Donnerstag, 31. Dezember 2020

Jahresausklang

Ebenezer Scrooge ist nicht gerade ein freundlicher Zeitgenosse. Die Weihnachtstage stören ihn eigentlich nur beim Geschäfte machen und seinen Mitarbeitern muss er auch noch frei geben. Aber an diesem Weihnachtsfest ist alles anders. Ihm erscheinen die Geister der vergangenen Weihnacht, der gegenwärtigen Weihnacht und der künftigen Weihnacht. Srooge wird sein menschenfeindliches, geizige und hartherziges Verhalten vor Augen geführt. Er hält tatsächlich inne und erkennt, dass das Anhäufen von Geld nicht unbedingt zu einem glücklichen Leben führt.

Scrooge wandelt sich zu einem Menschenfreund, der die Bedürftigen unterstützt und sich wohlwollend um seine Familie kümmert.


Die Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens ist wohl den Meisten schon aus ihrer Kindheit bekannt. Doch auch heute oder auch gerade heute gewinnt die Geschichte wieder an Aktualität. Denn wie oft handeln wir garstig und egoistisch, nur auf unseren eigenen Vorteil bedacht, obwohl gerade in diesem Jahr wohl etwas anderes angesagt und sinnvoll wäre. Zum Glück gibt es zwar auch andere Beispiele von Liebenswürdigkeit, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, aber da ist bestimmt noch Luft nach oben. Und die, welche die Geschichte noch nicht kennen, sollten sie sich vielleicht einmal zu Gemüte führen und darüber nachdenken, nicht nur das, auch handeln.


Charles Dickens’ Weihnachtsgeschichte passt gut zu diesem Jahr, hält sie dem Einzelnen und der Gesellschaft einen Spiegel vor und gibt einen Anreiz, das Verhalten zu ändern. Hoffentlich.


4 Sterne


Eine Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens

ISBN: 978-3-8094-4296-7

Till we meet again

November 2016: Endlich ist Fidel Castro tot. Beatriz Perez, deren Familie im Rahmen der Revolution aus Kuba fliehen musste, ist froh und erleichtert. Sie erinnert sich an ihre Ankunft in Florida. Immer wollte sie den Tod ihres Bruders rächen, Castros Leute waren Schuld daran, obwohl der Bruder doch auch gegen Batista war. Die Familie Perez möchte in Florida ähnlich weitermachen wie in Kuba, besonders der Vater möchte seinen Töchtern eine gesicherte Zukunft bieten. In der Saison 1960 gehören die Perez’ nur am Rande zur Gesellschaft, aber auch sie bei einigen Feiern dabei. Und Beatriz erlebt die Party ihres Lebens.


Beatriz Perez ist hin und hergerissen zwischen ihrer großen Liebe zu einem Amerikaner und der Verpflichtung, die sie ihrem Herkunftsland gegenüber empfindet. Beatriz ist eine Frau, die ihrer Zeit voraus ist. Sie will nicht nur als Anhängsel einer Familie oder eines Ehemannes gesehen werden. Sie will selbst etwas erreichen. Ihr Geliebter hat da traditionellere Vorstellungen, was ihre Beziehung nicht einfacher macht. Irgendwann muss Beatriz sich entscheiden. Doch in den frühen 1960er Jahren ist der Konflikt zwischen Amerika und Kuba immer präsent. Ein Jugendfreund von Beatriz hat inzwischen Kontakt zum Geheimdienst. Wird damit der Weg zu ihrem großen Ziel bereitet?


Mit diesem zweiten Roman über die Familie Perez, die aus Kuba flüchten und sich in Amerika zurechtfinden musste, versteht es die Autorin ihre Leser zu fesseln. Beatriz’ Geschichte hat etwas ganz eigenes. Sie ist sehr modern, was ihr Probleme mit der Familie einbringt. Sie ist mutig, was sie in Gefahr bringt, und sie kann warten, bis Castro stirbt. Kuba und Amerika, so nah und doch so fern. Weniger als 200 km liegen in der kürzesten Strecke zwischen den beiden Ländern und doch könnten sie kaum weiter weg sein. Die beiden unterschiedlichen Systeme stehen sich diametral gegenüber. Man kann einiges über die Geschichte erfahren, die die Länder trennt und doch verbindet. Dazu kommt eine emotionale Liebesgeschichte, die einen berührt. Ein sehr schöner zeitgeschichtlicher Roman, den man gerne verfilmt sehen möchte.


4 Sterne


When we left Cuba von Chanel Cleeton

ISBN: 978-0-451-49086-5



und das Cover der deutschsprachigen Ausgabe:




Mittwoch, 30. Dezember 2020

Schwester Elisabeth

Aus Hamburg kam Schwester Elisabeth an die Lungenklinik in Badenweiler. Hauptsächlich Patienten, die unter Tuberkulose leiden, werden dort behandelt. Für viele der Patienten ist es allerdings schon zu spät. Im Sommer des Jahre 1900 erreicht der bekannte amerikanische Schriftsteller Mr. Stephen Crane die Klinik. Ihm geht es sehr schlecht. Schwester Elisabeth kennt seine Bücher und Geschichten. Die Werke könnten direkt für sie geschrieben worden sein. Schwester Elisabeth übernimmt die Pflege Cranes, er soll der Patient sein, der die Krankheit übersteht. Während Elisabeths Schichten führen die beiden intensive Gespräche über das Leben des Autors und auch die Krankenschwester hat etwas zu erzählen.


Schon mit den ersten Sätzen werden die Figuren der Schwester Elisabeth und Stephen Crane sehr lebendig. Die schwere Krankheit ist immer gegenwärtig. Der Schriftsteller ringt mit dem Tod. Und doch erscheint er der Krankenschwester wie eine Offenbarung. Crane scheint in ihre Seele zu blicken. Ihre kleine körperliche Beeinträchtigung nimmt er kaum wahr. Und so kann Elisabeth sich öffnen und von ihren Träumen erzählen. Sie möchte eine moderne Frau sein. Ihre Tante in Amerika könnte ein Vorbild sein. Vielleicht könnte sie auch Ärztin werden. Vielleicht könnte Crane ihre Rettung sein, wenn er die Krankheit übersteht.


Aus humorvollen und hintergründig witzigen Dialogen ergeben sich große Teile der Handlung. Und so fühlt man sich gleich ins Geschehen eingebunden. Als hätte Crane geahnt, dass er nicht viel Zeit haben würde, hat er sein Leben mit Geschichten gefüllt. Und in Schwester Elisabeth hat er eine Zuhörerin, die jedes seiner Worte aufsaugt. Sowohl die Krankenschwester als auch der Schriftsteller sind sehr vielschichtige Persönlichkeiten, die in ihrer Zeit herausragten. Und in dem Roman gibt es noch etliches mehr zu entdecken. Zwar kommt einem Schwester Elisabeth manchmal etwas radikal vor, aber sie hat auch die Fähigkeit zu versöhnen. Dieser Roman gefällt durch seine Modernität und seinen lockeren Tonfall. Gleichzeitig lernt man einen Schriftsteller kennen, der heutzutage wohl nicht mehr ganz so bekannt ist. 


4 Sterne


Mr. Crane von Andreas Kollender

ISBN: 978-3-86532-685-0




Dienstag, 29. Dezember 2020

Frühstück mit dem Tod

Im Jahr 1536 wird Anne Boleyn hingerichtet. An ihrem Sturz war auch Thomas Cromwell beteiligt. Am nächsten Tag frühstückt Thomas Cromwell mit den Siegern, wie es im Klappentext heißt. Doch auch der Gedanke ist nicht fern, was geschehen kann, wenn er selbst die Gunst des Königs verliert. Cromwell jedoch macht einfach weiter und versucht seine Pläne umzusetzen. Dabei hat er durchaus das Wohl des Herrschers und des Reiches im Sinne. Der König ist allerdings ein wankelmütiger Charakter, so dass immer die Gefahr besteht, dass sein Vertrauen schwindet. 


In dieser dritte Band um das Leben und Wirken Thomas Cromwells beginnt mit dem Tod von Anne Boleyn und endet mit dem Tod Cromwells selbst. Hat man die beiden anderen Bände gelesen, ist man natürlich neugierig, wie sich Hilary Mantel den letzten Jahren dieses frühen Politikers widmet. Nachdem die vorherigen Bände sich beim Lesen als etwas sperrig erwiesen, weil die Autorin eine selten verwendete Form der Darstellung gewählt hat, kann man zum Hörbuch sagen, dass auch dank des Sprechers der Stil wesentlich besser funktioniert und die handelnden Personen viel lebendiger wirken. Was sich allerdings schon als gewisse Schwierigkeit erweist, ist die Länge der Hörbuchfassung. Da man im Leben halt nicht unbegrenzt Zeit hat, braucht man eine Weile, um das Buch zu beenden und da man beim Hörbuch auch nicht einfach so zurückblättern kann, um sich schnell nochmal zu erinnern, wo man stehengeblieben war, ist es nicht so einfach, der Handlung zu folgen. Es ist eben eine Lebensbeschreibung und kein Krimi, folglich ist es fast vorprogrammiert, dass es mal zu Längen kommen kann. Doch wie vorher schon erwähnt, gewinnt der Roman eine große Lebendigkeit durch die Art wie der Vorleser Frank Stieren ihn interpretiert.


4 Sterne


Spiegel und Licht von Hilary Mantel

ISBN: 978-3-9586-2552-5




Montag, 28. Dezember 2020

Die Einwanderer

In einer nicht ganz fernen Zukunft sind Menschen in Deutschland an der Macht, die unter Regieren etwas anderes verstehen. Zunächst mal, haben sie sich der anders Aussehenden entledigt, sie abgeschoben in Länder, die gegen Programme bereit waren, sie aufzunehmen. Nur wenige sind noch verblieben und die werden in Lagern zusammengezogen. Eines dieser Lager befindet sich in Finsterwalde, einer geräumten Kleinstadt in der Nähe Berlins. Bei dieser neuen Art des Regierens hat man leider vergessen, dass die Entrechteten durchaus gebildet sind und deshalb gute Arbeitsstellen ausfüllten. Und so fehlen plötzlich wichtige Berufe. Für Theo und Eleni aus Griechenland eine Gelegenheit, nach Deutschland zu kommen.


Wie finden sich Eleni und Theo in dem neuen Deutschland zurecht? Und wie ergeht es Marie und ihren Kindern in Finsterwalde? Es ist Maries Arztpraxis, die Eleni zugewiesen bekommt, während Theo sich um die beiden Töchter kümmert. Theo ist es, der in der Wohnung Spuren von Marie und ihren Kindern entdeckt und so neugierig auf ihr Schicksal wird. Im Lager Finsterwalde sind die Menschen auf sich gestellt, nur aus der Luft werden sie mit dem Nötigsten versorgt. Schnell merken sie, dass sie eine Ordnung bräuchten, doch keiner will so richtig eine Aufgabe übernehmen.


Zwei Schauplätze, die mit klaustrophobischer Enge zu kämpfen haben. In Finsterwalde ist es die tatsächliche Begrenzung durch einen Zaun und Bewacher, die Fluchten verhindern wollen. In Berlin dagegen ist es die enge Überwachung durch technische Mittel und die Beobachtung von Verfolgungen und Verhaftungen. Dazu kommt die Unsicherheit zum einen wie lange das Lager aufrechterhalten wird zum anderen wie lange man unentdeckt bleiben wird. Und schließlich, ob es Auswege gibt oder einen Widerstand. Die ersten zwei Drittel des Buches sind spannend und beklemmend. Eine richtige Gruselvorstellung von einem Deutschland, das man nie haben möchte. Im letzten Drittel jedoch verändert sich das Buch zu einer Art normalen Thriller, was dann leider nicht mehr den Reiz des Anfangs hat. Es wirkt als wäre der Beginn nicht konsequent weiterverfolgt worden. Dennoch handelt es sich um eine packende Utopie, die hoffentlich immer eine der Phantasie entsprungene Geschichte bleiben wird.


3,5 Sterne


Finsterwalde von Max Annas

ISBN: 978-3-498-ß7401-2




Sonntag, 27. Dezember 2020

Bewahr den Traum

Das junge Ehepaar Jonga hat es von Kamerun nach Amerika geschafft. Jende Jonga hat Asyl beantragt und Neni ist mit einem Studentenvisum in den USA. Alles scheint sich zum Besten zu wenden als Jende von seinem Cousin ein Job als Fahrer bei dem reichen Investmentbanker Edvard Clark bekommt. Über seinen Einwanderungsstatus sagt Jende nichts weiter, Hauptsache, er hat erstmal den Job. Und Neni ist fleißig beim Lernen, sie will einmal Pharmazie studieren. Auch sie arbeitet nebenbei und kümmert sich noch um den gemeinsamen Sohn, der schon zur Schule geht. Clark arbeitet bei den Lehman Brothers und man schreibt das Jahr 2007.


Der Roman beginnt kurz vor der großen Finanzkrise, die im Jahr 2008 ihren Anfang nahm. Die Einwanderer aus Kamerun sind trotz ihres unsicheren Status` optimistisch, dass sie es vor allem für ihren Sohn schaffen werden. Sie sind schon einige Zeit in Amerika und mit dem neuen Job glauben sie, das große Los gezogen zu haben. Relativ einfache, wenn auch verantwortungsvolle Arbeit, zu einem guten Lohn. Neni kann sich mehr auf ihr Studium konzentrieren und auch mal was shoppen. Jendes Tätigkeit führt zu etwas wie Familienanschluss. Besonders die Kinder ihrer Arbeitgeber kommen gut mit Jende und Neni klar.


Glück und Glas - wie leicht bricht das. So ungefähr könnte man die Quintessenz dieses Romans empfinden. Wie zerbrechlich die sicher geglaubte Welt sein kann, kann man gerade heute auch wieder ausmachen. So ähnlich muss es auch zu Zeiten der Finanzkrise gewesen sein, die Arm und Reich treffen konnte. Sowohl die Jongas als auch die Clarks stehen vor großen Umwälzungen und sie bewältigen sie irgendwie, aber irgendwie auch mit Verlusten. Ob man dabei jede Entscheidung nachvollziehen kann, mag dahingestellt sein. Die handelnden Personen müssen dazu stehen. Klar wird jedenfalls, dass der amerikanische Traum auch mal ausgeträumt sein kann, für Amerikaner ebenso wie für Einwanderer. Doch auch in der Krise gibt es Chance, die man so oder so einschätzen kann. Ein Buch, aus dem man Einsichten über das Leben der Einwanderer gewinnen kann und welche Veränderungen Menschen durchmachen, wenn die Welt in eine Krise gerät.


4 Sterne


Behold the Dreamers von Imbolo Mbue

ISBN: 978-0-8129-9849-8

Samstag, 26. Dezember 2020

Der Tip

Die schwedische Sicherheitspolizei erhält eine Information vom britischen Kollegen. Ein Attentäter mit somalischen Wurzeln soll am schwedischen Nationalfeiertag ein Attentat planen. Die Abteilung von Lisa Mattei ist in Aufruhr. Diese Sache müssen sie unbedingt verhindern. Doch das erweist sich als nicht so einfach. Sie haben nur wenige Wochen Zeit und der vermeintliche Attentäter verhält sich dermaßen normal, dass es erstmal keinen Ansatzpunkt gibt.Bald schon kommt der Verdacht auf, es könne in den eigenen Reihen eine undichte Stelle geben. Lisa Mattei muss sich nach allen Seiten absichern und gleichzeitig die Untersuchung voranbringen. 


Lisa Mattei ist eine moderne Frau Anfang 40. Sie will ihren sehr einnehmenden Beruf mit ihrer Familie bestehend aus Mann und Tochter unter einen Hut bringen. Scheitern ist fast vorprogrammiert, doch wenn die Arbeit mal wieder wichtiger sein musste, vergeben ihre Lieben ihr ohne zu zögern. Und gerade jetzt ist die Arbeit oft wichtiger. Mattei muss einen Stab zusammenstellen, dem sie vertrauen kann. Darüberhinaus muss sie gewisse Vorgaben des britischen Geheimdienstes beachten, die allerdings der Geheimhaltung unterliegen. Das Leben ist nicht einfach und die Ermittlungen zu dem möglichen Attentat gestalten sich schwierig. Der Verdächtige wirkt wie ein Schwede von nebenan, nur eben ein eingebürgerter Schwede eben.


Eine Frau in führender Position, ihr Dilemma, zwischen Beruf und Familie Prioritäten setzen zu müssen, wird sehr gut dargestellt. Man kann sich sehr gut in sie hineinversetzen, irgendwen muss sie immer vernachlässigen. Wenn es dann um ein Attentat von nationaler Bedeutung geht, wird es häufiger die Familie sein und Mattei folgt ihrer Räson und fühlt sich häufig nicht gut dabei. Zu Beginn dieses Thrillers gibt es allerdings nur wenige Fortschritte und bei einem Buch von ungefähr 600 Seiten bekommt man schon den Eindruck, dass einige Untersuchungszüge und Hintergründe etwas gestrafft hätten werden können. Wenn man später langsam durchschaut, wie die Fäden zusammenlaufen, gewinnt der Roman einiges an Fahrt. Der Autor ist wahrlich ein versierter Komponist von verzwickten Sachverhalten. 


3,5 Sterne


Verrat von Leif GW Persson

ISBN: 978-3-442-79954-1




Donnerstag, 24. Dezember 2020

Eins und Null

Mal wieder gibt es einen Wettlauf zwischen den Großmächten. Die Wissenschaftler der Welt versuchen, Quantencomputer zu entwickeln und jeder will der erste sein. Da kann schon mal eine Firma, die ein Stückchen voranzukommen scheint, von der Bildfläche verschwinden, um nur noch dem Staat zuzuarbeiten. In dieser Situation versucht der CIA-Agent Harris Chang einen chinesischen Computerwissenschaftler als Spion anzuwerben. Die Aktion läuft insofern gut, als das Dr. Ma verrät, was er zu verraten hat, und insofern schlecht, als das Dr. Ma sich nach dem Treffen umbringt. Dennoch hat er offenbart, dass China einen Maulwurf in den amerikanischen Diensten platziert haben. Und diesen gilt es jetzt zu enttarnen.


Harris Chang und sein Chef und Mentor John Vandel geraten in heikle Situationen, wobei der Sino-Amerikaner Harris, der sich eigentlich immer für einen sehr amerikanischen Amerikaner gehalten hat, feststellen muss, dass er eben doch häufig als Chinese betrachtet wird. Ist er deshalb besonders für den Einsatz geeignet? Er kann noch nicht einmal besonders gut chinesisch und seine Familie lebt schon in der vierten Generation in Amerika. Und wo ist der Maulwurf zu suchen, etwa auch unter den Sino-Amerikanischen Wissenschaftlern? Umgekehrt kann es aber auch passieren, dass Chang von chinesischen Studenten als Vertreter seines Staates angegriffen wird, weil diese meinen, sie werden wegen ihrer Herkunft besonders befragt.


Wie Welt der Agenten und Spione ist doch irgendwie auch ein Spiegelbild der restlichen Welt. Auch wenn die Ausführungen der Quanten-Wissenschaftler manchmal etwas trocken geraten und für Laien nicht immer leicht verständlich sind, so wird die Agentengeschichte doch nach und nach spannender. Man lernt, dass eins und null gleichzeitig sein können und dass Vandel immer noch einen Plan B hat. Man lernt auch, dass Spione durchaus nicht schablonenhaft sind und sie eine Entwicklung durchmachen. Vielleicht ist der Maulwurf etwas zu leicht enttarnt, aber dafür ist es ausgesprochen spannend, wie die Jagd auf ihn beginnt. Dieser gehaltvolle Thriller regt wahrlich die Gehirntätigkeit an.


4 Sterne


Quantum Spy von David Ignatius

ISBN: 978-3-499-00078-2






Mittwoch, 23. Dezember 2020

Serafina und die Wölfe

Endlich im Winter 1418 sind Serafina und Adalbert glücklich verheiratet. Doch auch jetzt kann Serafina es nicht lassen, Nachforschungen anzustellen, wenn sich irgendwo ein Geheimnis zu verbergen scheint. Als vor den Toren Freiburgs einige Schafe von hungrigen Wölfen gerissen werden, sind die Bürger Freiburgs besorgt. Schlimmer noch wird es beim Auffinden des sechsjährigen Jörgelin, der offensichtlich ebenfalls einem Angriff von Wölfen zum Opfer gefallen ist. Die Eltern sind untröstlich und Serafina, die auch als Armenapothekerin tätig ist, versucht zu helfen. Nur wenig später kommt auch eine junge Heilerin zu Tode und so langsam wird Serafina misstrauisch.


Dies ist bereits der sechste Band um die Armenapothekerin Serafina. Zu Beginn dieses Bandes gibt es einige kleine Hinweise zu Serafinas Hintergrund, so dass es zum Verständnis nicht zwingend ist, die vorherigen Bände zu kennen. Zu empfehlen sind sie sicherlich. Serfina ist inzwischen glücklich verheiratet, aber grundlegend verändert hat sie sich natürlich nicht. Sie ist immer noch neugierig und nachdenklich. Und sie empfindet mit den verwaisten Eltern. Besonders die Mutter des toten Jungen braucht Serafinas Unterstützung. Gleichzeitig bilden sie und ihr Mann  ein inzwischen eingespieltes Team. Der Medicus Adalbert und seine Serafina ergänzen sich bestens. 


Mit Serafina kann man in diesem anspruchsvollen Jahr einen tollen Ausflug ins Mittelalter machen.  Gewitzt erforscht sie das Geheimnis um die Wölfe. Gut hineinversetzen kann man sich dabei in die Furcht der Bewohner der Vorstadt vor dem unbekannten, unheimlichen und gefährlichen Wesen. Da fühlt man sich in einigen Momenten an heutige Tage erinnert. Die Angst der Menschen war damals so groß, dass die Vernunft verloren ging. Serafina und Adalbert sind jedoch sehr gute Beobachter und so merken sie, dass wahrscheinlich nicht jedes Unheil von den Wölfen zu verantworten ist. Wie sie nach und nach ermitteln, was hinter den Todesfällen steckt, ist schön zu lesen. Gleichzeitig geben die Beschreibungen des Alltags einen lebendigen Einblick in das mittelalterliche Leben. Beides zusammen ist eine klasse Kombination und so bietet dieser Roman eine wunderbare Ablenkung vom Alltag dieses Jahres.


4 Sterne


Die Wölfe vor den Toren von Astrid Fritz

ISBN: 978-3-499-00082-6




Montag, 21. Dezember 2020

Baum des Gedenkens

Die 13-jährige Elissa träumt davon ein Schachturnier zu gewinnen. Und nun kommt die große Gelegenheit. Mit ihrer Mutter fährt sie zur Wettkampfstätte und sie gewinnt auch die ersten Spiele. Weil sie etwas im Autor vergessen hat, verlässt Elissa den Saal. Auf dem Weg zum Fahrzeug wird sie gepackt, betäubt und verschleppt. Als Elissa wieder aufwacht, muss sie feststellen, dass sie sich in einem unheimlichen und kalten Raum befindet. Ein wenig Hoffnung schöpft sie als sie bemerkt, dass der junge Elijah dort ist. Er scheint den Raum verlassen zu können, dann kann er doch auch die Polizei informieren.


Die gesundheitlich angeschlagene Polizistin DI MacCullagh versucht alles, um das verschwundene Mädchen zu finden. Und hauptsächlich aus der Sicht der drei Hauptpersonen wird die Geschichte erzählt. Und die Story ist komplexer als man zunächst vermuten würde. Die verzweifelte Mutter, die um ihr Leben bangende Tochter und der geheimnisvolle Elijah, der längst nicht alles preisgibt. Seine Sehnsucht nach einem normalen Leben bestimmt große Teile seines Handelns. Zwangsläufig hat die Polizei zu Beginn der Ermittlung nicht viele Ansatzpunkte und die viel zu schnell verrinnende Zeit verringert die Chancen, das Mädchen lebend zu finden.


Durch die Art des Erzählens wird man sofort mitten in die Handlung hineingesogen. Die subjektiven Sichten der Personen wirken sehr lebendig und die schnellen Perspektivwechsel sind sehr fesselnd. Zwar wirkt das Geschehen dadurch manchmal nicht so in die Tiefe gehend, besonders die polizeiliche Ermittlung kommt etwas zu kurz. Dadurch entsteht der Eindruck, dass überhastet gehandelt wird. Und Schilderungen aus der Sicht des Opfers sollte man schon mögen. Aber dennoch ist dieser Thriller so packend, dass man geneigt ist, ihn in einem Rutsch durchlesen zu wollen. Man empfindet die Stimmungen der Berichterstatter mit und zum Ende hin bleibt einem geradezu das Herz stehen. Eine Geschichte, die man vielleicht lieber tagsüber lesen sollte, in der Dunkelheit könnte sie zu unheimlich werden.


4 Sterne


Der Mädchenwald von Sam Lloyd

ISBN: 978-3-644-00386-6




Sonntag, 20. Dezember 2020

Schwesternschülerin

Die Mutter stirbt als die Schwestern Marlene und Emma erst sechs und vier Jahre alt sind. Auf dem Sterbebett hat ihr Marlene versprochen, sich immer um die kleine Schwester zu kümmern. Sie schafft es, dass sie auch im Waisenhaus nicht getrennt werden. Endlich ist die Zeit dort vorbei und gemeinsam bekommen die Geschwister die Möglichkeit, dem ersten Ausbildungsjahrgang im Jahr 1911 als Kinderkrankenschwester der neu gegründeten Kinderklinik Weißensee anzugehören. Mit Feuereifer beginnen die beiden jungen Frauen ihre Ausbildung. Neben den anderen jungen Elevinnen aus gutem Haus, fallen Marlene und Emma schon etwas auf mit ihrer einfachen Herkunft.


Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es umfangreiche Weiterentwicklungen im Bereich der Medizin. Man erkannte, dass Kinder einer anderen Behandlung bedurften als Erwachsene. Und das führte dann auch zum Bau der ersten Kinderklinik im Umkreis von Berlin. Die beiden eng verbundenen Schwestern gegen die anderen, so scheint es. Marlene und Emma müssen mit ihrer einfachen Herkunft einfach auffallen. Jemand muss die Hand über sie halten. Wieso sonst hätten sie eine höhere Schulbildung genießen können und bekamen nun auch die Ausbildungsplätze. Das weckt Neid und Missgunst bei einigen Mitschülerinnen, besonders als herauskommt, dass die Beiden im Waisenhaus aufgewachsen sind. Und auch die Oberin fragt sich, wie gerade diese Schwestern in ihren Ausbildungsjahrgang kommen konnten.


Wie sich nach einer kurzen Recherche herausfinden lässt, hat es die Kinderklinik tatsächlich gegeben. Leider existiert das Gebäude heute nur noch als Ruine. Doch um die Anfänge dieser Ruine hat die Autorin eine sehr spannende Geschichte geschrieben. Die Lehrzeit der jungen Frauen, die Aufbruchstimmung unter den Ärzten, aber auch die gesellschaftlichen Dünkel, die die Waisenschwestern erfahren müssen, das alles verbindet sich zu einer packenden Handlung. Der Beginn einer neuen Zeit zeichnet sich ab, die Entwicklung der modernen Medizin schreitet voran, aber auch ein Hauch des Kriegstreibens ist schon zu spüren. Marlene und Emma haben es während ihrer Lehrzeit nicht einfach und gefesselt verfolgt man ihren Weg über das Ausbildungsjahr. Das Buch bietet mit seiner Authentizität und seinen sympathischen Protagonistinnen eine tolle Überraschung dieses Winters.


4,5 Sterne


Kinderklinik Weißensee - Zeit der Wunder von Antonia Blum

ISBN: 978-3-548-06405-5




Samstag, 19. Dezember 2020

Ein Fall für Lord Peter

Lord Peter Wimsey weilt auf Korsika als ihn die Nachricht erreicht, dass sein Bruder Gerald beschuldigt wird, jemanden getötet zu haben. Lord Peter und sein Diener Bunter eilen zurück nach England, um Gerald zu unterstützen. Dieser schweigt sich jedoch über die Ereignisse der Nacht aus. Und Peters Schwester hat allem Anschein nach etwas zu verbergen. Jedenfalls passen ihre Aussagen nicht zusammen. Und es ist ihr Verlobter, der tot auf vor dem Haus lag. War es gar Lady Mary, die Denis Cathcart umgebracht hat? Vielleicht muss aber auch der große Unbekannte in Betracht gezogen werden, von dem Lord Peter einige Spuren gefunden hat.


In seinem zweiten Fall muss sich Lord Peter Wimsey mächtig anstrengen, schließlich geht es um die Familie. Auch wenn er bestrebt ist, jedes Rätsel zu lösen, wenn es gilt seinen eigenen Bruder zu retten, strengt er sich selbstverständlich umso mehr an. Wieder mit ihm Team ist Wimseys guter Freund Charles Parker von Scotland Yard, der genau weiß, dass der Lord einen guten Detektiv abgeben würde, wenn er nur wollte. Gemeinsam folgen Wimsey und Parker Lord Geralds Spuren und können doch nicht erklären, wieso dieser steif und fest behauptet, er habe es nicht getan, gleichzeitig aber nicht bereit ist, zu sagen, was er zum Zeitpunkt der Tat gemacht hat.


In der Erinnerung mischen sich die Romane mit den Bildern der TV-Serie, in der Ian Carmichael den Detektiv so sympathisch darstellt. Freunde der klassischen Detektivgeschichte können sich über die Ausgaben der Romane von Dorothy L. Sayers in neuer Ausstattung freuen. Der englische Gentleman wird liebevoll dargestellt. „Diskrete Zeugen“ wurde bereits 1926 veröffentlich, so dass die Darstellung Lord Peters und seiner Gesellschaftsschicht wenn auch wohlwollend weichgezeichnet doch auch einige Authentizität aufweisen dürfte. Lord Peters vornehmes Benehmen, seine Pfiffigkeit und Intelligenz. Er mag vielleicht oberflächlich wirken, aber das ist eher ein Understatement. Lord Peter geht den Dingen auf den Grund und das auf liebenswerte, aber auch hartnäckige Art. Wenn es der eigene Bruder ist, dessen Unschuld bewiesen werden soll, lässt der Lord natürlich überhaupt nicht locker. Die Spürnase immer auf der Erde, der Denkapparat immer am Rotieren. Lord Peter Wimsey garantiert spannende Lesestunden und wer ihn noch nicht kennt, sollte ihn unbedingt kennenlernen.


4 Sterne


Diskrete Zeugen von Dorothy L. Sayers

ISBN: 978-3-8052-0063-9




Freitag, 18. Dezember 2020

Schneegestöber

Ihre Zwillinge sind inzwischen schon Teenager, wie doch die Zeit vergeht. Die Ehe mit Paul ist etwas flach geworden und die Schwiegermutter Irene nervt mit den alljährlichen Weihnachtsritualen. Obwohl Sonja langsam wirklich eine Veränderung gebrauchen könnte, macht sie doch immer noch mit. Bis zu diesem Jahr, in dem die Töchter rebellieren, Irenes Freundin mit ihrem alten Dackel anreist und die Silvesterparty so garnicht märchenhaft verläuft. Sonja muss sich einfach mal Luft verschaffen. Das tut sie gemeinsam mit ihren neuen Freundinnen Karin und Bernadette in den verschneiten schweizer Bergen. Dort führt Karin ein Hotel, das allerdings in Existenznöten ist.


Es gibt Zeiten im Leben, in denen es mal angesagt sein kann, innezuhalten und das Leben neu zu sortieren. Und so ist es bei Sonja, die Kinder werden langsam groß, sie ist auf der Suche nach einem neuen Job, es wäre schön, wenn die Schwiegermutter sich nicht in alles einmischen würde und tja, Paul ist eben Paul, da hat das Prickeln doch sehr nachgelassen. Und Sonja ergreift die Gelegenheit. In Karins Hotel will sie etwas zu sich kommen. Doch auch an Karins Leben nimmt sie teil. Sonja und die ältere Bernadette haben alle Hände voll zu tun, ihre Freundin zu unterstützen.


Dieser Winterroman ist gerade das richtige für wohlige Lesestunden vor dem Kamin. Auch wenn manche Nebenfiguren etwas überzeichnet wirken, so wirken Sonja und ihre Freundinnen doch sehr sympathisch. Zwar wirken vereinzelte Teile der Geschichte etwas konstruiert, doch andere Passagen sind sehr berührend. Jedenfalls ist es schön, wie Sonja den Mut findet, mal auszubrechen und wie sich schließlich neu sortiert. Gerne liest man auch, dass Sonja nicht nur sich selbst verändert, sondern dass sie auch bei anderen ein Innehalten und vielleicht auch Umdenken anstößt. Ein anheimelnde Geschichte, die einem die Welt der schweizer Berge etwas näher bringt. Da lohnt sich auch eine Suche im www, wo beeindruckende Bilder zu finden sind.


3,5 Sterne


Drei Frauen im Schnee von Blanca Imboden

ISBN: 978-3-0376-3307-6

Mittwoch, 16. Dezember 2020

Schneemädchen

Es ist Dezember und auf dem Heimweg liest Eric Nyland ein junges Mädchen von der Straße auf. Er erfährt von Hannah, dass sie in seiner Nachbarschaft wohnt. Bei einem ehemaligen Schulkameraden Erics, den er schon früher nicht leiden konnte. Wie Recht Eric hatte, stellt sich heraus als er die Kleine nur wenig später quasi retten muss. Weil so kurz vor Weihnachten keine andere Möglichkeit besteht, bittet die Sozialarbeiterin Betty den ehemaligen Polizisten Nyland, Hannah über die Feiertage aufzunehmen. Mit Erics Ehe steht es nicht zum besten und seine beiden Söhne sind auch nicht einfach. Wie wird Hannah da hineinpassen.


Erics Familie befindet sich an einem Tiefpunkt. Sie sind in Erics Elternhaus eingezogen und kümmern sich seit dem Tod der Mutter um Erics Vater, dem man das Alter inzwischen sehr anmerkt. Doch auch Ellie, Erics Frau, geht es nicht gut, sie hat ihre Fröhlichkeit und ihren Antrieb verloren. Ihr älterer Sohn Danny ist dabei flügge zu werden, der jüngere Sammy hat autistische Züge und ist somit nicht ganz leicht zu nehmen. Wie wird sich Hannah in Erics Familie zurechtfinden. Es soll ja nur für ein paar Tage sein, da wird es schon gutgehen. 


Das Auftauchen eines Kindes kann eine Familie ganz schön durcheinander bringen, doch kann sich dadurch innerhalb relativ kurzer Zeit auch alles zurechtrücken? So ganz glauben mag man es nicht, aber dennoch wünscht man dieser schönen Weihnachtsgeschichte, dass sie funktioniert. Manchmal handeln die Personen etwas sprunghaft und unmotiviert, aber manchmal wird man auch in die gefühlvolle Story hineingezogen und wünscht, dass Hannah und die Nylands noch mehr zusammenwachsen. In nur wenigen Tagen verändern sie sich alle und man möchte an eine Art Weihnachtsgeschichte glauben, in der den Guten ein Happyend beschert wird. Die winterliche Stimmung tut ein Übriges dazu, dass der Roman genau richtig passt für diese Tage, in denen man mehr Zeit zum Lesen hat, als man vermuten konnte.


3,5 Sterne


Hannahs Gefühl für Glück von Fran Kimmel

ISBN: 978-3-423-26241-5




Sonntag, 13. Dezember 2020

Allein, allein

Die Wissenschaftlerin Elaine erwacht in einer Eiswüste. Geschützt wird sie von den Trümmern des Raumschiffs, mit dem sie und viele andere Menschen vor langen Zeiten von der Erde gestartet sind, um den Folgen des Einschlags eines riesigen Meteroiten zu entkommen. Um die lange Reise zu überstehen, wurden sie in Kokons in einen Kälteschlaf gelegt. Und nun scheint Elaine die Einzige zu sein, die den Absturz und die Reise überlebt hat. Zwar hat sie einige technische Hilfsmittel und Nahrung, aber am meisten hilft ihr die Erinnerung an die Zeit mit ihrem Großvater, ein Inuit, mit dem sie auf Grönland gelebt hat.


Wie ist es, wenn die Zukunft die Vergangenheit ist und die Vergangenheit die Zukunft? Elaine muss sich in einer unwirtlichen Welt zurechtfinden, die sie Winterthur nennt. Dass sie ihre Jugend auf Grönland mit ihrem Großvater verbracht hat, hilft ihr bei der Bewältigung der täglichen Aufgaben. Auch die wissenschaftliche Ausbildung ist hilfreich, aber die ihr Durchhaltevermögen und ihren Ideenreichtum zieht sie aus der Zeit mit ihrem Großvater. Doch wie lange kann sie alleine überleben? Und wie soll sie die Technik, die ihr noch zur Verfügung steht, einsetzen? 


Dieser dystopisch angehauchte Roman spielt in einer Zeit nach der großen Katastrophe. Doch schon vorher hatte sich die Welt verändert. Trotz herausragender technischer Entwicklungen ist das Leben nicht unbedingt besser geworden. Und die herannahende Katastrophe bietet nur wenigen eine Chance zu überleben. Der Autor macht daraus ein interessantes Gedankenspiel um Vergangenheit und Zukunft und die Fähigkeit zu bestehen. Welcher Hintergrund befähigt zu überleben. So stecken schließlich mehrere Geschichten in dem Buch, die jeweils einen neuen Blickwinkel eröffnen. Dadurch entstehen zwar auch Brüche, doch ebenso entstehen Ansätze, über das Gelesene nachzudenken. Darüberhinaus erfährt man einiges über das Leben der Inuit, die einen anderen Blick auf die Natur haben oder sich einfach etwas erhalten haben, was woanders zumindest zum Teil verloren gegangen ist. Dieser Roman ist eine Besonderheit, für die man etwas Zeit einplanen muss. Zeit, die sehr gut angelegt ist.


4 Sterne


Fremdes Licht von Michael Stavarič

ISBN: 978-3-630-87551-4




Samstag, 12. Dezember 2020

Chloe und Red

In ihren jungen Jahren hat Chloe Brown eine chronische Krankheit erworben, die ihr Leben nunmehr seit langem sehr einschränkt. Doch Chloe will nicht mehr länger alles dieser Krankheit unterordnen. Aus dem Gedanken folgt der Entschluss, endlich eine eigene Wohnung zu beziehen. Unterstützung bekommt sie dabei von ihrer Familie, insbesondere von ihren beiden Schwestern. An ihr neues Leben muss sich Chloe erstmal gewöhnen, doch der Auszug war nur der erste Punkt auf ihrer Liste. Bei der Erfüllung einiger weiterer Listenpunkte kann ihr vielleicht der nette und ansehnliche Hausmeister der Wohnanlage helfen. Eine Gelegenheit bietet sich Red als Chloe beim Versuch eine kleine Katze zu retten im Geäst eines Baumes strandet.


Bei diesem Roman handelt es sich um den ersten Band der Trilogie um die Brown Schwestern. Chloe Brown ist eine empfindsame junge Frau, die sie aus dem Leben zurückgezogen hat, nachdem sie erkrankte. Sie hat mit ihren gesundheitlichen Problem zu kämpfen und für viele Dinge fehlt ihr einfach die Kraft. Mit dem gut aussehenden Hausmeister Red Morgan will Chloe eigentlich nichts zu tun haben. Nur wenn sie ganz ehrlich wäre, würde sie vielleicht zugeben, dass er ein doch sehr interessanter Mann ist. Natürlich hat Chloe ihn auch nicht heimlich beobachtet.


Mit großer Empathie beschreibt die Autorin das nicht ganz einfache Leben ihrer Protagonistin, die doch versucht, dass Beste aus ihrem Leben zu machen. Und Red Morgan entpuppt sich ebenfalls als frecher, aber auch verletzlicher Charakter. Besonders zu Beginn reißt die Story um Chloe und Red den Leser mit. Die witzigen Wortgefechte, hinter denen die beginnenden Gefühle versteckt werden sollen. Letzteres gelingt natürlich nur bruchstückhaft. Nach und nach geht es zwischen den Beiden richtig heiß her, wobei man hier die Deutlichkeit nach der Aufmachung des Buches nicht unbedingt erwarten würde. Doch es es den Protagonisten gegönnt. Es ist schon eines der Bücher, bei denen man nach dem Lesen der Beschreibung schon weiß wie es ausgehen wird, aber das tut dem Vergnügen bei der Lektüre keinen Abbruch.


4 Sterne


Kissing Chloe Brown von Talia Hibbert

ISBN: 978-3-548-06284-6

Donnerstag, 10. Dezember 2020

Die verlorenen Seiten

Noch immer weilt der argentinische Doktorand, dessen Vorname mit einem G beginnt, in England. Und wieder sucht er Rat bei Professor Arthur Seldom und kommt so in Berührung mit der Lewis-Carroll-Bruderschaft, deren Mitglied Seldom ist. Seldoms ehemalige Studentin Kirsten Hill ist zufällig auf einen Hinweis zu Carrolls Tagebüchern gestoßen, der als verschollen galt. Die junge Frau ist sehr aufgeregt, denn dieser Hinweis lässt Lewis Carrolls Wirken in einem anderen Licht erscheinen. Seldom und sein Doktorand wollen Kirsten überzeugen, dass sie sie an ihrem Wissen teilhaben lässt. 


Zum zweiten Mal haben Arthur Seldom und sein Doktorand und Chronist es mit einem ungewöhnlichen Fall zu tun, den sie nur mit logischem Denken lösen können. Die Lewis-Carroll-Bruderschaft will die Tagebücher des bekannten Autors neu auflegen. Schwebt Kirsten nach ihrer Entdeckung vielleicht in Gefahr. Die Bruderschaft ist jedenfalls in Aufruhr, schließlich muss sie möglicherweise ihr Bild des Autors überdenken. Die Mitglieder wollen Kirsten Hill überzeugen, ihr Wissen zu offenbaren. Hill jedoch will etwas eigenes veröffentlichen. Als es zu Todesfällen kommt, wird die Situation immer brenzliger. Seldom und der Doktorand suchen nach den entscheidenden Spuren.


Um Lewis Carrolls Buch „Alice im Wunderland“ und sein frühes Interesse an Fotografie spinnt der Autor eine ungewöhnliche Kriminalgeschichte. Professor Arthur Seldom und sein Doktorand versuchen sich gegenseitig zu überflügeln mit ihren logischen Gedankengängen. Dass es dabei für die Leser sehr interessant und spannend wird, ist keine Frage. Man erfährt mehr über Carrolls vielschichtige Persönlichkeit und auch einiges über die skurrile britische Gesellschaft, in der eine Bruderschaft sich der Forschung über den Autor verschrieben hat. In eher ruhiger Weise verläuft die Handlung, fesselt aber dennoch. Immer neue Geheimnisse gilt es zu entdecken und Rätsel zu lösen. Seldom und sein Doktorand bilden ein überzeugendes und sympathisches Team.


4 Sterne


Der Fall Alice im Wunderland von Guillermo Martínez 

ISBN: 978-3-8479-0046-7




Sonntag, 6. Dezember 2020

Rockstar

Brad Galloway spielt auf der Waldbühne, die Menge jubelt. Der Musiker wird jedoch durch eine junge Frau aus dem Konzept gebracht, die ihm einen Umschlag überreicht. Wenig später wird Galloway tot aufgefunden und Kommissar Tom Babylon übernimmt. Wer kann etwas gegen den bekannten Rockstar gehabt haben? In seinem direkten Umfeld scheint niemand ein Motiv zu haben. Aber wer war die Frau auf der Bühne? Schnell stellt sich heraus, dass der Ursprung der Tat in der Vergangenheit liegen muss. Doch wessen Vergangenheit gemeint ist, lässt sich nicht so schnell klären. Allerdings könnte Tom Babylon persönlicher betroffen sein als er sich vorstellen kann.


Gemeinsam mit der Psychologin Sita Johanns ermittelt Kommissar Tom Babylon für das Berliner LKA in seinem dritten Fall. Und im Musikermilieu war wirklich nicht mit so einem Mord zu rechnen. Zwar hatte Brad Galloway das eine oder andere Geheimnis. Das hatte allerdings mehr mit seinem unsteten Leben als Rockstar zu tun. Da würde man jedoch nicht unbedingt ein Motiv vermuten. Oder würde ein gehörnter Liebhaber oder Ehemann so einen Mord begehen? Und auch in seinem Privatleben kommt Tom Babylon an einen Wendepunkt. Sein Verhältnis zu seinem Vater ist eigentlich schon angespannt seit seine Mutter in den letzten Monaten des Bestehens der DDR verstorben ist.


Zu Beginn fragt man sich wie hier verschiedene Handlungsstränge zusammenwirken sollen. Doch je weiter man liest desto mehr Einsicht gewinnt man und desto spannender wird es. Überhaupt mag man diesen packenden Thriller nach einer Weile nicht mehr aus der Hand legen. Als Unterhaltungslektüre ist dieser Roman sehr ausgefeilt und es werden interessante zeitgeschichtliche Themen mit einem aktuellen Geschehen verquickt. Ein Teil der deutsch-deutschen Vergangenheit wird packend aufgearbeitet und mal wieder kann man erfahren, wie wenig man mitunter den eigenen Vater kennt. Dazu kommt der Todesfall, mit dem einiges ausgelöst wird, das für Babylon nicht leicht zu verarbeiten ist, welches den Leser allerdings ausgesprochen fesselt. 


4 Sterne


Die Hornisse von Marc Raabe

ISBN: 978-3-8437-2446-3




Samstag, 5. Dezember 2020

Flüsterwind

Er ist ein Spurenleser und Jäger, seine Fähigkeiten setzt er ein, um Menschen zu helfen. Zum Beispiel bei der Suche nach vermissten Personen. Colter Shaw ist mit der Natur verbunden und ein versierter Kämpfer. Obwohl er ein Einzelgänger ist, hat er doch ein Netzwerk von Unterstützern. Wer Colter Shaw wirklich ist, weiß allerdings keiner so genau. Denen, die ihn um Hilfe bitten, ist das auch egal. Shaw gelingt es, die Studentin Sophie Mulliner zu finden und zu befreien. Um die Belohnung geht es ihm eigentlich nicht, wichtiger ist es ihm, die junge Frau wohlbehalten nach hause zu bringen.


Mit Colter Shaw lässt der Autor einen neuen Akteur die Bühne betreten. Dabei ist Shaw keiner der üblichen Detektive. Zwar arbeitet er mit der Polizei zusammen,  wenn aber die Beamten keinen Ermittlungsansatz sehen, fängt Shaws Tätigkeit mitunter erst an. Er analysiert die Situation und schätzt sie ein und danach entscheidet er ruhig und überlegt, wie er vorgehen will. Seine spezielle Art verdankt er der Art wie er aufgewachsen ist. Seine Eltern sind aus Berkeley in die Einöde gezogen als Colter erst vier Jahre alt war. In seinem ersten Fall ahnt Colter Shaw nicht, in was er hineingeraten ist als er mit der Suche nach Sophie beginnt.


Zu Beginn muss man sich etwas mit Colter Shaw anfreunden, denn er erscheint doch etwas unterkühlt, um nicht zu sagen hart. Je mehr man allerdings von seiner Vergangenheit erfährt, desto besser versteht man sein Handeln und desto sympathischer wird er. Sein erster Fall führt in die Welt der Videospiele. Eine Welt, die man mit leichtem Unverständnis, aber gebanntem Interesse bestaunt, wenn man selbst kein Spieler ist. Toll, wie Shaw die Situationen genau durchdenkt und zu schlüssigen Lösungen kommt. Jeffery Deaver wäre allerdings nicht Jeffery Deaver, wenn er für seine Leser nicht einige Überraschungen im Angebot hätte. So zeichnet sich Colter Shaw auch durch die Größe aus, zu erkennen, wann er falsch liegt und nach einem neuen Ansatz suchen muss. Dabei gibt es neben dem Fall eine ausgesprochen spannende Rahmenhandlung, die sicherlich dazu beiträgt, den Wunsch nach mehr von Colter Shaw zu stärken. Ein gelungener Reihenbeginn von einem versierten Autor, der es versteht, die Leser zu fesseln.


4 Sterne


Der Todesspieler von Jeffery Deaver

ISBN: 978-3-7645-0749-7