Freitag, 18. Dezember 2020

Schneegestöber

Ihre Zwillinge sind inzwischen schon Teenager, wie doch die Zeit vergeht. Die Ehe mit Paul ist etwas flach geworden und die Schwiegermutter Irene nervt mit den alljährlichen Weihnachtsritualen. Obwohl Sonja langsam wirklich eine Veränderung gebrauchen könnte, macht sie doch immer noch mit. Bis zu diesem Jahr, in dem die Töchter rebellieren, Irenes Freundin mit ihrem alten Dackel anreist und die Silvesterparty so garnicht märchenhaft verläuft. Sonja muss sich einfach mal Luft verschaffen. Das tut sie gemeinsam mit ihren neuen Freundinnen Karin und Bernadette in den verschneiten schweizer Bergen. Dort führt Karin ein Hotel, das allerdings in Existenznöten ist.


Es gibt Zeiten im Leben, in denen es mal angesagt sein kann, innezuhalten und das Leben neu zu sortieren. Und so ist es bei Sonja, die Kinder werden langsam groß, sie ist auf der Suche nach einem neuen Job, es wäre schön, wenn die Schwiegermutter sich nicht in alles einmischen würde und tja, Paul ist eben Paul, da hat das Prickeln doch sehr nachgelassen. Und Sonja ergreift die Gelegenheit. In Karins Hotel will sie etwas zu sich kommen. Doch auch an Karins Leben nimmt sie teil. Sonja und die ältere Bernadette haben alle Hände voll zu tun, ihre Freundin zu unterstützen.


Dieser Winterroman ist gerade das richtige für wohlige Lesestunden vor dem Kamin. Auch wenn manche Nebenfiguren etwas überzeichnet wirken, so wirken Sonja und ihre Freundinnen doch sehr sympathisch. Zwar wirken vereinzelte Teile der Geschichte etwas konstruiert, doch andere Passagen sind sehr berührend. Jedenfalls ist es schön, wie Sonja den Mut findet, mal auszubrechen und wie sich schließlich neu sortiert. Gerne liest man auch, dass Sonja nicht nur sich selbst verändert, sondern dass sie auch bei anderen ein Innehalten und vielleicht auch Umdenken anstößt. Ein anheimelnde Geschichte, die einem die Welt der schweizer Berge etwas näher bringt. Da lohnt sich auch eine Suche im www, wo beeindruckende Bilder zu finden sind.


3,5 Sterne


Drei Frauen im Schnee von Blanca Imboden

ISBN: 978-3-0376-3307-6

Mittwoch, 16. Dezember 2020

Schneemädchen

Es ist Dezember und auf dem Heimweg liest Eric Nyland ein junges Mädchen von der Straße auf. Er erfährt von Hannah, dass sie in seiner Nachbarschaft wohnt. Bei einem ehemaligen Schulkameraden Erics, den er schon früher nicht leiden konnte. Wie Recht Eric hatte, stellt sich heraus als er die Kleine nur wenig später quasi retten muss. Weil so kurz vor Weihnachten keine andere Möglichkeit besteht, bittet die Sozialarbeiterin Betty den ehemaligen Polizisten Nyland, Hannah über die Feiertage aufzunehmen. Mit Erics Ehe steht es nicht zum besten und seine beiden Söhne sind auch nicht einfach. Wie wird Hannah da hineinpassen.


Erics Familie befindet sich an einem Tiefpunkt. Sie sind in Erics Elternhaus eingezogen und kümmern sich seit dem Tod der Mutter um Erics Vater, dem man das Alter inzwischen sehr anmerkt. Doch auch Ellie, Erics Frau, geht es nicht gut, sie hat ihre Fröhlichkeit und ihren Antrieb verloren. Ihr älterer Sohn Danny ist dabei flügge zu werden, der jüngere Sammy hat autistische Züge und ist somit nicht ganz leicht zu nehmen. Wie wird sich Hannah in Erics Familie zurechtfinden. Es soll ja nur für ein paar Tage sein, da wird es schon gutgehen. 


Das Auftauchen eines Kindes kann eine Familie ganz schön durcheinander bringen, doch kann sich dadurch innerhalb relativ kurzer Zeit auch alles zurechtrücken? So ganz glauben mag man es nicht, aber dennoch wünscht man dieser schönen Weihnachtsgeschichte, dass sie funktioniert. Manchmal handeln die Personen etwas sprunghaft und unmotiviert, aber manchmal wird man auch in die gefühlvolle Story hineingezogen und wünscht, dass Hannah und die Nylands noch mehr zusammenwachsen. In nur wenigen Tagen verändern sie sich alle und man möchte an eine Art Weihnachtsgeschichte glauben, in der den Guten ein Happyend beschert wird. Die winterliche Stimmung tut ein Übriges dazu, dass der Roman genau richtig passt für diese Tage, in denen man mehr Zeit zum Lesen hat, als man vermuten konnte.


3,5 Sterne


Hannahs Gefühl für Glück von Fran Kimmel

ISBN: 978-3-423-26241-5




Sonntag, 13. Dezember 2020

Allein, allein

Die Wissenschaftlerin Elaine erwacht in einer Eiswüste. Geschützt wird sie von den Trümmern des Raumschiffs, mit dem sie und viele andere Menschen vor langen Zeiten von der Erde gestartet sind, um den Folgen des Einschlags eines riesigen Meteroiten zu entkommen. Um die lange Reise zu überstehen, wurden sie in Kokons in einen Kälteschlaf gelegt. Und nun scheint Elaine die Einzige zu sein, die den Absturz und die Reise überlebt hat. Zwar hat sie einige technische Hilfsmittel und Nahrung, aber am meisten hilft ihr die Erinnerung an die Zeit mit ihrem Großvater, ein Inuit, mit dem sie auf Grönland gelebt hat.


Wie ist es, wenn die Zukunft die Vergangenheit ist und die Vergangenheit die Zukunft? Elaine muss sich in einer unwirtlichen Welt zurechtfinden, die sie Winterthur nennt. Dass sie ihre Jugend auf Grönland mit ihrem Großvater verbracht hat, hilft ihr bei der Bewältigung der täglichen Aufgaben. Auch die wissenschaftliche Ausbildung ist hilfreich, aber die ihr Durchhaltevermögen und ihren Ideenreichtum zieht sie aus der Zeit mit ihrem Großvater. Doch wie lange kann sie alleine überleben? Und wie soll sie die Technik, die ihr noch zur Verfügung steht, einsetzen? 


Dieser dystopisch angehauchte Roman spielt in einer Zeit nach der großen Katastrophe. Doch schon vorher hatte sich die Welt verändert. Trotz herausragender technischer Entwicklungen ist das Leben nicht unbedingt besser geworden. Und die herannahende Katastrophe bietet nur wenigen eine Chance zu überleben. Der Autor macht daraus ein interessantes Gedankenspiel um Vergangenheit und Zukunft und die Fähigkeit zu bestehen. Welcher Hintergrund befähigt zu überleben. So stecken schließlich mehrere Geschichten in dem Buch, die jeweils einen neuen Blickwinkel eröffnen. Dadurch entstehen zwar auch Brüche, doch ebenso entstehen Ansätze, über das Gelesene nachzudenken. Darüberhinaus erfährt man einiges über das Leben der Inuit, die einen anderen Blick auf die Natur haben oder sich einfach etwas erhalten haben, was woanders zumindest zum Teil verloren gegangen ist. Dieser Roman ist eine Besonderheit, für die man etwas Zeit einplanen muss. Zeit, die sehr gut angelegt ist.


4 Sterne


Fremdes Licht von Michael Stavarič

ISBN: 978-3-630-87551-4




Samstag, 12. Dezember 2020

Chloe und Red

In ihren jungen Jahren hat Chloe Brown eine chronische Krankheit erworben, die ihr Leben nunmehr seit langem sehr einschränkt. Doch Chloe will nicht mehr länger alles dieser Krankheit unterordnen. Aus dem Gedanken folgt der Entschluss, endlich eine eigene Wohnung zu beziehen. Unterstützung bekommt sie dabei von ihrer Familie, insbesondere von ihren beiden Schwestern. An ihr neues Leben muss sich Chloe erstmal gewöhnen, doch der Auszug war nur der erste Punkt auf ihrer Liste. Bei der Erfüllung einiger weiterer Listenpunkte kann ihr vielleicht der nette und ansehnliche Hausmeister der Wohnanlage helfen. Eine Gelegenheit bietet sich Red als Chloe beim Versuch eine kleine Katze zu retten im Geäst eines Baumes strandet.


Bei diesem Roman handelt es sich um den ersten Band der Trilogie um die Brown Schwestern. Chloe Brown ist eine empfindsame junge Frau, die sie aus dem Leben zurückgezogen hat, nachdem sie erkrankte. Sie hat mit ihren gesundheitlichen Problem zu kämpfen und für viele Dinge fehlt ihr einfach die Kraft. Mit dem gut aussehenden Hausmeister Red Morgan will Chloe eigentlich nichts zu tun haben. Nur wenn sie ganz ehrlich wäre, würde sie vielleicht zugeben, dass er ein doch sehr interessanter Mann ist. Natürlich hat Chloe ihn auch nicht heimlich beobachtet.


Mit großer Empathie beschreibt die Autorin das nicht ganz einfache Leben ihrer Protagonistin, die doch versucht, dass Beste aus ihrem Leben zu machen. Und Red Morgan entpuppt sich ebenfalls als frecher, aber auch verletzlicher Charakter. Besonders zu Beginn reißt die Story um Chloe und Red den Leser mit. Die witzigen Wortgefechte, hinter denen die beginnenden Gefühle versteckt werden sollen. Letzteres gelingt natürlich nur bruchstückhaft. Nach und nach geht es zwischen den Beiden richtig heiß her, wobei man hier die Deutlichkeit nach der Aufmachung des Buches nicht unbedingt erwarten würde. Doch es es den Protagonisten gegönnt. Es ist schon eines der Bücher, bei denen man nach dem Lesen der Beschreibung schon weiß wie es ausgehen wird, aber das tut dem Vergnügen bei der Lektüre keinen Abbruch.


4 Sterne


Kissing Chloe Brown von Talia Hibbert

ISBN: 978-3-548-06284-6

Donnerstag, 10. Dezember 2020

Die verlorenen Seiten

Noch immer weilt der argentinische Doktorand, dessen Vorname mit einem G beginnt, in England. Und wieder sucht er Rat bei Professor Arthur Seldom und kommt so in Berührung mit der Lewis-Carroll-Bruderschaft, deren Mitglied Seldom ist. Seldoms ehemalige Studentin Kirsten Hill ist zufällig auf einen Hinweis zu Carrolls Tagebüchern gestoßen, der als verschollen galt. Die junge Frau ist sehr aufgeregt, denn dieser Hinweis lässt Lewis Carrolls Wirken in einem anderen Licht erscheinen. Seldom und sein Doktorand wollen Kirsten überzeugen, dass sie sie an ihrem Wissen teilhaben lässt. 


Zum zweiten Mal haben Arthur Seldom und sein Doktorand und Chronist es mit einem ungewöhnlichen Fall zu tun, den sie nur mit logischem Denken lösen können. Die Lewis-Carroll-Bruderschaft will die Tagebücher des bekannten Autors neu auflegen. Schwebt Kirsten nach ihrer Entdeckung vielleicht in Gefahr. Die Bruderschaft ist jedenfalls in Aufruhr, schließlich muss sie möglicherweise ihr Bild des Autors überdenken. Die Mitglieder wollen Kirsten Hill überzeugen, ihr Wissen zu offenbaren. Hill jedoch will etwas eigenes veröffentlichen. Als es zu Todesfällen kommt, wird die Situation immer brenzliger. Seldom und der Doktorand suchen nach den entscheidenden Spuren.


Um Lewis Carrolls Buch „Alice im Wunderland“ und sein frühes Interesse an Fotografie spinnt der Autor eine ungewöhnliche Kriminalgeschichte. Professor Arthur Seldom und sein Doktorand versuchen sich gegenseitig zu überflügeln mit ihren logischen Gedankengängen. Dass es dabei für die Leser sehr interessant und spannend wird, ist keine Frage. Man erfährt mehr über Carrolls vielschichtige Persönlichkeit und auch einiges über die skurrile britische Gesellschaft, in der eine Bruderschaft sich der Forschung über den Autor verschrieben hat. In eher ruhiger Weise verläuft die Handlung, fesselt aber dennoch. Immer neue Geheimnisse gilt es zu entdecken und Rätsel zu lösen. Seldom und sein Doktorand bilden ein überzeugendes und sympathisches Team.


4 Sterne


Der Fall Alice im Wunderland von Guillermo Martínez 

ISBN: 978-3-8479-0046-7




Sonntag, 6. Dezember 2020

Rockstar

Brad Galloway spielt auf der Waldbühne, die Menge jubelt. Der Musiker wird jedoch durch eine junge Frau aus dem Konzept gebracht, die ihm einen Umschlag überreicht. Wenig später wird Galloway tot aufgefunden und Kommissar Tom Babylon übernimmt. Wer kann etwas gegen den bekannten Rockstar gehabt haben? In seinem direkten Umfeld scheint niemand ein Motiv zu haben. Aber wer war die Frau auf der Bühne? Schnell stellt sich heraus, dass der Ursprung der Tat in der Vergangenheit liegen muss. Doch wessen Vergangenheit gemeint ist, lässt sich nicht so schnell klären. Allerdings könnte Tom Babylon persönlicher betroffen sein als er sich vorstellen kann.


Gemeinsam mit der Psychologin Sita Johanns ermittelt Kommissar Tom Babylon für das Berliner LKA in seinem dritten Fall. Und im Musikermilieu war wirklich nicht mit so einem Mord zu rechnen. Zwar hatte Brad Galloway das eine oder andere Geheimnis. Das hatte allerdings mehr mit seinem unsteten Leben als Rockstar zu tun. Da würde man jedoch nicht unbedingt ein Motiv vermuten. Oder würde ein gehörnter Liebhaber oder Ehemann so einen Mord begehen? Und auch in seinem Privatleben kommt Tom Babylon an einen Wendepunkt. Sein Verhältnis zu seinem Vater ist eigentlich schon angespannt seit seine Mutter in den letzten Monaten des Bestehens der DDR verstorben ist.


Zu Beginn fragt man sich wie hier verschiedene Handlungsstränge zusammenwirken sollen. Doch je weiter man liest desto mehr Einsicht gewinnt man und desto spannender wird es. Überhaupt mag man diesen packenden Thriller nach einer Weile nicht mehr aus der Hand legen. Als Unterhaltungslektüre ist dieser Roman sehr ausgefeilt und es werden interessante zeitgeschichtliche Themen mit einem aktuellen Geschehen verquickt. Ein Teil der deutsch-deutschen Vergangenheit wird packend aufgearbeitet und mal wieder kann man erfahren, wie wenig man mitunter den eigenen Vater kennt. Dazu kommt der Todesfall, mit dem einiges ausgelöst wird, das für Babylon nicht leicht zu verarbeiten ist, welches den Leser allerdings ausgesprochen fesselt. 


4 Sterne


Die Hornisse von Marc Raabe

ISBN: 978-3-8437-2446-3




Samstag, 5. Dezember 2020

Flüsterwind

Er ist ein Spurenleser und Jäger, seine Fähigkeiten setzt er ein, um Menschen zu helfen. Zum Beispiel bei der Suche nach vermissten Personen. Colter Shaw ist mit der Natur verbunden und ein versierter Kämpfer. Obwohl er ein Einzelgänger ist, hat er doch ein Netzwerk von Unterstützern. Wer Colter Shaw wirklich ist, weiß allerdings keiner so genau. Denen, die ihn um Hilfe bitten, ist das auch egal. Shaw gelingt es, die Studentin Sophie Mulliner zu finden und zu befreien. Um die Belohnung geht es ihm eigentlich nicht, wichtiger ist es ihm, die junge Frau wohlbehalten nach hause zu bringen.


Mit Colter Shaw lässt der Autor einen neuen Akteur die Bühne betreten. Dabei ist Shaw keiner der üblichen Detektive. Zwar arbeitet er mit der Polizei zusammen,  wenn aber die Beamten keinen Ermittlungsansatz sehen, fängt Shaws Tätigkeit mitunter erst an. Er analysiert die Situation und schätzt sie ein und danach entscheidet er ruhig und überlegt, wie er vorgehen will. Seine spezielle Art verdankt er der Art wie er aufgewachsen ist. Seine Eltern sind aus Berkeley in die Einöde gezogen als Colter erst vier Jahre alt war. In seinem ersten Fall ahnt Colter Shaw nicht, in was er hineingeraten ist als er mit der Suche nach Sophie beginnt.


Zu Beginn muss man sich etwas mit Colter Shaw anfreunden, denn er erscheint doch etwas unterkühlt, um nicht zu sagen hart. Je mehr man allerdings von seiner Vergangenheit erfährt, desto besser versteht man sein Handeln und desto sympathischer wird er. Sein erster Fall führt in die Welt der Videospiele. Eine Welt, die man mit leichtem Unverständnis, aber gebanntem Interesse bestaunt, wenn man selbst kein Spieler ist. Toll, wie Shaw die Situationen genau durchdenkt und zu schlüssigen Lösungen kommt. Jeffery Deaver wäre allerdings nicht Jeffery Deaver, wenn er für seine Leser nicht einige Überraschungen im Angebot hätte. So zeichnet sich Colter Shaw auch durch die Größe aus, zu erkennen, wann er falsch liegt und nach einem neuen Ansatz suchen muss. Dabei gibt es neben dem Fall eine ausgesprochen spannende Rahmenhandlung, die sicherlich dazu beiträgt, den Wunsch nach mehr von Colter Shaw zu stärken. Ein gelungener Reihenbeginn von einem versierten Autor, der es versteht, die Leser zu fesseln.


4 Sterne


Der Todesspieler von Jeffery Deaver

ISBN: 978-3-7645-0749-7