Mittwoch, 7. November 2018

Knapp entkommen


Im Oktober vor einem Jahr ist der FBI-Berater Thomas Prescott bei einem Einsatz nur knapp dem Tod entronnen. Und nun hat ein Autor über die damalige Mordserie ein Buch geschrieben, das nach Prescotts Meinung nicht den Tatsachen entspricht. Der Serienkiller, der ein Jahr zuvor acht Frauen getötet hat, gilt als tot. Prescott jedoch ist sich sicher, der Killer ist noch am Leben und auf der Flucht. Doch niemand glaubt ihm. Und Prescott ist drauf und dran, die Ermittlungen auf eigene Faust wieder aufzunehmen. Die Lage ändert sich als eine Frau aus Prescotts Umfeld grausam zerstückelt wird. 

Bei diesem Buch handelt es sich um eine Neuauflage dieses Erstlingswerks zum 10-jährigen Jubiläum. Der Autor war beim Schreiben des Romans Anfang zwanzig. Zwar ist sein Charakter Thomas Prescott bereits Anfang dreißig, doch das jugendliche Alter des Autors scheint sich in den Eigenschaften seines Protagonisten widerzuspiegeln. Als nämlich Frauen aus Prescotts Umfeld geschützt werden sollen, fallen ihm auf die Schnelle 27 Personen ein. Darunter befindet sich selbstverständlich auch seine Schwester Lacey, die an Multipler Sklerose erkrankt ist. Um sie kümmert sich Thomas wirklich rührend. Wie er seine Frauengeschichten verwaltet ist dagegen schon etwas gewöhnungsbedürftig.

Die Idee einen Fall nach einem Jahr wieder aufleben zu lassen, ist allerdings spannend ausgearbeitet. Wenn man auch manchmal nicht richtig nachvollziehen kann, wie Prescott zu seinen Lösungsansätzen kommt, bleibt dieser Thriller doch fesselnd und zügig zu lesen. Ob es der etwas reichlichen Anzahl an Toten bedarf, mag dahin gestellt bleiben. Bis zum Schluss bleibt man neugierig, dem Täter das letzte Geheimnis zu entreißen. 

Ein insgesamt angenehm zu lesendes Erstlingswerk, dessen Humor einem Nicht-Muttersprachler nicht immer ganz leicht zugänglich ist, dass aber nie an Spannung vermissen lässt.


3 Sterne (🐳🐳🐳)

Unforeseen von Nick Pirog
ISBN: 978-0-9816-1350-5


Dienstag, 6. November 2018

Helheim


Die Winterferien sind vorbei und für Gwen Frost beginnt die Schule mit einem langweiligen Referat über die Artefakte, die an das nahegelegene Museum ausgeliehen wurden. Noch während des Besuchs werden die Mythos Academy Schüler von einer Bande aus Reapern überfallen. Gwen und ihre Freunde schaffen es nur knapp, die Angreifer zurück zu drängen. Deren Anführer verliert dabei einen Plan der Mythos Bücherei. Gwen, deren Mutter von einem weiblichen Reaper umgebracht wurde, hatte das letzte Artefakt, den Helheim-Dolch, versteckt, welches die Reaper noch brauchen, um ihren Gott Loki zu befreien. Nur schwer kann Gwen diesen erneuten Überfall verdauen, zwar hat sie selbst keine schweren Verletzungen, doch einige Mitschüler sind tot oder schwer verletzt. Trotzdem kommt ihr der Gedanke, der Dolch solle besser an einem noch geheimeren Ort versteckt werden.

Das Übersinnliche ist hier gepaart mit normalen Problemen, wie sie in der Pubertät auftreten. Gwen und ihre Freundin Daphne müssen damit leben, dass sich ihre Fähigkeiten entwickeln, so wie sie älter und stärker werden. Die Anpassung ist alles andere als leicht und sie geht nicht ohne große Stimmungsschwankungen ab. Fast schon nebenbei widmet Gwen sich der Aufgabe, die Welt zu retten. Etwas, was nahezu unmöglich scheint. Ein neuer Krieg soll verhindert werden, die geliebte Großmutter ist zu schützen, die Freunde sind zu unterstützen und der Feind ist zu bekämpfen. Reichlich zu tun für eine 17jährige.

Nach einem furiosen Beginn und einigen Wiederholungen, die eher überflüssig wirken, wenn man das Buch im Anschluss an den vorherigen Band liest, die aber Sinn machen können, wenn ein zeitlicher Abstand zwischen dem Lesen der Bücher liegt, entwickelt sich dieser Band sehr spannend und emotional. Gwen wird fast mehr abverlangt als sie ertragen kann und als Leser ist man geneigt mit ihr zu fühlen. Alles verändert sich und Veränderungen sind häufig nicht zum Besseren und daher häufig unerwünscht. Eine gewisse Dunkelheit legt sich über Gwens Welt und es ist zu befürchten, dass diese nicht so schnell verschwinden wird. 

Sehr schön wie hier die Mythologie mit einem relativ normalen Teenagerdasein verknüpft wird.


4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Dark Frost von Jennifer Estep
ISBN: 978-0-7582-6696-5


Montag, 5. November 2018

Tollund-Mann


Den Tollund-Mann wollten Tina und ihre Freundin Bella immer einmal sehen. Doch immer kam etwas dazwischen und nun ist Bella gestorben und die Chance auf die gemeinsame Reise ist dahin. Tina beginnt an das Museum zu schreiben, in dem der Tollund-Mann, eine gut erhaltene Moorleiche, bewahrt wird. Ihre Briefe landen bei dem Museumsmitarbeiter Anders, der seine Frau verloren hat. Obwohl nicht mehr ganz jung, entdecken Tina und Anders, dass ihnen ihr Briefwechsel immer wichtiger wird. Sie öffnen einander ihre Herzen manchmal mehr als sie es ihren Familienmitgliedern gegenüber wagen. Sie erzählen Anekdoten, von ihren Sorgen und Wünschen.

Als reiner Briefroman vielleicht in eine seltener gewählte Form gekleidet bietet der Roman eine berührende Handlung. Das freundlich, friedliche Gesicht des Tollund-Mannes, von dem Abbildungen im Internet präsentiert werden, passt sehr gut zu der Stimmung des Buches. Sieht man diesen vor langen Zeiten Verstorbenen, wirkt er so ruhig, mit einem kleinen Lächeln im Mundwinkel, dass man denkt, er habe sich nur mal eben schlafen gelegt. Selbstvergessen und entspannt. So eine schöne Stimmung verbreitet die Autorin auch mit ihren Worten. 

Zwar ist im Leben von Tina und Anders nicht alles immer Gold, aber sie wirken sehr gefestigt und mit großer Ruhe im Leben stehend. Trotz dieser Ruhe passiert so einiges und immer haben sie sich etwas zu berichten, finden Themen, über die sie reflektieren können. Erstaunlich, wenn man sich nie sieht, wie nahe man sich kommen kann. Und doch scheut Tina davor zurück, endlich ihre Reise anzutreten. Schließlich ist sie verheiratet und ihre langjährige Ehe will sie auf keinen Fall aufs Spiel setzen. Lieber genießt sie den Austausch mit Anders, der ihr mehr zum Seelenverwandten wird als sie je hätte glauben mögen. 

Ein Ausdruck in Form von Briefen, schafft eine gewisse Distanz, da nichts direkt passiert, sondern halt von Geschehnissen berichtet wird. Gleichzeitig bietet er auch eine große Nähe, wenn die Schreiber aus ihrem unverstellten Herzen berichten. Bei dem vorliegenden Band ist aus dieser Mischung aus Distanz und Nähe ein anheimelnder, sehr lesenswerter Roman gelungen.

4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Das Versprechen, dich zu finden von Anne Youngson
ISBN: 978-3-9596-7227-6


Sonntag, 4. November 2018

Winterurlaub


So langsam gewöhnt sich Gwen Frost an ihr Leben an der Mythos Academy. Von Logan, Oliver und Kenzie soll sie kämpfen lernen, was noch am ehesten mit Pfeil und Bogen gelingt, während sie beim Schwertkampf kaum eine Minute übersteht. Viel wichtiger ist an der Schule allerdings die anstehende Luxus-Skifreizeit in den Bergen. Gwen hat keine Lust darauf, doch ihre beste Freundin Daphne überredet sie, mitzufahren. Doch was, wenn in dem exklusiven Resort auch ein Reaper lauert, schließlich hat die Familie Ashton Rache geschworen, nachdem ihre Tochter zu Tode gekommen ist.

Bei einer Reihe steht häufig die Überlegung im Raum, zu warten, bis alle Teile erschienen sind und sie dann im zeitlichen Zusammenhang zu lesen oder die Bände jeweils beim Erscheinen zu lesen. Welche Art des Lesens man bevorzugt, muss man selbst entscheiden. Vielleicht wären kurze Zusammenfassungen der Vorbände zu Beginn eines Buches hilfreich, wird im Rahmen der Handlung auf das Vorherige eingegangen, kann es auch mal zu viel werden. 

Auch in diesem zweiten Band der Mythos Academy Reihe wird etwas reichlich wiederholt, spannend wird es erst mit dem Ausflug in die Berge. Wie nicht anders zu erwarten, gerät Gwen in verschiedene Situationen, in denen sie Hilfe braucht oder in denen sie sich selbst zu helfen weiß. Die Gefahr kann überall lauern, manchmal sogar dort, wo man sie am wenigsten erwartet. Doch Gwen entwickelt ihre Fähigkeiten, wodurch sie besser gewappnet ist, Gefahren zu begegnen. Nach und nach taucht sie tiefer in die Geheimnisse der Mythos Academy ein.

Auch wenn am Anfang etwas zu viel auf die Vorgänge im Vorgängerband eingegangen wird und hin und wieder ein Ansatz ein wenig vorhersehbar ist, ist dieser zweite Band der Reihe um Gwen Frost unterhaltsam und spannend. Einige Gefahren werden überwunden, einige Rätsel gelöst und genug Hinweise werden gefunden, die die Neugier wecken, wie es weitergeht auf der Mythos Academy.

Eine schöne Jugendbuch-Reihe, die auch Erwachsenen gute Unterhaltung bietet.


3,5 Sterne (🐳🐳🐳+)

Kiss of Frost von Jennifer Estep
ISBN: 978-0-7582-6694-1


Samstag, 3. November 2018

Ferienlager


Julie gehört dazu, das erste Mal in einem Ferienlager für kreative künstlerisch begabte Jugendliche, wird sie von Ash eingeladen. Damit gehört sie dazu, zu den Interessanten, und künftig ist sie Jules. Über die Jahre bleibt Ash ihre beste Freundin. Jules, die wegen des frühen Todes ihres Vaters einfach nur von zu Hause weg wollte, führt nun intelligent humorvolle Gespräche mit ihren neuen Freunden. Gemeinsam mit Ash träumt sie davon, Schauspielerin zu werden. Ethan dagegen ist ein großes Zeichentalent, er möchte Zeichentrickfilme machen. Cathy und Jonah sind musisch begabt. Und Ashs Bruder Goodman hat eigentlich kein besonderes Talent, dennoch möchte er gerne Architekt werden. 

Fünf Jugendliche, die sich eher zufällig in einem Ferienlager treffen, schließen Freundschaft, die am liebsten ein Leben lang bestehen soll. Ist es eher die Jugend, die sie zusammenführt, oder eher ihr besonderes Talent. Sie sind doch besonders, die Interessanten eben, oder? Natürlich führen ihre Wege in unterschiedliche Richtungen. Erstaunlicherweise ist es gerade der unscheinbare Ethan, der am meisten aus seinem Zeichentalent macht. Vielleicht ist er auch der, der am meisten Talent hat. Seine Trickfilme laufen äußerst erfolgreich im Fernsehen. Jules dagegen muss einsehen, dass sie keine große Schauspielerin werden wird. Jonah wendet sich einem technischen Studium zu. Cathy bekommt von der Natur einfach nicht den Körper, den sie als Tänzerin braucht. Nur der untalentierte aber von seinen Eltern hofierte Goodman bleibt ohne Talent und Entwicklung.

Beginnend in den 1970ern umspannt dieser Roman mehrere Jahrzehnte. Im Osten der USA werden die fünf Jugendlichen zu Erwachsenen. Die Lebenswege dieser unterschiedlichen Menschen, deren Bahnen sich zufällig kreuzten, erweisen sich als anders als in er von Enthusiasmus gekennzeichneten Jugend erhofft. Hier kommen Wunsch und Wirklichkeit zusammen und bilden die Realität. Es ist eines dieser Bücher, bei deren Lektüre man sich an die eigene Jugend erinnert, an die hochfliegenden Träume, die meist in eine ganz andere Realität mündeten. Man denkt an die Cliquen, denen man angehörte, wo man sich zugehörig fühlte oder auch mal am Rande stand. Freundschaften sollten ewig halten und veränderten sich doch. Ein lesenswerter Spiegel, den die Autorin ihren Lesern vorhält. Ein Roman mit Humor und Melancholie, der einen Teil des wahren Lebens abbildet.


4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

Die Interessanten von Meg Wolitzer
ISBN: 978-3-8321-6339-6


Freitag, 2. November 2018

Freies Land



Einstmals einfach Kelsea Glynn ist sie nun die mächtige Königin von Tearling. Doch ihr Reich ist von allen Seiten bedroht und auch im Inneren steht nicht jeder auf Seiten der Königin. In äußerster Not sieht Kelsea keine andere Chance, als sich in die Hände der roten Königin zu begeben, ihrer ärgsten Feindin. Den Oberst ihrer Leibgarde, Mace, erklärt sie zu ihrem Statthalter. Mace soll ihr bedrohtes Königreich beschützen und zusammenhalten. Obwohl es nicht seine Aufgabe ist, schickt er doch die Garde zur Rettung der Königin. Inzwischen vertieft sich Kelsea immer weiter in die Vergangenheit, die sich in ihren Träumen oder Visionen offenbart.

Wieso sind die hehren Ziele, die ideale Welt, von der Will Tearling geträumt hat, zu der Wahrheit geworden, in der Kelsea lebt? Das möchte die junge Frau ergründen und gleichzeitig soll ihr Reich gerettet werden. Gab es einen Punkt in der Vergangenheit, an dem sich das Schicksal in diese Richtung gewandt hat? Hätte bei einer anderen Entscheidung alles anders laufen können? Hätte es eine Chance gegeben, das Ideal zu erreichen? Um diese Fragen kreisen die Gedanken der jungen Königin, die sich ihrer Verantwortung sehr bewusst ist. Doch auch sie ist nicht unfehlbar, kein idealer Mensch. Aber wenn sie eine Chance hat, die Welt zu heilen und zu befreien, will sie ihr Bestes geben.

Das Schicksal des Tearling klärt sich in diesem abschließenden Band um Kelsea, die junge Königin. Gespannt beginnt man die Lektüre mit der Frage, ob es überhaupt eine Rettung aus dieser vertrackten Situation geben kann. Sehr gelungen erscheint wie der Bogen zwischen den unterschiedlichen Handlungsebenen gespannt wird und wie sich nach und nach erklärt, wo der Hund begraben liegt. Immer schwieriger wird die Lage und immer neugieriger wird man, wie man da zu einer Lösung kommen will. Auch die politischen Überlegungen spielen eine große Rolle und gerade sie sind sehr nachvollziehbar ausgeführt. Bei der Komplexität der gesamten Konstruktion müssen vielleicht einige Randfragen im Unklaren bleiben. Doch insgesamt findet man eine sehr stimmige Auflösung um das Schicksal des Tearling, eine Plädoyer über den Wert von Demokratie und Freiheit und die Mahnung, dass dieses keine bequemen Werte sind, die einfach da sind.


4 Sterne (🐳🐳🐳🐳)

The Fate of the Tearling von Erika Johansen
ISBN: 978-0-8575-0249-0


und hier ist das Cover der deutschsprachigen Ausgabe


Donnerstag, 1. November 2018

Todescamp


Schon seit 25 Jahren ist Walt Longmire Sheriff in Absaroka County. Ob er nochmal wieder gewählt wird, weiß er nicht. Ob er das will, weiß er auch nicht. Allerdings überlegt er, vier Jahre nach dem Tod seiner Frau möglicherweise zu neuen Ufern aufzubrechen. Seine Gedankengänge werden allerdings jäh unterbrochen, als der Mord an Cody Pritchard die schläfrige Ruhe jäh zerstört. Vor zwei Jahren wurden Cody und drei andere junge Männer wegen der Vergewaltigung einer jungen Indianerin zu einer eher geringen Gefängnisstrafe verurteilt. Handelte es sich bei dem Mord an Cody eher um eine Zufallstat oder könnte es sich um eine späte Rache handeln. 

Der Fall der Vergewaltigung des Cheyenne-Mädchens ist Walt noch in schlechter Erinnerung, die jungen Männer sind doch zu leicht davon gekommen. Doch wer kann Grund zur Rache haben. Sogar seinen Freund Henry Standing Bear, der Walt mit klugen Sprüchen, Ratschlägen und hin und wieder einem Tritt in den Hintern, wenn der Sheriff mal wieder zu träge wird, zu Seite steht, hat Longmire kurz in Verdacht. Doch eigentlich scheiden etliche der Verdächtigen aus, weil sie keine Möglichkeit hatten, den Mord zu begehen oder sie hatten ein Alibi, oder wie auch immer. 

Soweit bekannt wurde die TV-Serie Longmire im Free-TV nie gesendet, was zu bedauern ist. Eher durch Zufall an die Serie gekommen, macht diese neugierig auf die Bücher. Glücklicherweise hat sich die Adaption der Serie recht nah am Buch orientiert, so dass man nicht enttäuscht wird, wenn man das Buch später liest. Eher erinnert man sich gerne an die so gut passenden Bilder und taucht wieder in die Handlung ein. Wenn man die Mischung aus Western und Krimi mag und einen leichten Hang zum indianischen Mystizismus hat, wird dieser erste Band der Serie um Walt Longmire außerordentlich fesseln. Einfach gelungen wie der Autor seinen Sheriff und dessen Umgebung in Szene setzt. Die abgeschiedene Gegend um die Bighorn Mountains bringt die sympathisch skurrilen Charaktere hervor, denen der Autor eine Stimme verleiht. 


4,5 Sterne (🐳🐳🐳🐳+)

The cold Dish (Walt Longmire 1) von Craig Johnson
ISBN: 978-1-409-15903-2