoffnungsvollen Ende des vorherigen Bandes finden die Heldinnen Zélie und Amari hier ungeahnte Schwierigkeiten. Anstelle eines friedlichen Miteinanders erleben sie die neue Wehrhaftigkeit der Orisha. Ihre Pläne werden zunächst durchkreuzt. Sie müssen sich neu aufstellen und überlegen, wie sie das Ziel eines geeinten Volkes erreichen dennoch erreichen können. Dabei ist ihnen ihre unterschiedliche Herkunft deutlich anzumerken. Die beiden jungen Frauen gehen schweren Herzens auf Schlachten zu, die ihnen viel abverlangen werden.

In diesem zweiten Band wird dem Leser einiges an Kriegs- und Kampfhandlungen zugemutet. Es geht brutal zu. Die Schilderungen gehen zur Sache, es fließt Blut. Und nicht nur das der Feinde. Auch unter Freunden sind Verluste zu beklagen und Opfer zu bringen. Zum Glück rundet sich die Geschichte, so dass Vieles schließlich eine Sinnhaftigkeit erhält, an die man kaum noch geglaubt hat. Auch wenn die Brutalitäten doch etwas mannigfaltig sind, ist der Roman doch spannend und die verschlungene Geschichte der Magie fesselt. Wie bei einem zweiten Teil nicht anders zu erwarten, ist das Ende offen. Der Autorin ist damit ein Knall gelungen, der tatsächlich große Neugier weckt auf das, was von dem dritten Teil zu erwarten ist.

3,5 Sterne (🐳🐳🐳+)

Children of Virtue and Vengeance (Flammende Schatten) von Tomi Adeyemi
ISBN: 978-3-8414-4030-3


Samstag, 30. Mai 2020

Rebell von Emmerich


Der ehemalige Polizeichef Schober wird Bundeskanzler. Auf einem Empfang ihm zu Ehren benimmt sich Kriminalinspektor August Emmerich mal wieder daneben. Im Jahr 1921 ist es heiß in Wien und das Geld ist knapp. Da können einem dreifachen alleinerziehenden Vater schon mal die Nerven durchgehen. Aber Strafe muss sein und Emmerich wird zu einem polizeilichen Benimmkurs abgeordnet, die Teilnahme ist Pflicht. Und das wo er und sein Assistent Winter gerade die Morde an zwei jungen Frauen hereinbekommen haben. Das ist doch wohl wichtiger als geschliffene Manieren. Obwohl die beiden Tänzerinnen sich gewehrt haben, sie hatten keine Chance.

In seinem nunmehr vierten Auftritt bekommt Kriminalinspektor August Emmerich eine ganz besondere Aufgabe zugeteilt. Er, der unangepasste Freund deutlicher Worte, soll Diplomatie und gute Manieren lernen. Da ist wohl von vornherein Hopfen und Malz verloren. Oder steckt etwa mehr dahinter? Emmerich will an diesem Kurs nicht teilnehmen, doch es geht um seinen Job und das Wohlergehen seiner Kinder. Schweren Herzens muss er seinem Assistenten Ferdinand Winter die Ermittlungen in den Mordfällen überlassen. Der Junge ist doch eher ein Feingeist aus dem ehemaligen Adel. Kaum vorstellbar, dass er sich in der rauen Wirklichkeit ohne seinen Mentor zurechtfindet. 

Nach seinen vorherigen Fällen hätte man beinahe annehmen können, für August Emmerich könne nicht mehr viel kommen. Welch köstliche Überraschung bereitet da sein vierter Auftritt. Hier soll er tatsächlich seine Ecken und Kanten geglättet bekommen. Dieses schier aussichtslose Unterfangen lässt den Leser im Chor mit Emmerich ins Zähneknirschen verfallen. Und der kleine Winter übt sich im Tun des Gegenteils, was er üblicherweise tun würde. Erstaunlich, zu welchen Ergebnissen das führt. Auch wenn er manchmal doch einer hilfreichen Hand bedarf. Winter beginnt sich frei zu schwimmen. Ausgesprochen packend ist dabei mitzuerleben, wie sich aus den Ereignissen schließlich wenigstens zwei Fälle herauskristallisieren, die an Brisanz kaum zu überbieten sind. Die mit großem Verständnis für die politischen Rahmenbedingungen beschriebene Hintergrundgeschichte ist zudem sehr interessant und spannend. Dieser Roman ist ein Höhepunkt der Reihe, der keine Wünsche offen lässt.

5 Sterne (🐳🐳🐳🐳🐳)
Das schwarze Band von Alex Beer
ISBN: 978-3-8090-2720-1


Freitag, 29. Mai 2020

Hulda geradlinig

Wie konnte nur plötzlich ihr 65. Geburtstag herannahen? Hulda weiß, dass sie bald pensioniert wird. Vorbereitet ist sie nicht. Und so trifft es sie hart, dass ihr Chef schon Monate vor dem gefürchteten Datum sagt, dass sie ihren Schreibtisch zu räumen hat, weil bereits ein Nachfolger wurde. Doch einen letzten Fall trotzt sie ihrem ungeliebten Vorgesetzten ab. Sie darf sich einen der ungelösten Fälle vornehmen. Vor gut einem Jahr wurde eine junge russische Asylbewerberin tot in einer Bucht aufgefunden. Es hieß schließlich, sie habe Selbstmord begangen. Doch welchen Grund soll sie gehabt haben?

Als Beginn einer Trilogie ist dieser Band schon sehr ungewöhnlich, wieso stellt man im Lauf der Lektüre fest. Die Überraschung gelingt dem Autor ausgesprochen gut. Seine Heldin Hulda passt nicht so richtig in das Bild, das man sich vielleicht von einer Heldin macht. Dennoch ist sie in ihrer verschrobenen Art sehr sympathisch. Hartnäckig versucht sie herauszufinden, was hinter dem Tod der jungen Russin stecken könnte. Sie folgt der ursprünglichen Ermittlung und findet Ansätze, die ihrer Meinung nach eine andere Deutung erlauben. Und ihre Zeit wird immer knapper, denn ihr Chef sitzt ihr im Nacken, sie soll endlich gehen.

Das kann doch nicht sein, denkt man mehr als einmal beim Lesen. Warum wird Hulda am Ende ihrer Laufbahn beinahe genötigt, früher zu gehen? Kann man sie nicht einfach für die paar Monate ihre Arbeit machen lassen? Aber man denkt auch, wieso hat sie sich nicht vorbereitet? Im weiteren Verlauf erfährt man mehr über Hulda, die dann doch nicht die stromlinienförmige einfache Beamtin war. Ihr Leben war ungewöhnlich und tragisch. Man kann es nur schätzen, wahrscheinlich ist sie Ende der 1940er oder Anfang der 1950er geboren und obwohl ihre Mutter sich viel Mühe gegeben hat, hat Hulda keine enge Verbindung zu ihr gefunden. Vermutlich hat das ihr ganzes Leben geprägt, nicht nur im Privaten, sondern auch wie sie an die Fälle herangeht. Am Ende des Buches meint man, alle Geheimnisse Huldas zu kennen. Gerade das macht einen umso neugieriger, was der Autor noch über Hulda zu erzählen hat. 

Ein sehr spannender und ungewöhnlicher Thriller mit einer bemerkenswerten Ermittlerin, die tiefe Einblicke in ihr Leben gewährt.

4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Dunkel von Ragnar Jónasson
ISBN: 978-3-442-75860-9


Montag, 25. Mai 2020

Der zweite Fellinger

Der Lebensmittelkontrolleur Berthold Fellinger, Anfang vierzig, wäre eben doch gerne Polizist geworden. Wenn nur das vermaledeite Knie nicht wäre. Beim Löffelmacher soll er heute kontrollieren und wenn er fertig ist, darf es noch etwas Deftiges sein. Die Kontrolle läuft unproblematisch. Vor dem Braten vergeht dem Fellinger allerdings der Appetit. Ein anderer Gast sinkt über seiner Mahlzeit zusammen und man merkt schon an der Art des Sinkens, dass da nichts mehr zu machen sein wird. Die herbeigerufene Polizei verdächtigt dann auch noch den Fellinger. Seine Kontrolle kann so gründlich nicht gewesen sein.

Auch in seinem zweiten Fall muss der Fellinger bemerken, dass er nicht alles weiß, was in seinem Ort so vor sich geht. Zwar kommt bald die Erinnerung hoch, dass der Bruder des Wirtes bei einem eigentlichen Spaß ertrunken ist. Doch das kann wohl kaum der Grund dafür sein, dass ein Tourist aus dem fernen Hamburg sein Gesicht für die Ewigkeit in die Bratensauce getunkt hat. Fellingers Neugier ist geweckt und natürlich will er sich reinwaschen von dem Verdacht, er habe für eine laxe Kontrolle Geld genommen. Er, der Oberbeamte, der keine Freunde kennt. 

Hat man sich den ersten Fellinger-Krimi als Hörbuch reingezogen, könnte bei der Lektüre des zweiten Bandes durchaus eine gewisse Sehnsucht entstehen. Ein wenig vermisst man die originelle Intonation, die man selbst als Preiß nicht so drauf hat. Dennoch stellt dieser Krimi einen vergnüglichen Ausflug aus dem Alltag dar, den man mit Freude genießt. Man kann sich so schön aufregen über den Fellinger und seine Kumpanen. Der Fellinger ist wie eine Katze, die das Mausen nicht lassen kann. Seine verpasste Karriere bei der Polizei macht im zu schaffen und da muss er den Dorfpolizisten einfach ins Handwerk pfuschen. Genau genommen pfuscht er nicht, mit Hartnäckigkeit und Gewieftheit erweist er sich bei seinen Nachforschungen als glücklicher als die Nicht-Kollegen. Da darf der nächste Fellinger gerne kommen.

4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Sau am Brett von Oliver Kern
ISBN: 978-3-453-43870-5


Sonntag, 24. Mai 2020

Vier Töchter

Ganz schön schön, wenn die Eltern so glücklich sind, aber auch nicht einfach. Die Eltern sind ein großes Vorbild für ihre vier Töchter Wendy, Violet, Liza und Grace. Doch machmal kommen ihnen die Fußstapfen, in die sie treten möchten, doch zu groß vor. Wendy ist schon verwitwet, Violet hat den Erfolg im Beruf gegen eine Familie getauscht, Liza ist schwanger und Grace lügt was das Zeug hält. Und die Eltern wissen nichts von ihrem großen Glück. Auch bei ihnen gibt es aufs und abs. Doch sie fühlen sich schon privilegiert in ihrer langjährigen Ehe.

Das Buch ist mit über 700 Seiten recht umfangreich und so umfasst selbst das gekürzte Hörbuch über 400 Tracks. Da fällt es schon bei der schieren Länge nicht immer leicht am Ball zu bleiben. Dennoch ist die Geschichte der vier Töchter und ihrer Eltern durchaus interessant, nur in dieser Form nicht der größte Spaß. Die Probleme von Eltern und Kindern, die oftmals nicht richtig ausgesprochen werden, die Heimlichkeiten, die kleinen Katastrophen, aber auch die Glücksmomente, der bei aller Unterschiedlichkeit doch große Zusammenhalt der Familie. Das alles macht neugierig genug, um am Ball zu bleiben.

Das Hörbuch wird dabei mit frischer Stimme vorgetragen von Wiebke Puls. sie macht einem das Zuhören leicht und man schaltet immer wieder gerne ein. Die Handlung des Buches ist in verschiedene Zeitabschnitte gegliedert und irgendwie ist man froh, je näher man der Gegenwart kommt. Die Wogen der Jugend glätten sich so langsam und die vier Töchter kommen zur Ruhe. Vielleicht werden sie niemals so wie ihre Eltern, aber das kann doch durchaus auch ein Gewinn sein. Man kann schließlich auch auf seine eigene Art glücklich werden.

3 Sterne (🐳🐳🐳)


Der größte Spaß, den wir je hatten von Claire Lombardo
ISBN: 978-3-7424-1150-1


Samstag, 23. Mai 2020

Boystown

Im Chicago Mitte der 1980er leben Yale und seine Freunde in einer eingeschworenen Community. Das Leben könnte so schön sein, gäbe es da nicht diese unheimliche Krankheit, die Lücken in ihre Reihen reißt. Fiona ist eine der wenigen jungen Frauen, die als Nicos Schwester ein festes Mitglied der Gemeinschaft ist. Und Nico ist einer der ersten aus ihren Reihen, der der Krankheit erliegt. Was soll dieses Virus? Sie wollten sich doch gerade ihren Platz in der Gesellschaft erobern, sie wollten feiern, sie wollten Spaß. Keiner wollte so jung sterben. 

Auf zwei Zeitebenen ist dieser Roman angesiedelt. Zum einen wie erwähnt in den 80ern des letzten Jahrhunderts - wie weit weg das klingt - und zum anderen im Jahr 2015 als Fiona nach Paris reist, um nach ihrer Tochter zu suchen. Überraschend trifft sie in der Stadt der Liebe ein paar der alten Bekannten wieder und damit erstehen auch die alten Zeiten vor ihrem inneren Auge wieder. 

Die Autorin zieht einen selbst in die Erinnerung an die eigene Jugend. Auch wenn man wegen der dörflichen Herkunft im direkten Umfeld nicht allzu viel mitbekam, so war die Krankheit und das Virus allgegenwärtig. Die Lust am Feiern wurde jäh ausgebremst, auf einmal war Vorsicht geboten. Und der Gedanke, mich betrifft es nicht, bot keine Erleichterung. Es konnte jeden treffen. Wie schlimm muss es da erst unter denen gewesen sein, die eigentlich nur ihr Leben leben wollten, beruflich durchstarten und ihre Liebe genießen? Plötzlich wurden Freunde, Kollegen und Liebste von ihrer Seite gerissen und doch steckten sie manchmal den Kopf in den Sand. Und Fiona mitten drin, häufig der letzte Halt für ihre Freunde. 

Mit dem von ihr gewählten Thema berührt die Autorin, besonders wenn man eine Erinnerung an die aufkommende Bedrohung hat. Gerade heutzutage wo es auch gilt gegen eine bedrohliche Krankheit, gegen die es kein Mittel gibt, anzukämpfen, bekommt das Buch eine zusätzliche Aktualität. Allerdings schafft die Autorin es nicht, einem die handelnden Personen wirklich nahe zu bringen. Vielleicht ist die Handlung etwas zu episodenhaft erzählt. Dennoch regt das Buch zum Nachdenken an und einige Szenen sind wirklich herzzerreißend.

4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Die Optimisten von Rebecca Makkai
ISBN: 978-3-96161-086-0


Freitag, 22. Mai 2020

Der goldene Löffel

Loretta Luchs - mit so einem klingenden Namen muss man einfach ein ungewöhnliches Leben führen. Momentan ist Loretta aber eher froh, dass ihr Leben ruhig verläuft. Sie macht ihren Job. Nach der Trennung von ihrem Freund, ist sie mit ihrer Freundin Diana zusammengezogen. Als Abwechslung macht ein Casting für eine Kochshow mit. Sie ist ein Fan der Sendung und freut sich riesig als sie die Chance bekommt, ihr Menü zu präsentieren. Mit dabei sind vier weitere Teilnehmer. Loretta ist sehr neugierig und freut sich auf die neuen Menschen und das ganze Drumherum. 

Sie will gar keine Hobby-Detektivin sein und nach den vorigen Erlebnissen hat Loretta eigentlich auch genug davon. Da kommt die Kochgelegenheit doch wie gerufen. Schnell beginnt sie nach Rezepten zu suchen und sich vorzubereiten. Die Fragen ihrer Psychologin erfreuen sie nicht so sehr. Aber sie muss ja nicht antworten. Nachdenken vielleicht schon. Doch ihre Freunde unterstützen sie. Ihre Loretta kommt ins Fernsehen. Eine freudige Überraschung erlebt Loretta schon als sie ihre Mitstreiter kennenlernt. Dennoch ist sie nervös, sie darf den ersten Abend gestalten. Zwar hat sie es dann hinter sich, aber es ist bekannt, dass die Teilnehmer sich mit Lob zurückhalten.

Um das Buch richtig genießen zu können, mag es schon von  Vorteil sein, wenn man sich mit solchen Sendungen etwas auskennt. Davon abgesehen hat sympathische Mitwirkende, die natürlich auf das ein oder andere Ekelpaket treffen. Manchmal kann man auch Ziegengemecker vernehmen. Und man wünscht, dass Loretta ihr Kochabenteuer gut übersteht und ihr Gaumen einige Freuden erlebt. Interessant ist es, mitzuerleben, welche Unterschiede zwischen dem Auftreten vor der Kamera und dem Verhalten, wenn die Kamera aus ist, bestehen. Lustig wird es allerdings, wenn dies von den Teilnehmern nicht mehr so genau unterschieden wird. Das ist es, was die TV-Zuschauer wollen. Eine gute Mischung aus hervorragendem Essen und guten Gesprächen. Oder auch aus genau dem Gegenteil.

Loretta Luchs überzeugt vielleicht nicht so sehr vor der Kamera, aber dafür umso mehr als Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht.

3,5 Sterne (🐳🐳🐳+)

Einer gibt den Löffel ab von Lotte Minck
ISBN: 978-3-7700-1491-0


Donnerstag, 21. Mai 2020

Drei Kontinente

Smita lebt in Indien. Zwar sollte die Zugehörigkeit zu einer Kaste an Bedeutung verloren haben, doch Smita als Angehörige der Dalit, das ist die Kaste der Unberührbaren, hat keine Chance dem System zu entkommen. Lalita, ihre Tochter, solle es einmal besser haben. Die Sizilianerin Giulia als Tochter eines Fabrikanten muss nach einem tragischen Unglück ihr Leben neu aufstellen. Und Sara, eine Anwältin aus Montreal, muss sich der Realität ihrer Erkrankung stellen. Unterschiedlicher könnten die Frauen kaum sein. Ihre Geschichten finden ihren Zusammenhang, durch die Bedeutung, die die Haare für sie haben. 

Kaum vorstellbar, dass Frauen es in ihrer Welt immer noch schwer haben. Die bewundernswerte Smita in ihrer nur schwer erträglichen Lebenssituation macht auch anderen Mut, sich aufzulehnen. Für ihre Tochter sucht sie nach einem besseren Leben. Auch Giulia zeigt großen Mut und Verantwortung für die Arbeitnehmerinnen ihres Vaters. Dessen kleine Fabrik steht vor einem Umbruch, der ihr Angst machen könnte. In Montreal glaubte Sarah, sie habe es in der Kanzlei geschafft. Partnerin auf dem Weg zur Geschäftsführerin. In einer solchen Position ist eine Erkrankung nicht vorgesehen und auch nicht erlaubt. Alles, was sie erreicht hatte, steht plötzlich auf dem Spiel.

Man wünschte sich zu wissen, was nach zum Beispiel fünf Jahren aus den Frauen geworden ist. Oder ist es besser, dass man es sich selbst ausmalen und ihnen die Erfüllung ihrer Träume andichten kann. Die drei Frauen stehen an einem Scheideweg und sie nehmen die Herausforderung des Lebens an. Schon das macht beim Lesen ein gutes Gefühl. Vielleicht schafft man nicht alles, aber man kann es versuchen. So unterschiedlich Smita, Giulia und Sarah sind, so viel Kraft haben sie, die ausgetretenen Pfade zu verlassen. Das Leben ist nicht immer leicht, aber wenn man es annimmt, bekommt man irgendwie etwas zurück. Der Roman wirkt wie ein lichtdurchflutetes Zimmer, an dessen offenen Fenster man einen schönen Ausblick hat.

4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Der Zopf von Laetitia Colombani
ISBN: 978-3-596-70185-8



Mittwoch, 20. Mai 2020

Regionalkrimi ade

Es fängt ganz harmlos an. Oder auch nicht so harmlos. Nach einer Lesung in Bad Bevensen wird der Autor Armin Breddeloh tot in einem Teich aufgefunden. An der Stelle seiner Augen findet die Polizei Glasaugen und damit gleicht die Situation des Auffindens einer Szene aus einem seiner Heidekrimis. Die herbeigerufenen Kriminalbeamten sind erstmal ratlos. Obschon der Autor nicht übermäßig sympathisch war, scheint doch niemand einen Grund gehabt zu haben, eine solche Tat zu begehen. Der Fall wird noch rätselhafter als in kurzer Folge ein Autor von Regionalkrimis nach dem anderen ermordet wird. Und immer wieder werden Szenen aus den Büchern nachgestellt. 

Da sie mit dem ersten Fall befasst waren werden auch Kommissar Gerold Gerold und seine Kollegin Ute Fischer Mitglieder der Soko Heidefieber. Dabei lernen sie ein erstaunlich buntes Völkchen von Kriminalkommissaren und Kollegen aus den übergeordneten Behörden kennen. Diese geballte Ladung des kriminalistischen Wissens müsste doch dazu führen, dass der Täter in Null Komma Nichts gefasst wird. So einfach ist es allerdings nicht, denn unter den Koryphäen tummeln sich auch einige Koniferen. Und ein Autor nach dem anderen lernt seine eigenen Bücher auf eine sehr persönliche Art kennen. Eine Erfahrung, die sie nicht mehr teilen können.

Ganz gewiss satirisch oder ironisch ist diese Verballhornung des Genres der Regionalkrimis. Wie sehr man das mag, könnte vielleicht auch von der Sympathie abhängen, die man für die Regionalkrimis und ihre Autoren empfindet. Und auch daran, ob man dieses Hingemetzel der Krimischreiber und überhaupt die geringe Überlebensrate der handelnden Personen gutheißt. Es wirkt so ein wenig als habe der Schriftsteller deutlich machen wollen, wie man die Szene der Regionalkrimi-Schreibenden auch noch sehen kann, wobei seine Zitate aus den Romanen der Verstorbenen oder Versterbenden von plakativ niedriger Qualität sind. Was der Zweck dieses Buches sein soll bleibt ebenso ungewiss wie die Motivation des Täters. Denkt man sich einfach nicht allzu viel bei der Lektüre dieses Romans so hat man einen bissig unterhaltsamen Text in wohl absichtlich schlechter Schreibe mit manchmal kaum verständlichen Mundartbeigaben. Dass das Lesen dennoch so sehr vergnüglich ausfallen kann, ist eine sehr positive Überraschung.

4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Soko Heidefieber von Gerhard Henschel
ISBN: 978-3-455-00834-0



Sonntag, 17. Mai 2020

Wohnen kann tödlich sein


Die investigative Journalistin Susanne Mikula ist am Boden. Ihre Posttraumatische Belastungsstörung hat sie noch längst nicht überwunden und momentan flattert ihr nichts anderes ins Haus als Rechnungen, die sie nicht bezahlen kann. Ihre beste Freundin Iris überredet sie, sich auf eine Stelle in Hamburg zu bewerben. Da kann sie auch gleich ihre liebe Tante Martha besuchen. Wie kaum anders zu erwarten, läuft das Vorstellungsgespräch fürchterlich schief. Aber es verschafft Susanne eine Chance auf eine Stelle bei dem Wohnungskonzern StageBau. Von innen heraus soll Susanne die Machenschaften der Firma aufdecken.

Ob das klappen kann, wenn eine Firma die eigenen Leichen aus dem Keller hervorholen soll? Man mag es kaum glauben. Oder glauben die Herrschaften der Geschäftsleitung, bei ihnen gibt es nichts zu entdecken? Die Branche der Wohnungsgesellschaften ist keine, in der ein freundliches und friedliches Miteinander herrscht. Gerade in Hamburg ist die Lage angespannt. Alte Häuser sollen saniert oder abgerissen werden. Und alte Mieter sollen weichen, um einer Luxussanierung Platz zu machen. Auch eine Aufteilung in Eigentumswohnungen ist ein nettes Geschäft oder Abriss und Neubau verspricht ebenso Profit wie einfach brach liegen lassen. Da unternimmt der Unternehmer schon einiges, um lästige Mieter loszuwerden. Möglicherweise sticht Susanne Mikula in ein Wespennest.

Die eindringlichen Schilderungen des Verhaltens der Miethaie können schon an die Nieren gehen. Unglaublich, was sich vermeintlich renommierte Firmen alles einfallen lassen, um ihre unbescholtenen Mieter zum Auszug zu bewegen. Es ginge ja noch an, wenn der Wohnungsmarkt so wäre, dass sich problemlos eine Ersatzwohnung finden ließe. Aber so ist es nunmal nicht. Bezahlbare Wohnungen sind rar gesät, da hilft wohl auch keine Mietpreisbremse. Manchmal wechseln die Verdächtigen bei Susanne etwas zu schnell und ihre Selbstgespräche sind ein wenig gewöhnungsbedürftig. Doch insgesamt ist sie eine starke Frau, die zwar manchmal versucht ist, aufzugehen, die aber nicht aufgibt. Ein sehr spannendes Thema wurde hier sehr ansprechend und fesselnd aufbereitet. Das Buch packt nicht nur, es ist auch informativ und manchmal augenöffnend. 

4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Die Schlange von Martin Wehrle
ISBN: 978-3-7109-0069-3


Samstag, 16. Mai 2020

Das Tagebuch

Bei Jessica haben vorzeitig die Wehen eingesetzt und ihr Mann ist beruflich im Ausland. Verängstigt wendet sich Jessica an ihren Vater Harvey, der mit ihr ins Krankenhaus eilt. Die Geburt ist schwieriger als erwartet und auch ganz anders als erhofft. Die kleine Elisabeth ist ein perfektes Baby, allerdings bekommt sie gleich einen Infekt und muss behandelt werden. Jessica ist krank vor Sorge und ihre Reaktion fällt heftiger aus als normal. Sie verschwindet mit ihr er neugeborenen Tochter aus dem Krankenhaus. Auch Jessicas Mutter hatte nach der Geburt ähnliche Probleme und Harvey macht sich sofort auf die Suche nach seinem Kind.

In jeder Familie gibt es Geheimnisse. Und auch Jessicas Mutter hat ihr und ihrer Schwester nie alles erzählt. Vor der Geburt ihres Kindes hatte Jessica den Wunsch, von der Vergangenheit zu erfahren. Doch leider gab es nicht nur positive Neuigkeiten. Was ihre Mutter Rebecca ihr erzählt, ist nicht leicht zu verdauen. Die Mütter und Töchter der Familie haben sie nie leicht mit ihren Familien getan. Schon ihre Großmutter und Mutter Harriet hatte es nach dem Krieg sehr schwer. Ihr Mann war nach seiner glücklichen Heimkehr nie wieder der, der er vorher war. 

Diese mehrere Generationen umspannende Familiengeschichte wirkt am Anfang so als seien die Reaktionen zu heftig, doch je weiter man liest, desto mehr zieht sie einen in ihren Bann. Die Schicksale der Frauen so unterschiedlich sie auch sind, sie ähneln sich doch. In keiner Generation ist es nur leicht. Doch die Frauen entwickeln eine besondere Stärke, die sie vieles ertragen lässt. Doch erst muss auch noch das letze Geheimnis gelüftet werden, bis die Familie zusammenfindet und ihre Besonderheiten zu verstehen lernt. Mit ihren überraschenden Wendungen reißt die Story wirklich mit und offenbart, wie übel den Frauen früher mitgespielt werden konnte. Gerade der Ansatz der Handlung bildet einen Teil der Wirklichkeit ab. Froh macht es einen, dass gewisse Dinge heutzutage doch anders sind. Diese gefühlvolle Geschichte kann wärmstens empfohlen werden.

4,5 Sterne (🐳🐳🐳🐳+)

Die verlorene Frau von Emily Gunnis
ISBN: 978-3-453-27289-7


Mittwoch, 13. Mai 2020

Der Schwimmer

Seit seiner Kindheit nimmt Yu-jin Medikamente gegen diese Anfälle. Die Nebenwirkungen machen ihn fertig. Er hat häufig unerträgliche Kopfschmerzen. Kein Wunder, dass er auf die Idee kommt, die Medizin manchmal wegzulassen. Wenn nur seine Mutter das nicht immer merken würde und ihm schwere Vorwürfe machte. Doch er ist schließlich schon 26, da kann er doch selbst Verantwortung übernehmen. Und an diesem Abend ist er wieder mal raus geschlichen. Und das ist nicht gut ausgegangen, er war zumindest am Rande eines Anfalls und hat sich gerade noch heimgeschleppt. Nahezu bewusstlos hat er die Nacht verbracht.

Wie soll er mit der schrecklichen Entdeckung klarkommen, die er am nächsten Morgen macht. Wo er sich nicht mal an die letzte Nacht erinnert. Es ist schon beeindruckend, wie Yu-jin nach jedem Fetzen Erinnerung angelt, der in seinem Gehirn herumflattert. Er sucht nach dem, was tatsächlich passiert ist. Und er macht nicht halt. Eigentlich sucht er nicht nach einer Erklärung seiner eigenen Persönlichkeit, sondern eher nach einer Erklärung, wie es zu seiner Entdeckung kommen konnte. Dennoch erfährt er mehr über sich selbst als er jemals wissen wollte oder sollte. 

Über den Inhalt des Buches sollte man nicht zu viel enthüllen. Allerdings kann es sein, dass man das, was Yu-jin herauszufinden versucht, schon zu Beginn vermutet. Man weiß allerdings nicht, ob man recht hat und das macht einen großen Teil des Reizes dieses Romanes aus. Mit welchem detektivischen Eifer Yu-jin sich auf die Spuren einer unglaublichen Tat begibt. Immer tiefer gräbt er in seiner Vergangenheit, in seiner Seele, bis er sich schließlich quasi entblättert. Man verfolgt seinen Weg und denkt, da muss noch etwas sein. Entgegen der ersten Idee kann man dann auf die wildesten Gedanken kommen, um sich selbst zu widerlegen. Und dieses Spiel, welches die Autorin schließlich mit dem Leser spielt, macht schon Spaß. Ob sie tatsächlich jedem Satz ein psychologisches Thema eingehaucht hat oder ob sie einfach nur einen spannenden Thriller geschrieben hat, muss schließlich jeder selbst entscheiden.

4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

The good Son von You-jeong Jeong
ISBN: 978-0-1431-3195-3


Sonntag, 10. Mai 2020

Ein unbescholtener Mann

In einer Wohnung treffen die Psychologin Freya und Kommissar Huldar wieder mal zusammen. Freya soll einen kleinen Jungen abholen, der allein in der Wohnung sein soll. Und wie sich herausstellt, ist der gerade ermordet aufgefundene Helgi Besitzer der Räumlichkeiten. Helgi war alleinstehend, es ist daher erstmal unerklärlich, wie der kleine Junge dorthin kam. Siggi ist noch zu jung, um sich richtig erinnern zu  können. Auch der Mord gibt Rätsel auf. Als Investmentbanker war Helgi wohlhabend und ein unbeschriebenes Blatt. Am Abend seines Todes war er mit ein paar Freunden unterwegs, denen erst etwas später aufgefallen war, dass er verschwunden ist.

Es ist bereits das vierte Mal, dass Freya und Huldar die Klingen kreuzen, wobei ihre kleinen Geplänkel erfrischend friedlich ablaufen. Dafür wird Huldar umso mehr von seiner Chefin Erla und seiner neuen Kollegin Lína mit Beschlag belegt. Lína ist eine der ersten Studierten auf dem Revier und mit ihrem unerschöpflichen theoretischen Wissen eckt sie speziell bei Erla an. Besonders wenn sie recht hat. Das war auch schon am Fundort des Opfers so. Dort war die Untersuchung durch andere Umstände äußerst schwierig. Und wie so häufig passt am Anfang nichts zusammen.

In diesem Kriminalroman passt die Mischung wirklich. Ein sehr spannender Fall, mit dem ein brisantes Thema angepackt wird und in dem es immer wieder zu Überraschungen kommt. Dann die unterschwelligen Stimmungen auf der Wache, die Kollegen, die sich manchmal eher weniger gut verstehen und Huldar, der mit Ideenreichtum versucht den Kontakt zu Freya zu verbessern. Was so harmlos schien, entwickelt sich zu einem ausgeklügelten Rätsel, dem man als Leser nicht auf die Spur kommt. Man wird hineingesogen und gepackt und man muss einfach weiterlesen, bis man weiß, wie alles zusammenhängt. Hiermit zeichnet sich die Reihe wirklich aus und das angesprochene Thema lässt einen darüber nachdenken, wie Menschen miteinander umgehen. Es ist ein Buch, über dessen Handlung man nicht allzu viel verraten darf, die Offenbarungen, die auf den Leser warten, fesseln einfach dann am meisten, wenn sie jeder selbst entdecken kann.

4,5 Sterne (🐳🐳🐳🐳+)

Abgrund von Yrsa Sigurdardóttir
ISBN: 978-3-442-75847-0


Samstag, 9. Mai 2020

Fingerübungen

Das Leben besteht aus Veränderungen. Flavia de Luce wird endlich eine ihrer Schwestern los. Feely heiratet ihren Dieter. Überraschend ist Flavia nicht so glücklich darüber. Dennoch bekommen die Brautleute ein schönes Fest und fast das ganze Dorf ist da. Mrs. Mullet hat ist größte Mühe mit dem Hochzeitskuchen gegeben. Wie fürchterlich für Feely: als sie endlich den Kuchen anschneiden will, trifft das Messer auf einen menschlichen Finger. Zum Glück bekommen die Gäste nichts weiter mit. Feely und Dieter entschwinden auf die Hochzeitsreise. Flavia, die mit dem ehemaligen Gärtner eine kleine Detektei gegründet hat, muss einfach herausfinden, wie der Finger in den Kuchen kam.

Im zehnten Band um Flavia de Luce bekommt die junge Dama so langsam die Pubertät zu spüren. Zwar ist sie immer noch ein Mastermind, doch Undine steht ihr wohl nicht mehr in vielem nach. Und Dogger scheint mit dem Detektivbüro seine wahre Bestimmung gefunden zu haben, er entwickelt ganz erstaunliche Fähigkeiten. Flavia und er ergänzen sich gut und sie sind sehr angetan, denn sie haben einen echten ersten Fall. Eine Dorfbewohnerin hat sie tatsächlich engagiert, um ein Rätsel zu lösen. Bei ihren Nachforschungen kommen die beiden Detektive noch einer ganz anderen unglaublichen Sache auf die Spur.

Ach, mit Flavia und Dogger könnte es ewig weitergehen. Mit seinem speziellen Stil und seinen speziellen Helden vermag der Autor immer wieder zu begeistern. Man spürt nun Flavias eigene Veränderung und auch die Veränderungen in ihrem Leben. Endlich mal bewegt sie sich in weniger unsicheren Gefilden. Doch ihr Geist braucht Beschäftigung und so fahndet sie mit ihrem Wissen nach Zusammenhängen, nach chemischen Zusammensetzungen. Auch wenn man als Leser gerade von der Chemie gerade auch auf Englisch nicht alles versteht, so beschreibt der Autor ihre Gewissenhaftigkeit und Akribie so liebenswert, dass man einfach immer weiterlesen möchte. Der Fall wird im Zeichen von Flavias persönlicher Entwicklung beinahe zur Nebensache, dennoch möchte man diese sympathische Heldin nicht missen. Es heißt, dass dieser Band der Reihe der Letzte sein soll, von den lieb gewonnenen Protagonisten Abschied nehmen zu müssen, fühlt sich irgendwie nicht richtig an.

4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

The golden Tresses of the Dead von Alan Bradley
ISBN: 978-0-345-54004-1

Freitag, 8. Mai 2020

Vergessenes Kind

Angie Gennaro und Patrick Kenzie sind ein Paar. Gleichzeitig sind sie auch im Job ein Team. Als Privatdetektive haben sie sich einen Namen gemacht. Dennoch zögern sie, den neuen Fall anzunehmen. Die vierjährige Amanda wurde entführt und sie ist schon so lange verschwunden, dass die Hoffnung langsam schwindet. Ihre Tante Beatrice und deren Mann Lionel sehen bei den Ermittlungen der Polizei nicht, dass es vorangeht, deshalb bitten sie die Detektive inständig, sich des Falles anzunehmen. Angie und Patrick haben ein schlechtes Gefühl bei dem Fall. Nicht die Mutter hat sie beauftragt, sondern die Verwandten. Doch es geht um Amanda.

Zum Wohle des kleinen Mädchens übernehmen die Detektive die Suche. Amandas Mutter scheint nicht viel im Kopf zu haben, besonders keine Sorge um ihr kleines Kind. Hat sie die Kleine überhaupt richtig beaufsichtigt? Und viel wichtiger noch, hat sie sich im rechten Maß um ihr Kind gesorgt? Je mehr Angie und Patrick über die Mutter erfahren, desto mehr fragen sie sich, ob Amanda woanders nicht besser aufgehoben wäre. Wurde sie allerdings von schlechten Menschen entführt, muss sie möglichst schnell gefunden werden. Zum Glück finden Angie und Patrick einen guten Draht zu den Polizisten, die für den Fall zuständig sind. 

Man braucht bei manchen Szenen und Entwicklungen in diesem Thriller schon gute Nerven und man muss die deutlichen Beschreibungen einiger Ereignisse ertragen können, dann hat man einen sehr guten Roman, in dem eine Lanze für die vernachlässigten Kinder gebrochen wird. Sie erhalten normalerweise sicher nicht genug Aufmerksamkeit. Es ist ein Fall, der an die Nieren geht. Da geht es dem Leser nicht anders als den Ermittlern. Man fragt sich, womit den Kindern am besten geholfen wäre und fühlt sich hilflos, weil man nicht wirklich etwas tun kann. Dabei schafft es der Autor mehrfach, falsche Fährten zu legen und mit Überraschungen aufzuwarten. Deutlich wird dabei, auch wenn ein Fall durchdrungen ist, bleibt nicht immer ein Ergebnis, dass alle zufrieden stellt. Dennoch bietet dieser Thriller eine sehr packende Story.

4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Gone Baby Gone von Denis Lehane
ISBN: 978-3-257-30045-1

Montag, 4. Mai 2020

Unzerstörbar

Nach dem letzten Kampf ist Sidney Victor zur Hilfe geeilt. Sie hat ihm geholfen, aber sie hat auch etwas kaputt gemacht. Victor ist nicht mehr der Alte und es wird immer schlimmer. Sidney hat Angst um ihn und sie fühlt sich auch schuldig. In Merit erliegt Marcella einem Brandanschlag ihres Mannes, oder eher sie erliegt fast. Als sie wieder zu sich kommt, ist sie stinkwütend. Ihr Mann muss ihre Rache fürchten, er weiß es nur noch nicht. Eli Ever, der wirklich unzerstörbar ist, muss dies in seinem Gefängnis immer wieder unter Beweis stellen. Bis Agent Stell ihn von seinem Peiniger befreit, nur um ihn hinter noch dickere Wände zu stecken.

Mit ihrer etwas ungewöhnlichen Erzählung in der Zeitabfolge zieht die Autorin ihre Leser auch im zweiten Band um die Extraordinären in den Bann. Eine ganze weile musste man darauf warten, wie es mit Victor, Sidney und Eil weitergeht. Ihnen allen ist es nicht ganz so gut ergangen. Doch immer noch suchen sie nach weiteren Extraordinären. Ihre Ziele sind allerdings unterschiedlich. Marcella will einfach nur Macht, egal wer auf ihrem Weg dorthin sein Leben verliert. Victor und Eli sind auf der Jagd nach ihresgleichen, ihre Motivation könnte allerdings unterschiedlicher kaum sein. Und Sydney sehnt sich nach ihrer Familie.

Außergewöhnliche Menschen in einer eigentlich ganz normalen Welt. Sie fallen auf und von denen, die sie jagen, werden sie kaum als Menschen angesehen. Was sie wie es so oft geschieht zu Aussätzigen und Gejagten macht. Allerdings sind sie so unterschiedlich mit ihren besonderen Fähigkeiten, dass sie sich kaum verbünden können. Eine begeisternde, aber auch düstere Story entspinnt sich um die Extraordinären. Ihr Leben ist nicht leicht. Und Marcella, die Rächerin, setzt noch mehr aufs Spiel. Sie hat doch ein paar Verbündete um sich geschart und sie ist so unerschrocken. Mit ihrer Frechheit kann sie eigentlich nur gewinnen. Ein wenig bewundert man sie und wünscht ihr mehr Selbstbeherrschung. Auch wenn die erste Überraschung weg ist und der Schluss hoffen lässt, der nächste Band möge versöhnlicher für die Extraordinären sein, so packt dieser Roman mit seinem ungewöhnlichen Aufbau und seinen besonderen Helden.

4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Vengeful - Die Rache ist mein von V. E. Schwab
ISBN: 978-3-10-491118-2


Samstag, 2. Mai 2020

Nach dem Krieg

Dezember 1918 - der Krieg ist vorbei. Doch in dem kleinen Eifeldorf Kirchbach sind die Kriegsfolgen deutlich zu spüren. Viele der jungen Männer sind gefallen oder vermisst, die Heimkehrer sind nicht mehr so wie sie waren. Agnes Papen, die als Kriegsberichterstatterin an der Front war, besucht ihren erkrankten Onkel. Sie sehnt sich in die Stadt zurück und sucht nach einem Job als Fotojournalistin. Der junge Franz hat noch etwas von einem Abenteurer und als er in der Nähe des Ortes eine Leiche findet, will er unbedingt erforschen, was weiter mit dem Toten geschieht, deshalb behalt er seinen Fund für sich.

Fast alle Einwohner des Dorfes sind in irgendeiner Form vom Krieg gezeichnet. Entweder haben sie liebe Menschen verloren oder selbst viel erlitten. Fast glücklich sind beinahe die, die entweder zu jung oder zu alt waren, um direkt in den Krieg gezogen zu werden. Doch auch die Wirtschaft liegt danieder, die Menschen haben nicht viel. Sogar dem Krämer fehlt es an Ware, weil sein Lieferant nicht kommt. Die Stimmung ist gedrückt und wenn es auf einem Hof mal besser gehen könnte, so sind die Besitzer doch missgünstig und geizig. Sie teilen nicht, sondern nehmen sich eher noch Frechheiten heraus gegenüber ihren Untergebenen.

Es ist eines dieser Bücher, die sehr überzeugend darstellen, dass die Folgen eines Krieges so schwer sind, dass sich niemand einen Krieg wünschen kann. Anhand eines kleinen Dorfes werden die Auswirkungen sehr eindringlich dargestellt. Bei manchen Menschen scheint diese Zeit das Schlechteste hervorgeholt zu haben. Und Heimkehrer leiden unter vielfältigen Störungen, womit die Familien häufig überfordert sind. Da freut man sich schon fast, wenn einige Menschen noch halbwegs normal geblieben sind und einiges an Initiative behalten haben. Es ist zu hoffen, dass ihnen die Zukunft gehört. Gepackt verfolgt man die Ereignisse im Dorf und ist sprachlos ob der teilweise herrschenden Gewalt. Dem Autor ist es wirklich gelungen, die düstere Stimmung nach dem Krieg nachzuzeichnen. Von Erleichterung ist da noch nicht viel zu spüren. Der überraschende Schluss schockiert zusätzlich. Dieser Roman mahnt, Frieden ist ein wertvolles Gut.

4,5 Sterne (🐳🐳🐳🐳+)

Heldenflucht von Jan Kilman
ISBN: 978-3-453-43837-8