Sonntag, 29. November 2020

Symbole

Nach dem Studium bekommt der junge Doktorand aus Argentinien die Gelegenheit seine Studien in Oxford fortzusetzen. Dort fühlt er sich gut aufgenommen, die Professorin hat ihm ein kleines Apartment bei den Eagletons besorgt. Die kleine Familie besteht aus der freundlichen Großmutter und ihrer Enkelin. Mrs. Eagleton liebt Scrabble und auch der junge Doktorand wird bald auf ein Spiel eingeladen. Doch schon kurz nach seiner Ankunft findet er Großmutter Eagleton tot auf. Dass er den großen Mathematiker Seldom vorher auf der Türschwelle der Eagletons getroffen hat, ist nur ein schwacher Trost. Als Seldom jedoch eine geheimnisvolle Nachricht erhält, bekommt der Todesfall etwas Besonderes.


Der Professor und sein Lehrling ermitteln, eine klassische Krimiausgangslage, die nicht unbedingt neu ist, die aber immer wieder einen Reiz bietet. Welches Geheimnis umgibt den Tod der alten Frau, die an den Rollstuhl gefesselt war. Was hat die Nachricht zu bedeuten, die der Professor erhalten hat. Da sich die beiden Ermittler in Logiker- und Mathematikerkreisen bewegen, wollen sie ihre Gedanken und Vermutungen auch logisch und mathematisch angehen. Die Nachricht könnte bedeuten, dass der Täter mit ihnen kommunizieren will. Das jedoch deutet darauf, dass der Mord an der alten Dame viellicht die erste Tat war, aber vermutlich nicht die letzte.


Auch wenn man selbst nicht so viel von Mathematik versteht, ist dieser Roman sehr ansprechend und spannend. Einige Begriffe werden im Roman selbst oder auch in dem kleinen Glossar am Ende des Buches erklärt. Vielleicht ist die Handlung ein Beispiel für Ockhams Rasiermesser, dies wäre sie dann aber sehr ansprechend und doch so verwickelt, dass man den Überlegungen der Hobby-Detektive, die mit der Polizei zusammenarbeiten dürfen, gerne folgt. Dabei bleiben die Persönlichkeiten des Doktoranden und seines Professors angenehm im Hintergrund. Mehr geht es um das Konstrukt der Todesfälle, mit denen die geheimnisvollen Nachrichten verbunden sind. Und so kommt dieser klassische Kriminalroman gleichzeitig ruhig und fesselnd daher. Kann es einen perfekten Mord überhaupt geben? Man wüsste es nur, wenn bekannt wäre, wie viel Morde unentdeckt bleiben. Ein Ding der Unmöglichkeit. In diesem ansprechenden Roman lässt sich hervorragend über die Möglichkeiten grübeln.


4 Sterne


Die Oxford-Morde von Guillermo Martínez

ISBN: 978-3-8479-0847-4


 

Samstag, 28. November 2020

Das ist der Punk

Sie haben von den Sex Pistols gehört und einigen anderen und sie denken, machen wir es doch auch so. Der Punk drückt etwas aus, nicht nur im Westen. Auch in der DDR des Jahres 1985 kann der Punk leben. Doch die noch ungeformte Gruppe junger Leute verliert einen der ihren. Melchior Nikoleit wird ermordet aufgefunden. Otto Castrup und seine Kollegen von der Morduntersuchungskommission werden beauftragt, herauszufinden, wieso der junge Mann umgebracht wurde. Bei seinem Vater handelt es sich um einen Händler, der auch Geschäfte mit dem Westen macht. 


In diesem zweiten Fall um die Morduntersuchungskommission bekommt es Oberleutnant Otto Castrup wieder mit einem Fall zu tun, der auf den ersten Blick unverständlich wirkt. Wieso hätte jemand diesem jungen Menschen umbringen wollen. Dass dieser Gefallen an einer westlichen Musikrichtung fand, kann irgendwie nicht der Grund sein. Selbst wenn der Staat seine Bürger gerne bis ins Kleinste lenken möchte, kann so eine Vorliebe doch nicht mehr als leichte Repressalien hervorrufen. Oder hat es etwas damit zu tun, dass Melchior Nikoleit von der Stasi angesprochen wurde? Doch nicht nur der Fall, von dem Castrup langsam das Gefühl bekommt, auch die Ermittlung wird von anderer Seite beeinflusst, beschäftigt Otto, auch in seiner Familie hat er mit Problemen zu kämpfen.


So wie manchmal eine Hörbuchinterpretation einem Roman etwas Besonderes geben kann, so kann manchmal auch eine Printausgabe mehr überzeugen. In der gedruckten Fassung kann man sich die verschiedenen Perspektiven sehr gut vor Augen führen. Man bekommt einen Einblick in die Polizeiarbeit in der DDR, der sehr authentisch wirkt. In einem Staat, in dem es eigentlich keine Verbrechen geben konnte, weil der Staat an sich ideal war, müssen doch schlimme Taten aufgeklärt und Täter ihrer Strafe zugeführt werden. Mühsam tasten die Ermittler sich voran, um am Schluss etwas plötzlich vor einem Ende zu stehen, dass wenig Aufklärung bietet. Hier kann eine Fortsetzung eigentlich nur direkt ansetzen, um dem Leser ein Gefühl der Vollständigkeit zu geben. Davon abgesehen besticht dieser Krimi mit seiner Unaufgeregtheit und der mit großem Geschick eingeflochtenen immer gegenwärtigen politischen Komponente.


4 Sterne


Morduntersuchungskommission Der Fall Melchior Nikoleit von Max Annas

ISBN: 978-3-498-00133-9




Freitag, 27. November 2020

Windsänger

Ein gewaltiger Schneesturm zieht auf, es ist eiskalt in Aeland und Grace Hensley weiß nicht, wie sie das Unheil aufhalten soll.  Mit einer Delegation macht sie sich auf nach Kingston, um das Schlimmste zu verhindern. Gemeinsam mit ihrem Bruder Miles will sie vergangenes und laufendes Unrecht aufklären und nach Möglichkeit wieder gut machen. Denn nur so können sie die nötige Hilfe bekommen, um ihre Heimat zu retten. So ganz nebenbei will Grace noch die Geschicke des Landes lenken und einen geheimnisumwitterten Todesfall aufklären. Die Journalistin  Avia Jessup ist auf der Spur in die dunkle Vergangenheit des Landes und gerät bei ihren Nachforschungen in Gefahr.


Bei diesem zweiten Teil der Kingston Trilogie haben Grace Hensley und ihr Bruder Miles etliche Schwierigkeiten zu überstehen. Miles ist noch geschwächt und dennoch hilft er Grace, wann immer er kann. Grace, die zur Kanzlerin des Reiches gewählt wird, muss mit Diplomatie und Schläue vorgehen. Sie will aus ihrer Heimat ein besseres Land machen und sie muss feststellen, dass durchaus nicht jeder sie dabei unterstützen möchte. Die Intrigen der anderen muss Grace schnell durchschauen und auch sonst muss sie immer einen Schritt schneller sein als ihre Widersacher. 


Die im ersten Band so schön komponierte Mischung zwischen Kriminalfall und Fantasy-Story wird man in diesem zweiten Band möglicherweise vermissen. Dennoch sind die Ränkeschmiede und politischen Intrigen in diesem Fantasy-Epos fesselnd beschrieben. Und auch die privaten Beziehungen der Protagonisten geben dem Roman eine Besonderheit, die das Buch von der Masse abhebt. Als zweiter Teil muss dabei eine Brücke zum nächsten Band gebildet werden, wobei ein gewisser Themenkreis abgeschlossen wird, aber genug Neugier geweckt wird, um dem Abschluss entgegenzufiebern. Dies ist gut gelungen. Mit einer spannenden Geschichte und ungewöhnlichen Verwicklungen überzeugt die Autorin und als Leser kann man sich fast nicht mehr wünschen.


4 Sterne


Stormsong von C.L. Polk

ISBN: 978-3-608-12017-2





Sonntag, 22. November 2020

Die liebe Familie

Seit zwei Jahren sind die Uni-Professoren Rachel Chu und und Nick Young ein Paar. Zwar war noch nicht von Heirat die Rede, aber zum Sommer lädt Nick Rachel nach Singapur ein, um seine Familie kennenzulernen. Nick ist Trauzeuge bei der Hochzeit seines besten Freundes Colin und Rachel soll ihn begleiten. Rachel ist nicht ganz sicher, ob das eine gute Idee ist, schließlich kommt sie doch gerne mit. Allerdings verläuft die Reise etwas anders als erwartet, denn die Kreise, in denen Nick in seiner Heimat verkehrt, sind anders. Um nicht zu sagen, Nicks Freunde und Familie sind reich, stinkreich.


Rachel ahnt nicht, wohin die Reise geht. Nick ist ein Meister des Unterstatements. Er ist mit seinem Reichtum so selbstverständlich aufgewachsen, dass er sich nicht einmal als reich empfindet. Vielleicht hätte er Rachel doch vorwarnen sollen. Natürlich weiß Nicks Mutter schon Bescheid bevor Rachel ankommt. Allerdings hat sie nicht durch Nick von Rachel erfahren. Und so beginnt die Gerüchteküche zu kochen und Intrigen werden gesponnen. Da auch Nicks Familie nicht vorbereitet ist, glaubt besonders seine Mutter, Rachel kann nur auf das Geld aus sein. Und so eine Goldgräberin hat in der elitären Familie Young nichts zu suchen.


Wie schnell sich Nachrichten verbreiten, die eigentlich noch garnicht für die Öffentlichkeit (besonders die Eltern) bestimmt sind, weiß eigentlich jeder, der auf dem Dorf lebt. Das scheint in Asien nicht anders zu sein als in jeder anderen Welt, auch wenn hier das Dorf geringfügig größer ist. Wenn dann auch die Familie nicht mit dem Partner ihres Sprosses einverstanden ist, sind Schwierigkeiten vorprogrammiert, besonders wenn alle denken, aber keiner offen spricht. Über diese unterschwelligen Schwingungen in der Familie berichtet der Autor auf sehr amüsante, teilweise bissige, aber teilweise auch anrührende Weise. Irgendwie sind die Reichen auch nur Menschen mit Wünschen und Gefühlen, die für ihre Kinder nur das Beste im Sinn haben, auch wenn sie manchmal etwas übergriffig sind. Die schräge Welt der „Crazy Rich Asiens“ ist wie ein exaltierter Spiegel, der einige Erkenntnisse bietet, wenn man sich traut hineinzublicken.


4 Sterne


Crazy Rich Asians von Kevin Kwan

ISBN: 978-0-804-17158-8

Ein Streich

Seit einem Jahr ist Blair Harbour wieder draußen. Sie wurde wegen Mordes verurteilt. Ihr schönes Leben als wohlhabende Ärztin ist vorbei. Ihren Sohn Jamie musste sie zu Pflegeeltern geben. Dabei ist sie doch ein guter Mensch. Deshalb ersetzt Blair das Geld, dass eine junge Frau aus der Kasse klaut. Und auch den Diebstahl ihres klapprigen Autos nimmt sie hin. Umso erstaunter ist Blair als ihre ehemalige Zellengenossin Sneak sie aufsucht. Deren Tochter ist verschwunden und Blair soll bei der Suche helfen. Derweil hat die Polizistin Jessica Sanchez Probleme mit den Kollegen. Die Fähigkeiten der gewieften Beamtin erwecken Neid.


Diesmal lässt die Autorin die Akteure in Los Angeles aufeinander treffen. Ob sie plant aus diesem Treffen eine Reihe zu machen, kann nicht eindeutig gesagt werden, erscheint aber möglich. Hier jedenfalls begegnen sich sehr unterschiedliche Protagonistinnen in sehr unterschiedlichen Lebenssituationen. Kaum zu glauben, dass sie alle das hehre Ziel verfolgen, die Verschwundene zu finden. Genau genommen wollen sich nichtmal etwas miteinander zu tun haben. Letztlich können sie sich dem nicht entziehen. Sneak hat ihre Tochter erst vor kurzem kennengelernt. Ein tolles Mädchen, das in letzter Zeit auf Abwege geraten zu sein scheint. Sneaks Persönlichkeit ist nicht unbedingt einfach, aber ihre Tochter will sie unbedingt retten.


Wenn man die besonderen Thriller von Candice Fox generell mag, wird man auch von ihrem neuen Roman angetan sein. Die Autorin versteht es, schräge Charaktere sympathisch erscheinen zu lassen. Manchmal ist es dabei nicht so einfach, gut und böse zu unterscheiden. Man muss immer damit rechnen, dass etwas Unerwartetes geschieht. Man sollte sich nicht zu sehr darauf verlassen, dass das Gute immer da liegt, wo es die übliche Annahme vermuten würde. Bei diesem Roman handelt es sich um einen spannenden Thriller, der durchaus einige brutale Szenen aufweist. Dies passt zur Handlung. Wichtiger und packender ist das Streben der Frauen nach der Wahrheit und letztlich doch nach dem Guten. 


4 Sterne


Dark von Candice Fox

ISBN: 978-3-518-47101-2




Freitag, 20. November 2020

Das Restaurant

Die ungleichen Zwillingsschwestern Zara und Zoë müssen einen gemeinsamen Weg finden. Zara von Hardenberg, die bei einer geheimen europäischen Polizeieinheit arbeitet, fürchtet, es könne ein Anschlag drohen. Doch sie selbst sieht sich nicht in der Lage, harte Maßnahmen zu ergreifen. Die einzige Möglichkeit scheint zu sein, mit ihrer Schwester die Rolle zu tauschen. Diese ist die Fürstin, eine Patin der korsischen Mafia und wesentlich weniger skrupellos. Doch Zara muss einfach ausnutzten, dass kaum jemand weiß, dass sie eine Zwillingsschwester hat. Doch wie wird sich Zara in Zoës Haut behaupten?


Nachdem sich die Schwestern im ersten Band der Reihe erst wieder gefunden hatten, wird ihre Beziehung im zweiten Band auf eine Probe gestellt. Der Rollentausch ist alles anders als einfach, schließlich bewegen die beiden Frauen sich in sehr unterschiedlichen Umgebungen, allerdings unter Menschen, die alles andere als dumm sind. So leicht kann die Täuschung nicht gelingen. Und doch, ein Anschlag muss einfach verhindert werden. Zu viele Menschenleben stehen auf dem Spiel. Letztendlich begeben sich Beide in Gefahr und es steht keinesfalls fest, dass sie erfolgreich sein werden.


Während im ersten Band sehr schön beschrieben ist, wie sich die Schwestern wieder annähern und gleichzeitig für Zara ein Fall zu lösen ist, entsteht im zweiten Band etwas der Eindruck, dass die innere Linie fehlt. Beruhend auf einem Albtraum, wird eine Maschinerie in Gang gesetzt, die sehr ungewöhnlich ist. Wie Erkenntnisse zustande kommen, bleibt hin und wieder im Ungewissen. Auch wie eng Vertraute sich von den Schwestern narren lassen, ist manchmal schwer nachzuvollziehen. Einige Fragen werden nicht immer einleuchtend erklärt und einige Ereignisse erscheinen unnötig. Vielleicht sind das Ansätze für einen Folgeband, aber dadurch wird diesem Roman der Zusammenhalt genommen. Und ob die Schwestern in dieser Richtung weitergehen müssen, nun ja. Dieser szenische Thriller ist zwar nicht ganz so packend wie der erste Band, aber doch rasant und spannend geschrieben.


3 Sterne


Tödliche Zwillinge - Zara und Zoe von Alexander Oetker

ISBN: 978-3-426-30767-0




Mittwoch, 18. November 2020

Madame Katze

Karins Mann Jens ist nach über 50 Jahren Ehe plötzlich verstorben. Für Karin und ihre drei Töchter ist die Welt nicht mehr wie sie war. Jens  fehlt in jedem Moment. Karin bringt es nicht fertig, ihre Gefühle auszudrücken. Doch Jens hat vor seinem Tod einen Auftrag an Imke erteilt. Imke war immer die Tochter, die keine Probleme gemacht hat. Sie ist genau die Richtige für die Aufgabe. Geli, selbst schon verwitwet, ist gerade dabei, eine neue Beziehung aufzubauen. Und mit Anne liegen alle irgendwie im Clinch oder Anne ist es, die allen unterstellt, sie wollten ihr nichts Gutes.


Imkes Aufgabe erweist sich als spannend, aber auch schwierig, denn sie muss tief in die Vergangenheit ihrer Mutter dringen. Eine Vergangenheit, über die Karin am liebsten schweigt. Was kann damals nur geschehen sein, dass es Imkes Mutter verstummen lässt. Imkes Schwestern sind doch eher mit sich selbst beschäftigt. Geli musste den Tod ihres Mannes verwinden und auch Anne hat einen schlimmen Rückschlag hinnehmen müssen. Doch ihr Mann will sie bei einem Neuanfang unterstützen. Die Leere nach dem Tod ihres Mannes bringt Karin jedoch dazu, sich ihren Erinnerungen anzunähern. Und so machen sich Imke und Karin von unterschiedlichen Ausgangspositionen auf, um die Geheimnisse aus der Vergangenheit ans Licht zu bringen.


Wie sie selbst schreibt, ist die Autorin durch ein Buch inspiriert worden. Wenn man dieses Buch kennt, wird man gleich eine positive Einstellung vom vorliegenden Roman finden. Auch wenn sich einiges an Annes Charakter nicht erschließt, so wird dieses kleine Manko durch die Schilderung von Imkes Suche und den Erinnerungen von Karin wettgemacht. Imke lässt nicht locker und Karin wagt es schließlich, sich der Vergangenheit zu stellen. Eine Kindheit in den 1950ern kann durchaus leichte Momente gehabt haben, wie auch Karin zum Glück erfahren hat, allerdings konnten aus heutiger Sicht Kleinigkeiten schwerwiegende Folgen haben. Die dramatischen Ereignisse sind mitreißend zu lesen und mitunter denkt man, das kann doch nicht sein. Der Roman ist fesselnd geschrieben und wie Karin selbst sagt, ist sie am Ende so klar wie schon lange nicht mehr. Mit Karin und Imke hat die Autorin fesselnde Persönlichkeiten geschaffen, deren Geschichte ausgesprochen lesenswert ist.


4 Sterne


Die Schweigende von Ellen Sandberg

ISBN: 978-3-328-10485-8




Sonntag, 15. November 2020

Graue Nebel

In New York versuchen die Cops, dem Verbrechen Herr zu werden. Eine Aufgabe, die unmöglich zu lösen ist. Als jedoch das Gerücht umgeht, die Gangster Mickey O’Shay und Jimmy Kahn planten eine große Sache, versuchen die Polizisten einen Agenten bei den Verbrechern einzuschleusen. John Mavio übernimmt die Aufgabe, obwohl er eigentlich besser bei seiner schwangeren Frau und seinem schwerkranken Vater bliebe. Doch das Verbrechen nimmt auf private Belange keine Rücksicht und John schleust sich in die Kreise der Gangster ein. Dabei kommt ihm zu pass, dass er in der Gegend aufgewachsen ist.


John Mavio und sein Kollege Bill Kersh versuchen, die Verbrecher dingfest zu machen. Das erweist sich als schwieriger als gedacht, denn die Ganoven sind wirklich eiskalt und abgebrüht. Sie denken nur an ihren Vorteil und sie schrecken vor nichts zurück. Ihnen mangelt es an Empathie und Respekt. Will John weitere Verbrechen verhindern, muss er sich O’Shay und Kahn annähern und auch in Teilen auf ihre Ebene begeben. Eine Gratwanderung, um die ihn niemand beneidet. Doch kann John dabei übers Ziel hinausschießen? Er merkt, dass er sich von seiner Familie entfernt und er sehnt das Ende des Einsatzes herbei.


Dieser düstere Thriller zeichnet ein Bild von New York, dass dem üblichen Touristen wohl eher unbekannt bleibt. Dunkle Gassen, schmierige Spelunken, brutale Verbrecher, grausame Taten - keine ganz leichte Lektüre, wobei man sich einige Szenen wirklich nicht bildhaft vorstellen möchte. Gut hervorgebracht wird John Mavios innere Zerrissenheit, die im Verlauf seines Undercovereinsatzes immer deutlicher zutage tritt. Sein beruflicher Einsatz scheint immer wichtiger, aber auch gefährlicher zu werden. Auch wenn die Entwicklung der Handlung besonders zu Beginn etwas langsam wirkt und man bei der Lektüre der ungeschminkten Beschreibungen manchmal schlucken muss, ist hat man doch einen spannenden Thriller über die dunkle Seite New Yorks.


3,5 Sterne


Shamrock Alley von Ronald Malfi

ISBN: 978-3-9583-5273-5


Samstag, 14. November 2020

Der richtige Ort

Marisols geliebte Großmutter Elisa ist plötzlich verstorben. Marisol ist untröstlich, denn ihre Großmutter hat immer davon geträumt, in ihre Heimat Kuba zurückzukehren. Nun bleibt Marisol nur noch, Elisas letzten Wunsch zu erfüllen. Sie will die Asche ihrer Großmutter an einem geeigneten Ort auf Kuba verstreuen. Im Jahr 2017 hat sich Kuba gerade etwas geöffnet und Marisol als Amerikanerin darf in Kuba einreisen. Zum ersten Mal betritt Marisol die heimatliche Erde ihrer Vorfahren und erfährt von einem ganz anderen Leben ihrer Großmutter, dass sich mit der Flucht im Jahr 1959 jäh und extrem veränderte. Marisol lernt ihre Großmutter noch einmal völlig neu kennen.


Nachdem sich die Beziehungen zwischen Kuba und Amerika wieder etwas normalisierten, ist es für Marisol möglich, nach Kuba zu reisen. Die junge Frau ist als Journalistin tätig und sie möchte über das Land als Urlaubsziel berichten. Gleichzeitig versucht sie, mehr über ihre Großmutter zu erfahren, für die Kuba immer ein Sehnsuchtsort geblieben ist. Marisol bekommt die Gelegenheit, tiefer in das Leben ihrer Großmutter einzutauchen als sie es je für möglich gehalten hätte. Sie erfährt, dass Elisa in ihrer Jugend eine schwere Zeit erleben musste. Die Zeit der Revolution ist an der wohlhabenden Familie Perez nicht spurlos vorbeigegangen.


Der Roman ist auf zwei Zeitebenen angesiedelt. Zum einen beleuchtet er Elisas Leben im Havanna von 1958, zum anderen wird von Marisols Reise im Jahr 2017 berichtet. Zwei unterschiedliche Frauen, die sich doch so nah waren. Marisols Trauer und ihr Wunsch, ihre Großmutter besser zu verstehen, gehen einem sehr nahe. Und auch die dramatischen Ereignisse in Elisas Leben sind ergreifend geschildert. Sowohl Elisa und Marisol sind ganz da. Zwei Frauenschicksale, anhand derer man in die Geschichte Kubas eintauchen kann. Zwar wirkt der Schluss etwas bemüht, aber ansonsten ein wunderbarer Roman, der einem ein fremdes Land ein Stück näher bringt. Und die Erkenntnis, dass man mit langsamen aber stetigen Reformen vielleicht mehr erreicht als mit gewalttätigen Revolutionen, kann gerne uneingeschränkt bestätigt werden. 


4 Sterne


Next Year in Havanna von Chanel Cleeton

ISBN: 978-0-399-58668-2


Hier ein Bild von der deutschsprachigen Ausgabe




Donnerstag, 12. November 2020

Kindermord

Als er noch ein Kind war, hat Robert Lindström seinen Freund Max umgebracht. So lautet jedenfalls das Ergebnis der Untersuchung der Polizei. Robert war noch nicht strafmündig und wurde deshalb nicht verurteilt. Doch sein ganzes Leben ist geprägt von der Tat. Als Erwachsener funktioniert er, aber viel Freude im Leben hat er nicht. Als die Journalistin Lexa ihn um ein Interview bittet, ist er in heller Aufregung. Sie will ein Buch über seinen Fall schreiben und sie zweifelt an seiner Täterschaft. Um die selbe Zeit wird ein Mädchen tot aufgefunden. Und Robert hat sich in der Nähe des Fundorts aufgehalten. Kommissar Carl Edson schöpft Verdacht.


Zum zweiten Mal ermittelt Carl Edson und wieder bekommt er es mit einem verwickelten Fall zu tun. Der Verdacht auf Robert drängt sich auf, aber kann es auch noch andere Verdächtige geben? Unklar ist, was mit dem Mädchen geschehen ist, nachdem ihre Eltern sie vermisst haben. Und warum hat sich Lexa gerade Roberts Fall ausgesucht, um darüber zu berichten. Schließlich hat Robert immer behauptet, dass er sich nicht an seine Tat erinnern kann und so kann er eigentlich keine großen Auskünfte geben. Und sehr auskunftsfreudig wirkt er auch nicht.


Wie auch im ersten Band um Carl Edson legt der Autor sehr viel Wert auf die Schilderung der Lebensumstände des vermeintlichen Täters. Das führt zu dem Eindruck, dass die Ermittlungen manchmal am Rande nebenher laufen und Carl Edson als Person sehr neutral wirkt. Dennoch packt einen die Frage, ob Robert damals wirklich der Täter war. Und natürlich will mal wissen, wieso das Mädchen umgebracht wurde. Das Buch ist sehr verschachtelt und spielt auch auf verschiedenen Zeitebenen. Führt man sich das Hörbuch, das sehr ansprechend vorgetragen wird, zu Gemüte, muss man schon sehr genau aufpassen, um jeden Wechsel mitzubekommen. Dennoch ist es interessant und spannend nach und nach die verschiedenen Schichten der Story zu durchdringen. Für mich war dieser zweite Teil etwas fesselnder als der erste.


4 Sterne


Spiele von Bo Svernström

ISBN: 978-3-7324-5378-8




Dienstag, 10. November 2020

"Liverpool"

Nach dem Tod seiner Frau ist der Polizist Nick Marzek abgestürzt. Um sich wieder zu fangen, nimmt der die Hilfe eines Kollegen aus München an und lässt sich von Berlin an die Isar versetzen. Die Eingewöhnung bei der Mordkommission fällt ihm schwer, lenkt ihn aber von den Gedanken an seine Frau ab. Da wird Anfang 1984 ein folgenschwerer Brandanschlag auf die Münchner Diskothek Liverpool verübt. Zunächst geht die Polizei von einem Kleinkrieg rivalisierender Kiezgrößen hin. Denn kurz zuvor brannten auch Wohnwagen von Prostituierten aus. Völlig überraschend taucht dann jedoch ein Bekennerschreiben auf, das bei einer italienischen Presseagentur abgegeben wurde.


Im Untertitel heißt es „Ein Fall für Nick Marzek“, was darauf hindeutet, dass es sich hier um den ersten Band einer Reihe handeln könnte. Mit seinen 43 Jahren ist Marzek auf jeden Fall jung genug, um noch einige Fälle aufzuklären. Bei seinem ersten richtigen Einsatz in München ist er gleich mit einem besonders verzwickten Fall befasst. Der vermeintliche Krieg im Rotlichtmilieu entpuppt sich als geheimnisumwitterter Anschlag, bei dem sogar ein politischer Hintergrund zu vermuten ist. Da das Bekennerschreiben von den italienischen Polizeibehörden weitergeleitet wurde, wird Nick nach Italien geschickt. Als seine Übersetzerin reist Graziella mit, die in der Mordkommission eigentlich als Putzfrau angestellt ist.


Natürlich sind Nick Marzek und seine Kollegen frei erfunden. Der Kriminalfall um den Anschlag auf die Diskothek Liverpool allerdings nicht. Diese Geschehnisse beruhen auf einem echten Fall. Und immer, wenn man meint, der Autor hat seine Phantasie etwas zu sehr spielen lassen, dann kann nur empfohlen werden, spätestens nach Ende der Lektüre mal das www aufzusuchen, um weitere Hinweise zu finden. Man wird erstaunt feststellen, dass sich der Autor an den berichteten Tatsachen orientiert hat. Wahrheit und Fiktion hat der dabei so geschickt verwoben, dass man beinahe glauben könnte, selbst wenn auch nur beobachtend Teil der Ermittlung zu sein. Die Art der Nachforschungen sind sehr authentisch, kleinteilige Polizeiarbeit. Ob es in der realen Welt passieren könnte, dass eine Putzfrau ohne die entsprechende Ausbildung zur Übersetzerin gemacht wird, erscheint eher zweifelhaft. Allerdings bringt Graziella gerade die nötige Leichtigkeit und ein gewisses Flair, ohne das der Roman manchmal etwas zu trocken geraten könnte. Der Anschlag auf die Diskothek Liverpool hat sich irgendwie nicht in die Erinnerung eingebrannt. Die Opfer haben da allerdings etwas Besseres verdient und dieses Bessere hat der Autor auf packende Art geliefert.


4 Sterne


Die Krieger von Martin Maurer

ISBN: 978-3-8321-8376-9




Montag, 9. November 2020

Die Wasserkonferenz

Thumbs DreadfulWater hat es nach Chinook gezogen. In Kanada soll es ruhiger zugehen als in Kalifornien, wo er als Polizist den einen Fall hatte, mit dem er nicht fertig werden konnte. Von der Polizeiarbeit will er nichts mehr wissen und verdingt sich als Fotograf. Das hindert den örtlichen Sheriff allerdings nicht, Thumbs als kommissarischen Deputy anzuheuern. Zum einen ist kein anderer verfügbar und zum anderen hat Thumbs schließlich einschlägige Erfahrung. Und so wird Thumbs gegen seinen Willen in die Ermittlung um den Tod eines Unternehmers hineingezogen, der wegen der anstehenden Wasserkonferenz im Ort weilte. 


Eigentlich ist Thumbs DreadfulWater vor seiner Vergangenheit geflohen. So ganz lässt sie ihn allerdings nicht los. Er trägt die Ermittlergene einfach in sich. Doch zu Beginn dieses Falls fühlt er sich garnicht wohl. Zwar erreicht er so langsam die Mitte des Lebens, aber ein Mann wird nicht krank und schon erst recht nicht geht er zum Arzt. Seine freundlichen Mitmenschen weisen ihn aber immer wieder auf die Möglichkeit hin, dass er sich doch mal untersuchen lassen kann. Und schließlich ist Beth, die Leichenbeschauerin, auch Ärztin. Da kann sie ihm nach der Obduktion doch gleich mal Blut abnehmen. Da gehen Thumbs dann doch die Argumente aus.


Dies ist der erste Band um den indigenen Ex-Polizisten Thumbs DreadfulWater, der auf Deutsch erschienen ist. Im englischen Original handelt es sich wohl bereits um den dritten Band. Da Thumbs eine Vorgeschichte hat, stellt sich die Frage, warum mit der Reihe nicht von vorne begonnen wird. Zum Verständnis der vorliegenden Geschichte ist dies glücklicherweise nicht notwendig, die vorhandenen Hinweise machen aber schon neugierig. Thumbs wirkt wie ein sympathischer, aber etwas paddeliger mittelalter Mann, der auch nicht richtig nein sagen kann. Vielleicht will er das insgeheim auch nicht. Mit seiner Art, nicht als Polizist zu arbeiten kommt er ganz gut durch und auch ganz gut an. Obwohl eine ganze Menge passiert wirkt die Handlung eher ruhig, aber auf eine positive Art. Gut vorstellbar, sich weitere Fälle über Thumbs DreadfulWater einzuverleiben.


4 Sterne


Dunkle Wolken über Alberta von Thomas King

ISBN: 978-3-866-12492-9




Sonntag, 8. November 2020

Mietindustrie

In Stuttgart lässt es sich leben. Und doch nehmen Georg Dengler und seine Freundin Olga einen Auftrag in Berlin an. Eine Freundin von Olga hat sie um Hilfe gebeten. In ihrem Mietwohnblock werden die Wohnungen ein ums andere Mal verkauft. Und die neuen Eigentümer versuchen entweder immer mehr Geld aus den Mietern herauszupressen oder die Mietbedingungen so zu verschlechtern, dass den Mietern kaum etwas anders übrig bleibt als zu kündigen. Entmietung nennt sich dieses perfide Spiel. Dengler will den Sumpf aus Wohnungskonzernen durchdringen. Und dann gibt es noch erste Meldungen, die sich von China aus über den ganzen Erdball verbreitet.


In Denglers zehntem Fall geht es ihm richtig gut. Mit Olga läuft alles prima und auch mit seiner Detektei konnte er ein paar lukrative Fälle bearbeiten. In Berlin, wo die Sozialwohnungen schon vor Jahren privatisiert wurden, herrschen im Wohnungssektor Investoren, denen es nur um Profit geht. Die Menschen, die Mieter, sind ihnen total egal. Die Mittel, zu denen sie greifen, um ihre Ziele zu erreichen, sind schon grausam zu nennen. Dengler beginnt quasi undercover zu ermitteln. 

Er will die Wahrheit finden und den verzweifelten Mietern helfen. Diese neue Krankheit, von der aus Asien berichtet wird, scheint da erstmal bedeutungslos. 


Wie niederträchtig diese Konzerne doch vorgehen, der Gewinn geht über alles. Es wird Geld eingesammelt, dass Rendite bringen soll. Man fragt sich, wie es Menschen vor sich selbst rechtfertigen können, jegliche Anständigkeit außer acht zu lassen. Sie sollten nicht nur dem Geld dienen, sondern auch den Menschen, denen sie die Mieten aus den Taschen ziehen. Unschuldig ist der Staat an der Situation allerdings nicht. Gerade hier wurde die staatlich geförderten Wohnungen für das schnelle Geld verhökert und muss nun zum Teil teuer zurückgekauft werden. Wie immer beschreibt Wolfgang Schorlau mitreißend und aufrüttelnd. Er versteht es, den Finger auf den Punkt zu legen. Sehr authentisch wirkt dabei, wie der Autor die aktuellen Entwicklungen in seinen Roman einbaut. Ein brisantes Thema gepaart mit aktuellen Entwicklungen - das ergibt ein packendes Buch, das sich zu lesen lohnt.


4,5 Sterne


Kreuzberg Blues von Wolfgang Schorlau

ISBN: 978-3-462-31864-7




Donnerstag, 5. November 2020

Die schönste Stadt

In einem der Becken der Gerber an der kleinen Alster findet der Lehrjunge Jakob, bei dem es sich gleichzeitig um den Sohn des Hauses handelt, eine männliche Leiche. Schnell müssen die Leichenfrau und Weddemeister Wagner herbeieilen, um den Toten zu untersuchen. Jacob kannte den Toten flüchtig. Dieser war ein junger Erfinder, über dessen Herkunft nicht viel bekannt war. Meunier war noch neu in Hamburg und dennoch hatte er schon einige Bekanntschaften geschlossen. Aber nichts hätte darauf hindeuten können, dass ihm jemand nach dem Leben trachtet. Auch die ehemalige Komödiantin Rosina, nun eine ehrbare und meist glückliche Ehefrau, beginnt sich zu fragen, wieso der junge Mann sterben musste.


Nach etlichen Jahren Pause ist die Komödiantin Rosina wieder da. Auf ruhigeren Wegen wandelt sie durch Hamburg. Mit ihrem Mann Magnus Vinstedt lebt sie in einem wohlhabenden Haus, das auch Platz für ihren Pflegesohn Tobi bietet. Doch so sehr verändert hat Rosina sich nicht. Noch immer treiben Wissbegier und Neugier sie an. Und die Sehnsucht mal wieder in die Ferne zu schweifen, ist nicht aus Rosinas Leben wegzudenken. Doch meist genießt Rosina ihr Leben in der Stadt, die sie so gut aufgenommen hat. Der Tod des jungen Meunier bringt einiges an Aufruhr und Rosina möchte herausfinden, was hinter der Tat steckt.


Mit ruhigen und genauen Beschreibungen über das Leben in Hamburg um das Jahr 1774 trifft die Autorin den richtigen Ton. Das führt beim Lesen zu einer gewissen Entschleunigung, was man durchaus genießen kann in der heutigen recht schnelllebigen Zeit. Hin und wieder nimmt dies ein wenig zu viel Raum ein und auch die diversen Handlungsstränge, denen es zu folgen gilt, lassen Rosina fast schon in den Hintergrund treten. Doch gerade wenn Rosina mit der ihr eigenen Frische und Neugier ins Geschehen eingreift, werden Erinnerungen an die junge Frau geweckt, die schon so manches Rätsel gelöst hat. Dennoch kommt Freude auf, wenn man durch Rosinas Hamburg wandelt.


4 Sterne


Im schwarzen Wasser von Petra Oelker

ISBN: 978-3-499-00330-1