Mittwoch, 29. Juni 2022

Ein Schmöker

Fred hat es geschafft. Sie ist die erste in der Familie, die studiert hat, Jura. Und sie hat noch etwas geschafft, sie ist Konsulin im diplomatischen Dienst. Mit knapp Fünfzig, eine steile Beamtenkarriere. Ihr Einsatz in Montevideo ist so schön, dass es eher langweilig ist. Doch als eine deutsche Touristin stirbt, fühlt es sich wie ein Versagen an. Sieht das auch ihr Arbeitgeber so? Jedenfalls wird sie nach Istanbul versetzt. Das liegt jedenfalls mehr am Geschehen. Ein Fortschritt allerdings, der sich als trügerisch erweisen kann. Das muss Fred ziemlich schnell feststellen als sie versucht, einen türkischstämmigen jungen Mann mit deutschem Paß vor dem Gefängnis bewahren will.


Ein wenig erinnert diese Diplomatin an die TV-Diplomatin. Auch sie mischt sich ein, hat Ideale und eine gewisse Vorstellung vom diplomatischen Dienst. Allerdings kommt Fred nicht umhin zu merken, dass sich ihre Vorstellungen nicht immer in der Wirklichkeit widerspiegeln. Schon bei dem Vorfall in Montevideo, wo sie sich etwas unglücklich anstellt, spürt sie einen kleinen Knacks. Richtig auf die Probe gestellt werden ihre diplomatischen Fähigkeiten, die sie am liebsten manchmal für deutliche Worte über Bord werfen würde, jedoch in Istanbul, wo die Politik entscheidet, wer als Terrorist angesehen wird.


Ein Schmöker, sagt Elke Heidenreich. Und das ist natürlich ein Grund, das Buch sofort in die Hand zu nehmen, welches einem gerade bei der Bücherei zwischen die Finger geraten ist. Auch wenn man sich unter einem Schmöker vielleicht etwas anderes vorstellt, ist dieser Roman doch sehr spannend. Für einen Schmöker mangelt es ein wenig an Leichtigkeit und undiplomatischer Krimihandlung. Dafür bekommt man einen interessanten Einblick in den diplomatischen Dienst und einen Eindruck von den kafkaesken Verhältnissen in einem gewissen Land, wenn es darum geht, unliebsame Menschen weg zu sperren. Natürlich entscheiden dann nicht Tatsachen über den Status, sondern der politische Wille. Dass die Diplomatin beginnt, an ihrem Beruf zu zweifeln, ist irgendwie kein Wunder. Ein Stück möglicher Wirklichkeit mal aus einer ganz anderen Perspektive. Man kann gut nachvollziehen, dass das Buch Elke Heidenreich gefallen hat.


4 Sterne


Die Diplomatin von Lucy Fricke

ISBN: 978-3-546-10005-2




Sonntag, 26. Juni 2022

Die Unendlichkeit

Nun ist John Rebus schon eine Weile in Pension. Wegen seiner Lungenerkrankung hat er die Gelegenheit wahrgenommen, ins Erdgeschoss zu ziehen. Etwas, worauf er wirklich keine Lust hatte, aber wenn im selben Haus eine bequemere Wohnung frei wird, muss man einfach zuschlagen. Als sich seine Tochter aus dem Norden meldet und berichtet, dass ihr Lebensgefährte verschwunden ist, stehen noch die ganzen Kisten rum. Natürlich fährt Rebus trotzdem sofort los, um zu helfen. In Edinburgh ist einer der jungen reichen Schönen tot aufgefunden worden, wobei sich die Ermittlungen in diesem Mord als brisant erweisen eben wegen der Verbindungen des Verstorbenen als brisant erweisen könnten.


In seinem 23. Fall um John Rebus hat der Autor seine Protagonisten Rebus und Malcolm Fox erneut zusammengeführt. Das Verschwinden von Samanthas Lebensgefährten macht John schon zu schaffen. Die Beziehung zu seiner Tochter ist eh nicht die Einfachste und Rebus ist klar, wenn etwas Schlimmeres passiert sein sollte, wird Sam die erste Verdächtige. In Edinburgh bricht Siobhan Clarke derweil ihren Urlaub ab, in dem sie Rebus beim Umzug helfen wollte. Der Mord an dem reichen jungen Mann ist einfach zu  mysteriös und warum hat die vorgesetzte Behörde Malcolm Fox geschickt, um die Nachforschungen zu unterstützen? 


Zum Glück erklärt der Autor genug, damit man den Fall auch ohne Vorkenntnis der kompletten Rehei verstehen kann. Dennoch ist es günstig, wenn man sich wenigstens ein wenig in Rebus’ Welt auskennt. Zwar entwickelt sich der Fall etwas langsam, was möglicherweise eher ein Markenzeichen als ein Manko ist, aber die Zusammenhänge sind so geschickt verwickelt, dass man immer neugierig bleibt. Die Sorge um seine Tochter, ist Rebus anzumerken. Dass die Beiden darüber in Streit geraten, kein Wunder. Dennoch bleibt Rebus der Ermittler, der die Wahrheit sucht, auch wenn er tatsächlich Angst vor dem Ergebnis hat. Da haben Clarke und Fox, die sich gegenseitig belauern, mehr Distanz. Doch gerade Clarkes gradlinige Untersuchung führt immer wieder zu entscheidenden Entdeckungen. Ian Rankin steht für sorgfältig ausgearbeitete intelligente Kriminalromane, die gerne wiedergelesen werden können.


4 Sterne


Ein Versprechen aus dunkler Zeit von Ian Rankin

ISBN: 978-3-442-31558-1






Samstag, 25. Juni 2022

Das Geheimnis

Bei einer Veranstaltung lernt Hauptkommissar Fredrik Beier einen Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums kennen, der kurz darauf grausam ermordet in einer Autowaschanlage aufgefunden wird. Beier und sein Team beginnen fieberhaft zu ermitteln, schließlich hatte der Tote Beziehungen in die Politik und man weiß noch nicht, ob bei der Tat auch ein politisches Motiv vorliegen könnte. Nur wenig wird Beier von der Freundin einer Journalistin gebeten, sich mit ihr in Verbindung zu setzen. Sie kann ihre Freundin nicht erreichen und sie befürchtet, es könnte etwas passiert sein. Da Beier die Journalistin flüchtig kennt, verspricht er, Nachforschungen anzustellen.


Mit diesem dritten Fall scheint die Reihe um Fredrik Beier abgeschlossen zu sein. Ein verwickelter Fall, der beinahe unlösbar scheint, beschäftigt Beier und sein Team. Richtig rätselhaft wird es, als der Name von Beiers Vater auftaucht. Dieser ist schon vor langer Zeit verstorben und Beier hätte nie gedacht, dass die Erfahrungen seines Vaters ihm heute wieder bedeutungsvoll erscheinen könnten. Wie überhaupt alles bei der Ermittlung gestaltet auch die Suche nach der Journalistin schwierig. Und auch Beiers Partnerin bei der Polizei ist nicht so bei der Sache, wie Fredrik es sich wünschen würde.


Auch wenn sich der Fall etwas langsam entwickelt, was bei seinem eigentlich kein Wunder ist, so sind die Machenschaften der Verbrecher und ihre Beziehungen in die vermeintlich normale Welt sehr packend ausgemalt. Beier ist persönlich betroffen und man kann gut nachvollziehen, dass er sich machmal mühen muss, noch bei der Sache zu bleiben. Seiner Kollegin geht es ähnlich, auch sie wird von ihrer Vergangenheit eingeholt. Beim Lesen ist man dann erstaunt, wie sich alles zusammenfügt und auch zusammenpasst. Ob man sich einen solchen Kriminalfall im wirklichen Leben vorstellen kann, muss dahingestellt sein. Auf jeden Fall ist man gefesselt und empfindet die Reihe als schlüssig beendet. Diese Trilogie ist sehr empfehlenswert. 


4 Sterne





Der Verräter von Ingar Jonsrud

ISBN: 978-3-7645-0589-9





Samstag, 18. Juni 2022

Wittgenstein

Kluftinger hat es dem Verurteilten versprochen. Er glaubt, dass dieser nicht der Mörder war und er wird den wahren Täter finden. Der alte Mordfall einer jungen Lehrerin ist vor Gericht zwar abgeschlossen, aber doch ungeklärt. Für Klufti ist es ein Schatten auf seiner Laufbahn, schließlich hatte er den mutmaßlichen Täter als junger Polizist gefasst. Was ist damals wirklich geschehen? Und das ist nicht das einzige Problem. Seiner Erika geht es nicht gut. Seitdem er entführt worden war, wird sie nicht mehr froh, obwohl doch alles relativ gut ausgegangen ist. Und für den verstorbenen Kollegen Strobl kommt eine neue Kollegin in die Abteilung.


Zum elften Mal ermittelt Kluftinger gemeinsam mit seinem Team und der Neuen Lucy Beer. Dabei hat er es zu hause nicht leicht. Erika hat die Ereignisse des Letzten Falls sehr schwer genommen und hat Mühe, alles zu verarbeiten. Und dieser Fall lässt ihm einfach keine Ruhe. Zusätzlich haben sie ihn zum kommissarischen Polizeipräsidenten gemacht. Das wäre eine Ehre, wenn damit nicht auch administrative und repräsentative Tätigkeiten verbunden wären, was Klufti überhaupt nicht leiden kann. Noch hat er keinen gefunden, auf den er das abwälzen kann. Ein Lichtblick ist das kleine Enkelchen, das bald getauft werden soll.


Die Kluftinger-Krimis bieten routinierte, aber immer gute Unterhaltung. Bei diesem neuen Fall ist Kluftinger persönlich betroffen. Dass er beim letzten Fall wirklich in Gefahr geraten ist, spornt ihn ebenso an, wie die Schuldgefühle, die ihn plagen, weil er damals den Falschen gefasst hat. Hartnäckig macht sich Klufti auf die Suche nach der Wahrheit. Doch Kluftinger wäre nicht Kluftinger, wenn er nicht ein ums andere mal mit den Tücken des Alltags hadern würde. Seine grantelnde Art macht aber gerade einen großen Teil seines Charmes aus. Er und seine Mitstreiter bilden ein sympathisches Team, das man gerne im Regal willkommen heißt.


4 Sterne



Funkenmord von Volker Klüpfel und Michael Kobr

ISBN: 978-3-550-08180-4




Donnerstag, 16. Juni 2022

Am Ende des Dorfes

Am Ende des Dorfes wohnen die von der Bagage, die armen Leute. Josef und Maria Mossbrugger leben mit ihren vier Kindern leidlich zufrieden. Doch gleich zu Beginn des ersten Weltkriegs wird Josef eingezogen. Er bittet den Bürgermeister, auf seine Frau aufzupassen. Als dann der Georg aus Hannover auftaucht, der spricht wie geschrieben, gerät Maria unter Verdacht. Läuft da etwas?  Das Dorf ist misstrauisch. Und der Bürgermeister kommt der Bitte Josefs auf sehr ungewöhnliche Art nach. Während seines Heimaturlaubs merkt Josef nichts und als Maria ihm schreibt, dass sie schwanger ist, freut er sich auf das Kind.


Bei der Erzählerin handelt es sich um die Enkelin Marias und die Tochter des Mädchens, mit dem Maria schwanger war. Grete, die den Familienfrieden aufgerührt hat. Die Zeit, in der Josef weg war, in der die Schönheit Marias nicht nur den Fremden durcheinander gebracht hat, sondern auch den Bürgermeister, der Josefs Bitte so eigenwillig auslegt, dass sich ihre Kinder genötigt sehen, die Mutter zu beschützen und zu verteidigen. Und der Verdacht ist da, zu seiner Tochter Grete wird Josef zu seinen Lebzeiten nie ein direktes Wort sagen und ihren Namen nicht aussprechen.


Die Autorin, deren Roman auch autobiographische Züge aufweist, hat eine beeindruckende Art zu erzählen. Sie ist es, die Recherchen anstellt zum Leben ihrer Großmutter und oft ist es die Schwester der Großmutter, die Auskunft gibt. Doch Monika Helfer gibt allen eine Stimme, lässt ihre Sicht der Dinge vor den Augen des Lesers erstehen. Eine Familie, die mit der Außenseiterposition im Dorf klarkommen muss, die Generationen braucht, um das zu schaffen. Eine Familie der Überlebenden, die ihre Geschichten genauso haben, wie die Verstorbenen. Das Leben war hart und manchmal kurz. Trotzdem wurde den Kinder so viel Liebe gegeben wie möglich. An anrührendes Buch, in dem deutlich wird, dass sich die Gegenwart aus der Vergangenheit erklärt.


4 Sterne


Die Bagage von Monika Helfer

ISBN: 978-3-423-25447-2




Montag, 13. Juni 2022

Am Filmset

Endlich wird Capitaine Eva Rosiéres Roman verfilmt, sie selbst darf sich als Drehbuchautorin bezeichnen und sie ist auch häufiger am Set anzutreffen. Dass der Regisseur sich in ihre Arbeit gedrängt hat und nun auch noch als Autor vor ihr genannt werden will, begeistert sie nicht. Aber natürlich würde sie deshalb keinen Mord begehen. Trotzdem ist der Regisseur tot und Eva die Hauptverdächtige. Zum Glück erklärt sich Commissarire Anne Capestan bereit, ihre Elternzeit zu unterbrechen und die Ermittlungen zu übernehmen. Es stellt sich heraus, dass der Regisseur des Films nicht besonders beliebt war, doch bis auf wenige scheinen alle Verdächtigen ein Alibi zu haben.


Der dritte Fall von Kommando Abstellgleis, die Brigade der Aussortierten, die erstaunlich gute Arbeit leistet. Commissaire Anne Capestan führt gleich ein neues Teammitglied ein, ihre Tochter Joséphine, für die sie keine Kinderbetreuung gefunden hat. Die Suche nach dem Täter gestaltet sich nicht nur deshalb schwierig, sondern auch weil die Verdachtsmomente gegen Eva schon sehr offensichtlich sind. Das weiß auch der Staatsanwalt, der nicht besonders glücklich über seine Darstellung in ihren Büchern ist. Als junge Mutter kämpft Anne mit dem Schlafdefizit und dem Stillstand im Kopf, dessen Denken so von Jeséphine eingenommen ist. Da müssen die Teammitglieder schon mal für sie einspringen.


Sehr unterhaltsam ist dieser Fall für das schräge, aber erfolgreiche Kommando Abstellgleis. Vielleicht nicht ganz realitätsnah, denn welche hochgestellte Beamtin ist schon als Autorin am Filmset zu finden, auch wenn sie beurlaubt ist. Dennoch ist es spannend zu lesen, wie das Team sich ins Zeug legt, den wahren Mörder zu finden, auch weil sie Eva einfach glauben, dass sie es nicht war. Da zweifelt man als Leser schon eher, doch auch gegen Mitglieder des Filmteams ergeben sich Verdachtsmomente. Hinweise dazu hat die Autorin geschickt gestreut. Etwa, um zu verwirren? Am Ende weiß man es und hat sich während der Lektüre sehr gut unterhalten.


4 Sterne


Mission Blindgänger von Sophie Hénaff

ISBN: 978-3-570-10397-5





Sonntag, 12. Juni 2022

Wolf nicht Fuchs

Nach ihrer Geburt schreit Harriet Wolf nicht, sie ist blass, fast durchscheinend. Es wird befürchtet, dass sie nicht lange überlebt und wenn doch, dass sie sehr eingeschränkt sein wird. Ihrer Mutter wird daher erzählt, sie sei tot geboren. Harriet wird in ein Kinderheim für zurückgebliebene, körperlich oder geistig behinderte Kinder gebracht. Harriet ist allerdings eine echte Kämpfernatur. Sie überlebt. Im Heim ist ihr bester Freund Epitt Clapp, der Probleme mit der Lunge hat und manchmal ganz Worte verschluckt. Als Harriet das Heim verlassen darf, weil ihre Mutter herausgefunden hat, dass sie lebt, ist Epitt derjenige, den sie schmerzlich vermisst.


Das Leben der Vorfahren ist manchmal interessanter und turbulenter als die Nachkommen es sich vorstellen können. Harriet Wolf wird nach ihrem nicht so vielversprechenden Beginn des Lebens eine gefeierte Romanschriftstellerin. Doch erst ihre Enkelin Tilton, die selbst unter verschiedenen Krankheiten und Allergien leidet und deshalb von ihrer Mutter über die Maßen behütet wird, widmet sich den Geheimnissen ihrer Oma. Gibt es vielleicht ein weiteres Buch? Tilton, deren Schwester Ruth schon mit sechzehn von zu hause abgehauen ist, hat die Gelegenheit, sich dem wahren Leben zu stellen, weil ihre Mutter unerwartet ins Krankenhaus gekommen ist.


Zu Beginn dieses Romans muss man sich erstmal sortieren. Aus vier verschiedenen Sichtweisen kann man Harriet Wolf, ihre Tochter und ihre Enkelinnen kennenlernen. Sich an die sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten anzunähern, fällt manchmal nicht leicht, obwohl sich die Beweggründe der Frauen im weiteren Verlauf gut erschließen. Schließlich versteht man die große tragische Liebe Harriets und ihre Auswirkungen auf ihre Nachkommen. Dann kann man eintauchen in spannende, vielfältige und ungewöhnliche Lebensläufe. Wieso ein Fuchs über das Cover des Buches schleicht, in dem an Tieren eher Katzen, Hunde und Löwen auftauchen, erschließt sich nicht. Ansonsten ist der Umschlag ausgesprochen schön gestaltet. Auf der Suche nach Harriets siebten Wunder kann man die Zeit vergessen.


4 Sterne


Harriet Wolfs siebtes Buch der Wunder von Julianna Baggott

ISBN: 978-3-442-71672-2




Donnerstag, 9. Juni 2022

Die Autorin

Die junge Emma Smart nach dem Tod ihrer Eltern zum Glück einen freundlichen Vormund, der ihr ein ruhiges Leben sichert. Insgeheim möchte Emma Theaterautorin werden und sie arbeitet an einem Stück. Ungewollt jedoch bricht das Leben über sie herein. Ihr Vormund hat über seine Verhältnisse gelebt und sitzt nun im Gefängnis. Emma ist verzweifelt, wie soll sie sich und ihren Onkel nur durchbringen. Zum ersten Mal im Leben muss sie ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. Das Glück ist ihr hold, sie findet eine Stelle als Gesellschafterin für die junge Anthea, deren Mutter sie unbedingt gut verheiraten will. 


Im London des Jahres 1807 haben Frauen wie Emma Smart es nicht leicht, ein eigenes Leben zu führen. Sie müssen zusehen, dass sie die Aufmerksamkeit eines Mannes auf sich ziehen, der am besten noch angesehen und reich sein soll. Der Traum als Autorin tätig zu werden, wird wohl in den meisten Fällen ein Traum bleiben. Männer, die derartige Wünsche unterstützen, sind ebenfalls rar gesät. Emmas Situation ist nach der Pleite ihres Vormundes alles andere als rosig. Doch als sie in ihrer neuen Eigenschaft als Gesellschafterin den arroganten Ambrose Beauchamp  wiedertrifft, ist Emma nicht begeistert. In ihrer Vorstellung sollte ein Mann doch bessere Qualitäten haben als dieser Schönling.


Emma Smart ist gewitzt wie ihr Name schon sagt. Aus einer fast aussichtslosen Situation heraus bekommt sie mit Glück eine Stelle. Auch wenn ihre Schutzbefohlene keinesfalls beabsichtigt, ihrer Mutter zu Willen zu sein, so ist sie doch umgänglich. Emmas Gegenpart Ambrose ist auf den ersten Blick hinreichend oberflächlich und auf Geld aus, auf den zweiten Blick hat er auch etliche freundliche Züge. Allerdings ist er von Stand und Emma kommt zwar aus einem guten Haus, mehr aber auch nicht. Werden die beiden eine Chance haben? So wie sie sich manchmal kabbeln scheint dies fast unausweichlich. Doch manche Verwirrungen können durchaus Zweifel hieran wecken. Dieser sonnige Roman über alte Zeiten unterhält bestens. Gerne liest man Kapitel für Kapitel und freut sich, dass Emma damals ihrer Zeit voraus ist und ihre Frau steht. Die Möglichkeit, freie Entscheidungen zu treffen, würde man ihr und eigentlich allen Frauen auch in der heutigen Zeit gerne gönnen.


4 Sterne


Die Ladys von Somerset von Julie Marsh

ISBN: 978-3-7466-3942-0




Montag, 6. Juni 2022

Die Campingclique

Lale muss einfach mal raus. Ohne jemanden zu benachrichtigen, setzt sie sich in den Zug und fährt. So landet sie bei Gustav und seinem in die Jahre gekommenen Campingplatz. Gustav ist ein mürrischer alter Knochen, doch irgendwie gibt er Lale genau die richtige Ansprache und sie beginnt bei der Renovierung des Platzes zu helfen. Bald taucht der Nachbarsjunge Flo immer häufiger auf. Zu dem Grüppchen stößt Christophe, der auf den Spuren seiner jüngst verstorbenen Mutter wandelt. Den schmeißt Gustav aber erstmal raus, bis er feststellt, dass er den ersten Touristen im Dorf wohl doch beherbergen sollte.


Ein paar Sommerwochen auf einem heruntergekommenen Campingplatz am See. Eigentlich nichts Besonderes, außer wenn die Menschen etwas daraus machen. Auf ihre Art haben sie alle ihre Geheimnisse, ihre Verletzungen, die sie mit sich herumtragen. Und doch wird dieser Sommer so als würden sie aus der Zeit heraustreten, in eine Welt, in der sich die Stunden gleichzeitig ewig und endlich anfühlen. Mit den Tagen wird Gustav umgänglicher, Lale gesprächiger, Flo erwachsener und in Chris wächst der Wunsch, von seiner Mutter zu erzählen und dem Brief. So ein Sommer darf eigentlich nie zu Ende gehen. Doch irgendwann ist er vorbei und das Leben hat sich verändert.


Man glaubt der Autorin gerne, dass sie so manche Tage auf verschiedenen Campingplätzen zugebracht hat. Sehr gut ist die Stimmung eingefangen, die dort herrscht. Wie in einem kleinen Mikrokosmos interagieren die handelnden Personen jeder auf seine spezielle Art. Schnell werden sie einem sympathisch. Auch wenn bald schon klar wird, dass es nicht nur um neue Ufer geht, sondern dass es auch gilt, sich zu stellen, so freut man sich doch, an diesem Sommer teilzuhaben, der die Campingclique für immer verändert. Ein sehr berührender Roman, der viel mehr bietet als das zugegebenermaßen schöne, auffällige und doch entspannende Cover.


4 Sterne


Ein unendlich kurzer Sommer von Kristina Pfister

ISBN: 978-3-596-70620-4




Samstag, 4. Juni 2022

Ferienhaus

Nachdem Annika ihre Hamburger IT-Firma sehr erfolgreich verkaufte, ist sie aufs Land gezogen. In ein idyllisches Reetdachhaus an der Schlei. Dadurch hat sich auch der Kontakt zu Flora, ihrer besten Freundin aus Jugendtagen, wieder intensiviert. Flora führt ein kleines, aber gutgehendes Restaurant für die Leute im Dorf und auch für mögliche Touristen. Ihre Kochkunst wird immer bekannter. Die Freundinnen verstehen sich wie in alten Zeiten. Lediglich Floras Verkupplungsversuche nerven Annika ein wenig. Die Trennung von Titus war damals schwierig, doch mit Hilfe von Hund Luchs ist Annika darüber hinweg und nur mäßig erfreut als Titus sich wieder meldet.


Mit ihren um die Vierzig ist Annika noch nicht alt und sie hat es geschafft. Mit ihrer Firma hat sie gutes Geld verdient. Nun ist sie finanziell unabhängig. Als Beraterin ihres ehemaligen Unternehmens kann sie sich aussuchen, ob und wie viel sie arbeiten möchte. Eigentlich erkundet sie lieber mit Luchs die Gegend. In Annika wächst eine Idee, was für Investitionen sie noch für sinnvoll halten würde. Und sie freut sich auf das erste Sommerfest, das Flora ausrichten wird. Etwas Besonderes für den Ort, dessen Bewohner Annika in der kurzen Zeit sehr liebgewonnen hat. Es ist wie ein kleiner Familienersatz, denn Annikas eigene Familie ist eher klein.


Dieser schöne Sommerroman um eine gestandene Geschäftsfrau, die noch etwas anderes will als immer nur in der Tretmühle zu stecken. Endlich kann sie entspannen, bei den Essen in Floras Deli, bei den langen Spaziergängen mit Luchs und mit ihren neuen Plänen. Annika ist keine Eigenbrötlerin, sie ist offen für neue Menschen, nur nicht so für neue Männer. Wenn die Gefühle sie übermannen, reagiert sie für ihren sonstigen Charakter eher kopflos. Dann wundert man sich als Leserin, wieso ihr bestimmte Sachen nicht auffallen. Dennoch überzeugt die liebevolle Beschreibung von Land und Leuten und den sympathischen Hauptpersonen. Dabei unterstützt die Vorleserin die Handlung und die Stimmung sehr gekonnt, ebenso wie das Cover, dass an das Blütenmeer in Annikas Garten denken lässt.


3,5 Sterne


Die Liebe braucht ein ganzes Dorf von Kerstin Rubel

ISBN: 978-3-8032-9286-5





Freitag, 3. Juni 2022

Der rote Faden

Während des ersten Weltkriegs muss Jacob den Krieg bestehen. Eigentlich dachten er und seine Kameraden, es ginge nach Budapest, doch sie landen in der Einöde. Dennoch ist das Leben durch die Kämpfe immer bedroht. Jacob hinterfragt den Sinn, findet jedoch keine Antwort. Eine Erleichterung ist daher die zeitweilige Unterbringung auf einem Hof. Einige Jahre später erlebt Henriette, die sich durch ein außergewöhnliches Wesen und eine besondere Schönheit auszeichnet, eine ruhige Zeit zwischen den Kriegen. Im Jahr 1968 entkommt Vicco nur knapp dem Tod. In Rumänien hat er sich seine eigenen kleinen Freiheiten genommen. Über vierzig Jahre später, überlegt Hedda, ob sie heimkehrt.


Vier Geschichten, vier Menschen, die auf ihre Art einsam sind. Vier Lebensabschnitte, die sich auf besondere Art ergänzen. Der Soldat Jacob möchte eigentlich keine Soldat sein. Er zeichnet sich durch Menschlichkeit aus. Henriette hat ein unabhängiges und ruheloses Wesen. Sie wirkt aufgeschlossen und manchmal träumt sie. Vicco braust mit dem Trabi schon mal sechshundert Kilometer ans Meer, doch er versucht, sich mit den Einschränkungen einen kommunistischen Landes abzufinden. Hedda hat es auf eine Insel gezogen, sie ist der Stadt entflohen und doch zieht es sie zurück.


In vier Erzählungen lernen die Leser und Leserinnen vier besondere Menschen kennen, über vier Generationen sind sie doch lose verbunden. Auf welche Art gilt es zu entdecken. Mit zarten Worten erzählt die Autorin von ihren Protagonisten, die alle auf ihre jeweilige Art besonders sind. Vor dem Hintergrund der zeitgeschichtlichen Ereignisse machen die Vier emotional aufwühlende Zeiten durch. Sie werden geprägt von der Zeit, in der sie leben und auch von ihren Familien. Über Generationen spüren sie die Auswirkungen vergangener Jahre. Obwohl nicht sehr umfangreich, sind die Erzählungen doch sehr präzise und inhaltsreich. Vielleicht kann nicht jeder rätselhafte Satz entschlüsselt werden, doch mit mit ihren prägnanten Beschreibungen schafft die Autorin stimmungsvolle Beschreibungen, die ihre handelnden Personen sehr lebendig werden lassen.


4 Sterne


So tun, als ob es regnet von Iris Wolf

ISBN: 978-3-608-11839-1




Donnerstag, 2. Juni 2022

Traumhaus

Nach seinem letzten Fall ist Kommissar Adam Danowski doch erholungsbedürftig. Er bekommt eine Kur genehmigt und fährt nach Damp 2000 an die Ostsee. Der Ort wirkt sehr entspannend, seine Anwendungen nimmt er eher so hin. In der Gruppe soll er über die Ereignisse redet. Allerdings fällt Danowski das sehr schwer und doch leicht als es soweit ist. In der Gesprächsgruppe taucht ungeplant die Mareike auf, die auch nichts erzählt. Eigentlich ist sie wegen einer orthopädischen Sache da. Die anderen Teilnehmer der Gruppe tauchen schneller auf. Vielleicht bringt die Reha doch etwas. Auch wenn der Blick aus seinem Zimmer auf den Parkplatz nicht der Tollste ist.


In seinem sechsten Fall hat Danowski zu seiner Hypersensibilität auch noch mit den Folgen eines traumatischen Erlebnisses zu kämpfen. Die Entspannung an der Ostsee wirkt sich durchaus positiv aus. Und so langsam reift in Danowski der Gedanke, er könne auch eine andere Arbeit übernehmen als die bei der Polizei. Sein neuer Chef will davon jedoch nichts hören. Der will ein Team nach seinem Gusto aufstellen. Aber Adam Danowski ist sich sicher, er wird sich durchsetzen. Doch dann wird er mit einem Todesfall konfrontiert, in dem er an seine Grenzen nicht nur als Beamter, sondern auch als Mensch kommt.


Von zwei Ebenen aus nähert sich dieser sechste Fall einem ungewöhnlichen Finale. Doch in diesem Roman nimmt die Verstimmtheit des Kommissars einen etwas zu großen Raum ein, während der Krimi doch sehr zu kurz und auch noch ganz anders daher kommt als man üblicherweise annehmen würde. Das ist immerhin überraschend, ob das jedem Leser gefallen wird, könnte zu bezweifeln sein. So langsam driftet diese eigentlich lieb gewonnene Reihe ein wenig arg ins Depressive. Der Autor soll so schreiben, wie es ihm aus der Feder fließt. Der Leser muss dann entscheiden, ob er die Reihe weiter verfolgen möchte. Trotz des sperrigen Endes gewinnt der Roman im Verlauf an Spannungsmomenten und bleibt unvorhersehbar.


3,5 Sterne


Danowski: Hausbruch von Till Raether

ISBN: 978-3-499-00534-3