Donnerstag, 13. August 2015

Ötzis Geheimnis

Commissario Grauner wäre manchmal lieber Bauer in seiner Heimat Südtirol, dann müsste er sich auch nicht mit seinem neapolitanischen Saltapepe herumplagen. Wie kann sich einer in den Bergen nur weigern, Winterreifen aufzuziehen. Doch als der Skipisten Toni eine Leiche findet, ist Grauner sofort in seinem Element. Ein Einsiedler des Dorfes hat einen Pfeil im Halse stecken. Unvorstellbar, dass jemand einen Grund gehabt haben soll, diesen bedauernswerten Kerl, der nichts mehr hatte, umzubringen. 

Grauner und Saltapepe granteln sich durch ihren ersten Fall, jeder überzeugt, dass die eigenen Methoden die einzig richtigen sind. Sooft sie anderer Ansicht sind, ergänzen sie sich bei der Lösung dieses Falles ausgesprochen gut. Nach und nach schaffen sie es die Geheimnisse, die der Tote verborgen hatte, aufzudecken. Das Leben des Einsiedlers war reicher als gedacht, er war einmal ein normaler Bürger des Ortes. Wieso änderte sich sein Leben so radikal. Kleinste Teilchen müssen zusammengefügt werden bis das Bild sich rundet. Dabei bleiben Grauner mit seiner pubertierenden Tochter und Saltapepe mit seiner Sehnsucht nach Neapel menschlich und sympathisch. Wenn Grauner seine Kühe beim Melken mit klassischer Musik berieselt und sein Kompagnon seine Leidenschaft für Eros Ramazotti pflegt, gerät das zu einem Running-Gag, der die Vorstellung von den beiden ungleichen Polizisten abrundet. 

Gefesselt ist man vom Geschehen, das sich schließlich zu einem Fall, der größere Bedeutung hat als es so ein einzelner Toter vermuten lässt, entwickelt. Manchmal gewitzt, manchmal nachdenklich hin und wieder grüblerisch vertieft sich Grauner in die Ermittlungen. Stimmig in die Seelenwelt der Südtiroler Bergbauern eingebettet bietet dieser packende Krimi um ein Ermittlerteam, von dem man gerne mehr lesen möchte, kurzweilige und ausgesprochen spannende Unterhaltung.


4 Sterne

Der Tote am Gletscher von Lenz Koppelstätter
ISBN: 978-3-462-04728-8


Montag, 10. August 2015

Schottlands Beste

Pippa Bolle ist glücklich für ihre Freunde Duncan und Anita. Diese haben Pippa zu ihrer Hochzeit nach Schottland eingeladen. Als halbe Engländerin fühlt sich Pippa auch in Schottland pudelwohl. Schon während der Überfahrt zu ihrem Ziel lernt sie die ersten Bewohner der Halbinsel Kintyre kennen. Überhaupt scheint dort jeder jeden zu kennen. Und Pippa ist gleich mitten im Geschehen. Schnell merkt sie jedoch, dass Duncan, der inzwischen die Whiskey-Brennerei übernommen, nicht so einen guten Stand hat. Vor kurzem erst gab es einen Unfall in der Brennerei, den ein Mitarbeiter nur knapp überlebt hat.

Wieder mal ist Pippa Bolle auf Reisen und sie hat sich ein echtes Sehnsuchtsziel ausgesucht. Die Halbinsel Kintyre und ihre Bewohner bilden einen pittoresken Rahmen für Pippas Abenteuer. Endlich scheint sie die Trennung von Leo überwunden zu haben. Mit ihren Übersetzungen und ihrer Housesitter-Agentur hat sie endlich eine gesicherte Grundlage. Und so kann sie sich auch mit dem Gedanken an eine neue Beziehung befassen, auch wenn die Scheidung noch nicht endgültig durch ist. Würde Pippa nicht mitten in den Ermittlungen über eine Schmugglerbande stecken, könnte Morris Tennant gerade die richtige Gelegenheit für eine neue Liebe bieten. 


Natürlich geht nicht immer alles glatt und Pippa versucht alles, um mögliche Aufregungen von ihrer Freundin Anita fern zu halten. Doch obwohl die Autorinnen ihr eine tolle Szenerie und einen möglichen neuen Partner schenken, lässt dieser Fall ein wenig die Leichtigkeit der vorherigen Erlebnisse Pippas vermissen. Glücklicherweise blitzt Pippas fröhliches und gewitztes Wesen hin und wieder auf. Sympathisch wie immer stolpert sie von einer ungewöhnlichen Lage in die andere und mit Hilfe ihrer zahlreich versammelten Freunde schafft sie es, alles zum Guten zu wenden und die Vorfreude auf das nächste Abenteuer zu wecken.

3,5 Sterne

Tote trinken keine Whiskey von Auerbach & Keller
ISBN: 978-3-548-61117-4


Sonntag, 9. August 2015

Mauerblümchen blühen anders

Charlie fürchtet sich ein wenig vor der Zeit der Highschool. Mit 15 ist das Leben eh nicht leicht und dann noch der Schulwechsel. Ein Mitschüler, mit dem Charlie viel abhing, hat sich das Leben genommen, ohne eine Erklärung zu hinterlassen. Und so muss Charlie die ersten Schritte im neuen Schuljahr nicht nur alleine tun, er wird auch zum Außenseiter, der sich schwer tut, neue Kontakte zu knüpfen. Erst nachdem er Sam und ihren Bruder Patrick kennenlernt, die etwas älter sind, wird es besser und Charlie beginnt mehr und mehr sich auf eigene Füße zu stellen.

Aufmerksam geworden den Film „The Perks of being a Wallflower“ wollte ich mir nun auch das Buch zu Gemüte führen. Die Verfilmung, in die ich eher per Zufall reingeschaltet hatte, zog mich nach und nach in ihren Bann, so dass ich mich schließlich voll darauf einließ und das Coming-of-Age von Charlie und seinen Freunden mitempfinden konnte. Gespannt, ob das Buch mich ebenso mitnehmen würde, las ich die ersten paar Seiten und musste mich zunächst daran gewöhnen, dass es sich um einen Briefroman handelt. Nichte gerade meine bevorzugte Art der Lektüre, doch schon nach einigen wenigen Briefen, konnte ich mich überzeugen, dass dies für Charlies Mitteilungsbedürfnis genau das richtige Medium ist. Ein wenig fühlte ich mich selbst wie der unbekannte Freund, dem Charlie sein Herz öffnet. Mehr und mehr konnte ich in die Handlung eintauchen, Charlies Empfindungen und Sehnsüchte nachfühlen, die seltsame Mauer erspüren, die er um sich errichtet hat. Manchmal scheint es, als ob er nie ganz dabei ist, als ob er derjenige ist, der einen Hauch abseits steht. Etwas, das seine Freunde unterschwellig erspüren, etwas, mit dem sie ihn sein lassen, und trotzdem Freunde bleiben, auch wenn es mal schwierig wird.


Die Pubertät, gleichzeitig oft die schönste und auch die schwierigste Zeit im Leben, man ist froh, sie hinter sich zu haben, sehnt sich aber oft zurück. Dieses herausragende und mitreißende Buch bringt ein wenig von der Zeit zurück und ist wohl für Leser aller Altersklassen eine wunderbar berührende Lektüre. Schließlich ergänzen sich Buch und Film bestens und so ist es bei ausreichendem Zeitabstand meiner Meinung nach egal, in welcher Form man die erste Begegnung mit Charlie wählt.

4,5 Sterne

The Perks of being a Wallflower von Stephen Chbosky
ISBN: 978-1-4516-9620-2


und die Leseprobe zur deutschen Ausgabe:






Samstag, 8. August 2015

Der Tod steht heute vor mir

Seit zwei Monaten ist der Todesermittler Jakob Franck pensioniert. Doch die Toten haben ihn noch nicht verlassen. Meist war er derjenige, der den Familien die Todesnachricht überbracht hat. Im Gegensatz zu vielen anderen Kollegen hatte er sich in diese wohl mit am Schwersten zu erfüllende Aufgabe hineingefunden. Vor mehr als zwanzig Jahren hat sich eine junge Frau, ein Mädchen fast noch, im Park erhängt. Doch erst jetzt sucht der Vater den ehemaligen Kommissar auf und bittet darum, die Sache noch einmal aufzurollen. Seine Tochter kann sich nicht selbst getötet haben, doch den wenn auch nur geringen Hinweisen auf Fremdeinwirkung wurde nicht eingehend genug nachgegangen.

Der Schriftsteller Friedrich Ani ist für seine ungewöhnlichen Kriminalromane mit ihren besonderen Ermittlern bekannt. Und auch hier hat er in Jakob Franck eine neue Figur geschaffen, die man nicht so schnell vergisst. Einer der die Toten erfühlt, der mit ihnen spricht, der nicht davor zurückscheut, sich einzulassen auf die Geschichten der Menschen. Und so nimmt er im Fall des Todes der jungen Esther die Nachforschungen auf. Ohne jeden Druck, da er nicht mehr im Dienst ist, kann er sich die Zeit nehmen, die er braucht. Den alten Hinweisen nachgehen und vielleicht Neue finden und  so stößt Franck auf das, was nicht gesagt wurde, spürt der Sprachlosigkeit der Menschen nach, entdeckt so manche erschreckende Wahrheit hinter der Fassade des Schweigens oder der Unachtsamkeit. Eine Dunkelheit senkt sich herab, die vorher nicht zu erahnen war.


Mit Jakob Franck stellt er Autor einen sympathischen neuen Ermittler vor, der als Pensionär die Freiheit hat, sich von seinen Empfindungen leiten zu lassen in genau der Form und der Zeit, die er für notwendig und richtig hält. Er fühlt sich ein, er fühlt mit. Und doch braucht er Mut und Unvoreingenommenheit, um sich auf seine Entdeckungen einzulassen und mit den Ergebnissen zu leben. Ein ruhiger aber herausragender Krimi, der dadurch besticht, dass es gelingt, den Leser auf eine Reise ins dunkle Unbekannte mitzunehmen und eine Entwicklung in Gang zu setzen, die die Dunkelheit erhellt.

4,5 Sterne

Der namenlose Tag von Friedrich Ani

ISBN: 978-3-518-42487-2



Donnerstag, 6. August 2015

Tod in der Provence

Zwar ist Pierre Durant freiwillig in sein neues Domizil in der französischen Provinz gezogen, dennoch vermisst er seinen ehemaligen Job als Kommissar. Nur noch als eine Art Dorfpolizist unterwegs, kann er das Ermitteln doch nicht lassen. Bei eigentlich klaren Zuständigkeiten ist dies nicht so einfach. Denn als der Dorfcasanova in einem Weinfass ertrinkt, muss Durant den Fall an den zuständigen Kommissar abgeben. Natürlich geht ihm das mächtig gegen den Strich und er findet einen Weg, sich in die Ermittlungen einzumischen. Gemeinsamen mit seinem übereifrigen Assistenten Luc begibt er sich daran, den Mordfall aufzuklären.

Ein heiterer Grundzug beherrscht diesen weiteren Provence-Krimi, der mit sympathischen Akteuren punktet. Pierre Durant, mehr oder weniger aus freien Stücken auf dem Land, hat dort seine Heimat gefunden. Als gewiefter Ermittler durchschaut er Rätsel manchmal schneller, ganz im Gegensatz dazu, Luc, der hin und wieder etwas schwerfällig und verbohrt wirkt und schließlich mit einer gewagten Aktion doch für sich einnimmt. In diesem ersten Fall wird Pierre Durant von seiner Freundin verlassen und auf sich allein gestellt, merkt er, dass das führen eines Haushalts doch mit Arbeit verbunden sein kann. Reuevoll möchte er seiner Ex ein schönes Mahl bereitet. Eine Idee, bei deren Ausführung die schöne Köchin Charlotte helfen soll. Eine Verquickung mit dem Fall ergibt sich, als festgestellt wird, dass der Tote auf eine Art und Weise „zubereitet“ wurde, die Charlotte auch in ihren Rezepten darstellt.


Mit einem Schmunzeln folgt man Durant auf seinem Weg zur Lösung des Rätsel. Mit leichter Ironie geht er gelassen ans Werk, um sich doch immer im richtigen Moment in die Arbeit zu knien oder im nächsten richtigen Moment, einen Kaffee einzunehmen oder einfach einmal die schöne Landschaft zu genießen. So ganz verliert er den Fall nie aus dem Blick, seinem Bauchgefühl folgend, steht er zu Freunden und Kollegen und kommt nach und nach hinter eine Intrige, die zunächst nicht zu erahnen war. Spannende Unterhaltung gepaart mit dem Eintauchen in schöne Landschaftsbilder, ein sympathischer Ermittler mit Ecken und Kanten, dessen Leben sich verändert - das zusammengenommen wirkt wie ein provenzalisches Rezept zum interessanten und kurzweiligen Zeitvertreib. 

4 Sterne

Provenzalische Verwicklungen von Sophie Bonnet
ISBN: 978-3-7341-0162-5





Montag, 3. August 2015

Astbury Hall

Rebecca Bradley bekommt einen Vertrag für einen Dreh in einem alten Herrenhaus in England. Gespannt macht sie sich auf den Weg, um die neue Aufgabe zu bewältigen. Ihr Schauspielerkollege und Freund Jack hat ihr gerade einen Heiratsantrag gemacht, doch Rebeccas Herz ist nicht so recht bei der Sache und sie kann nicht aus vollem Herzen zustimmen. Deshalb ist sie mehr als froh, ins ferne Europa zu reisen. Allerdings hat es die Nachricht von der angeblichen Verlobung der bekannten Schauspielerin auch schon in die britische Presse geschafft. Das Angebot Lord Astburys, während der Dreharbeiten im Herrenhaus zu wohnen, nimmt Rebecca erleichtert an und beginnt die Ruhe zu genießen.

Lucinda Riley ist für ihre gefühlvollen und dramatischen Geschichten bekannt. Und auch in dem vorliegenden Roman verknüpft sie die Geschichte der handelnden Personen über mehrere Generationen zu einer emotionalen Familien-Saga. In Indien Anfang des letzten Jahrhunderts nimmt die Handlung ihren Lauf. Die junge Anahita wird Gesellschafterin der Tochter einer fortschrittlich denkenden Maharani, die die jungen Mädchen in England auf die Schule schickt. Im alten Europa lernt Anahita die Liebe ihres Lebens kennen und eine tragische und bittersüße Beziehung entfaltet sich, die noch in der Gegenwart ihre Auswirkungen spüren lässt.


Beginnend mit einer ruhigen Schilderung zum Teil in Tagebuch Aufzeichnungen Anahitas, nimmt die eigentliche Handlung eher langsam an Fahrt auf. Nach und nach kann der Leser sich auf die Geschichte einlassen und Sympathien für die handelnden Personen entwickeln. Lange fragt er sich, wie die Fäden zusammengefügt werden mögen. Doch kann man der Autorin voll und ganz vertrauen und sich in die emotionale und berührende Lebensgeschichte Anahitas versenken. Träumend entschlüsselt man schließlich das Geheimnis um die Mitternachtsrose, die Tragik, die die Menschen erfuhren. Ein gelungenes Werk einer Autorin, die es versteht, ihre Leser anzurühren.

4 Sterne

Die Mitternachtsrose von Lucinda Riley
ISBN: 978-3-442-47970-2





Sonntag, 2. August 2015

Nur eine gute Tat

Vor einiger Zeit fiel dem Photografen Mark Taylor eine alte Kamera in die Hände. Obwohl es sich um ein gutes altes Stück handelt, wird Mark nicht glücklich damit. Denn so oft er auch wunderbare Bilder mit dem Apparat schießt, immer wieder findet furchteinflößende Abzüge, an deren Entstehung er sich nicht erinnern kann. Noch beängstigender werden für Mark die Träume, die er nachdem er die Fotos gemacht hat, im wahrsten Sinne des Wortes erleidet. Zusammen mit der Kamera kann er Ereignisse vorhersehen, die meist nicht gut ausgehen. Als Mark merkt, dass er die Ereignisse verhindern kann, wenn er rechtzeitig eingreift, opfert er dieser Lebensaufgabe fast alles. Richtig schlimm für ihn ist, dass er den Anschlag auf die Zwillingstürme nicht verhindern kann. Im Gegenteil, er gerät in Verdacht, in das Attentat involviert zu sein.

Nach der Lektüre dieses Romans, habe ich geschaut, ob es sich bei dem Autor um einen Mann oder eine Frau handelt. Überrascht hat es mich dann schon, dass ich es mit einer Autorin zu tun hatte. Durch den Verdacht, in den er geraten ist, wird Mark so etwas wie der Staatsfeind Nr. 1. Und die Autorin lässt ihre Leser bis in kleine Details daran teilhaben, wie die USA Menschen behandeln, die scheinbar als Gefahr für das amerikanische Volk identifiziert wurden. Szenen spielen sich ab, von seelischen und körperlichen Folterungen, intensiven Befragungen, schlechter Unterbringung und einem unstrukturierten Tagesablauf. Das alles ist schon beim Lesen schwer zu ertragen und ich zog tatsächlich in Erwägung, die Lektüre abzubrechen. Erst in der zweiten Hälfte des Buches erschließt sich, welchen Weg die Autorin für Mark Taylor vorgesehen hat. Dennoch bleibt der Beginn des Romans am Rande des Erträglichen. Und die Auseinandersetzung damit, was eine solche Behandlung mit einem Menschen anstellen kann, ist auch nicht einfach. Ich hatte an dem Geschehen zu knacken.


Ein spannender Thriller zwar, dessen Lektüre allerdings besonders zu Beginn eine Qual werden kann. 

3 Sterne

No good deed: Book One in the Mark Taylor Series von M. P. McDonald
ISBN: 978-1-47512107-0